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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Weihnachtliche Strafmaßnahmen

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Die Not des Broterwerbs hat mich schon oft zur Coca-Cola-Figur gemacht. Oder etwas anders formuliert: Um Kindern eine Freude zu bereiten, habe ich mich in den vergangenen Jahren immer wieder als Weihnachtsmann oder Nikolaus verkleidet, Süßigkeiten verteilt, ein paar besinnliche Worte zu den Kindern gesprochen, ein Lied mit ihnen gesungen und bin dann zum nächsten Termin weitergeeilt. Mein Weg begann üblicherweise am 6. Dezember vormittags in einem Kindergarten, führte mich am Nachmittag und Abend in diverse Privathaushalte, die mich über eine Casting-Agentur gebucht hatten. kurz vor Weihnachten trat ich dann auch als Weihnachtsmann bei Firmenfeiern auf.

Bei solchen Anlässen kann man allerlei Sozialstudien treiben: Die meisten Eltern wollten ihre Kinder auf spaßige Weise überraschen, manche verlangten für ihr Geld aber auch ein festgelegtes Programm und instruierten mich genauestens, was ich welchem Kind an Lob und vor allem auch an Tadel mitzuteilen hatte. Dabei war ich als nach München „zugroaster Preiß“ überrascht, wie viele Elfjährige noch an den Nikolaus glaubten, wie beflissen sie mir von ihren schulischen Leistungen berichteten und wie sie allen Ernstes erzählten, was „ich“ – so wie ich in Filzkostüm und Wattebart vor ihnen stand –  als Bischof von Myra seinerzeit für die Armen getan hätte. Die Eltern, die einen lieben Nikolaus erwarteten, waren mir sympathischer, aber die Mahnwünsche der anderen – oft Gebildeten und Bessergestellten –, die die Ehrfurcht ihrer Kinder vor diesem strengen, komisch gekleideten Onkel als pädagogischen Erfolg ansahen, wurden auch erfüllt.

Aufwendige Korrekturen nötig

Demgegenüber sollte man meinen, daß der Filzkasper, der bei betrieblichen Weihnachtsfeiern auftritt, dort eher den Pausenclown und Zotenreißer macht (heutzutage darf es natürlich gerne auch eine „Santa Claudia“ mit roten Stiefeln und kurzem Röckchen sein). Aber als ich einmal von einem Autohändler für einen längeren Einsatz gebucht wurde, war ich doch ziemlich von der Rede überrascht, die ich als „Arbeitsgrundlage“ zugeschickt bekam. Abgesehen von dem erbärmlichen Deutsch, das aufwendige Korrekturen nötig machte, war das Ding auch inhaltlich blamabel.

Es begann mit einem phrasenhaften Lob des Geschäftsführers auf sich selbst, seine Frau und seinen Schwiegervater, in dessen Firma er eingeheiratet hatte; danach wurde jeder einzelne Mitarbeiter von den Prokuristen und Abteilungsleitern über die Sekretärinnen, Assistentinnen, Mechaniker, Lieferanten bis zum letzten Laufburschen hervorgezogen bzw. vorgeführt und „abgewatscht“. Nur ganz wenige, die sich besonders aufopferungsvoll gezeigt hätten, wurden als Vorbilder dargestellt, die meisten – oft wegen persönlicher Angelegenheiten, die unter Klatsch und Tratsch zu verbuchen sind und eigentlich nicht in einen solchen Rahmen gehören – gemaßregelt und zu mehr Eifer sowie zur verständnisvollen Hinnahme eines neuen Lohnmodells ermahnt.

Frohes Fest ohne böse Coca-Cola-Figuren

Entsprechend schlecht war die Stimmung; nicht wenige, die ich während meiner Rede aufrief, hatten sich krankschreiben lassen, die anderen kamen mit ergebenen Gesichtern unter dem peinlichen Schweigen ihrer Kollegen nach vorne gelaufen und erhielten von mir ihr Weihnachtsgeschenk – ein T-Shirt mit Werbeaufdruck der Firma – ausgehändigt, bis die Veranstaltung absolviert war und zum Abschluß „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen oder besser gesagt: mürrisch gebrummt wurde.

Zuletzt bekam auch ich mein Fett weg, indem moniert wurde, daß man diesmal leider keinen bayerischen, sondern einen preußischen Weihnachtsmann bekommen habe. Abgesehen von dieser (zuvor nicht besprochenen) Dialektfrage war ich mit meiner Leistung aber selbst nicht sonderlich zufrieden; ich hatte mich nicht zwischen dem Vollzug der Strafmaßnahme und dem Versuch, dessen Ausfälle zu umschreiben oder humoristisch auszugleichen, entscheiden können, so daß meine improvisierten Späßchen in der trüben Atmosphäre verpufft sind.

Eigentlich ist Weihnachten aber nicht dazu da, sich gegenseitig die tatsächlichen oder angeblichen Verfehlungen des vergangenen Jahres vorzurechnen – ich jedenfalls wünsche Ihnen ein frohes Fest ohne böse Coca-Cola-Figuren!

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