Warum hat er das getan? Es gibt viele Menschen, die Matthias Platzeck in den vergangenen Tagen diese Frage gestellt haben. Und es gibt nur wenige, denen er eine befriedigende Antwort gegeben haben dürfte.
Seit sich der brandenburgische Ministerpräsident dazu entschlossen hat, die zehn Jahre währende Große Koalition mit der CDU zu beenden und statt dessen seine SPD mit der Linkspartei zu verbandeln, schlagen die Emotionen rund um den Potsdamer Landtag hoch. Die Landesvorsitzende der Union, Johanna Wanda, die von der letzten Sondierungsrunde kurzerhand ausgeladen wurde, warf dem Ministerpräsidenten vor, er habe ein stabiles Bündnis geopfert und die Menschen im Land verraten. Dessen Konter, die CDU-Chefin solle „sich den Schaum vom Mund wischen und sich fragen, warum ihre Partei nur 20 Prozent geholt hat“, liefert allerdings auch keine vernünftige Erklärung, warum Platzeck den Juniorpartner getauscht hat.
Immerhin erzielte die Linkspartei ein deutlich besseres Ergebnis als die Union, wird am künftigen Kabinettstisch folglich auch mehr Stühle besetzen können als die Christdemokraten. Offiziell begründet der ehemalige SPD-Vorsitzende seine Entscheidung damit, daß er aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen eine möglichst breite Basis benötige. Beobachter rätseln nun, ob der mißtrauische Platzeck bei einer rot-schwarzen Mehrheit von fünf Stimmen eher den Dolch im eigenen Gewande oder aber doch die Wankelmütigkeit der chronisch zerstrittenen märkischen Union gefürchtet habe.
Seine Aussage, die inhaltlichen Übereinstimmungen mit der Linkspartei seien größer, kann nach einer zehnjährigen soliden Regierungsbilanz mit einem anderen Partner nicht wirklich überzeugen. Viel spricht dafür, daß Platzeck den Schritt hin zur Linkspartei gewagt hat, um damit bundespolitischen Strategien Rechnung zu tragen. Der neuen Parteispitze kommt die Brüskierung der Union keinesfalls ungelegen, die Sozialdemokraten konnten beweisen, daß sie wenigstens noch in einem Bundesland das Heft des Handels in der Hand behalten haben. Außerdem könnte der Regierungschef die Strategie verfolgen, die derzeit vor Kraft strotzenden SED-Nachfolger mittels Kabinettsdisziplin entzaubern zu wollen.
Sein Parteifreund und Berliner Amtskollege Klaus Wowereit hat dies vorgemacht. Einmal in der Verantwortung, verblaßten die populistischen Stimmen der Post-Kommunisten, die daraufhin prompt vom Wähler auf Normalmaß zurückgestutzt wurden. So ist es nun vor allem überraschend, daß die Debatte um die Koalitionsbildung an Havel und Oder mit einer solchen Leidenschaft geführt wird. Denn wie das Beispiel Berlin zeigt, sind Regierungsbildungen unter Einschluß der SED-Erben zumindest in Mitteldeutschland keine Neuheit mehr. Dennoch ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Republik, als Platzeck seine Entscheidung publik machte.
Dies lag vor allem daran, daß die Linkspartei in ihren Spitzengremien Personal aufgeboten hat, welches tief in der DDR-Vergangenheit verstrickt ist. Die Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser war während ihrer Studienzeit Inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit. Auf eine Distanzierung wartet man bis heute vergeblich. Gleiches gilt auch für die Fraktionsmitglieder Thomas Nord, Axel Henschke und Hans-Jürgen Scharfenberg. „IM Hans-Jürgen“ gilt manchen sogar als Kandidat für die Nachfolge von Jörg Schönbohm (CDU) im Amt des Innenministers. Auf einen Kabinettsposten hat Kerstin Kaiser immerhin verzichtet und damit den Weg für ein rot-rotes Bündnis frei gemacht.
Platzecks Vorgänger Manfred Stolpe, selbst als „IM Sekretär“ in der Stasi-Kartei geführt, hat das märkische Land einmal als „kleine DDR“ bezeichnet. Immerhin dürfen sich die Konkursverwalter der SED nun als moralische Sieger führen.
Ministerpräsident Platzeck, der sich zu Wendezeiten innerhalb der Bürgerbewegung engagierte, sprach davon, daß man 20 Jahr später niemanden mehr ausgrenzen dürfe. Einen größeren Ritterschlag für Kaiser und Co. kann es kaum geben. Eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ ist dies allerdings auch nicht.