Pleitebedrohte Hasardeur-Banken und gestrauchelte Konzerne werden mit gewaltigen Staatshilfen vor dem Zusammenbruch gerettet. Wer aber rettet die Steuerzahler, die dafür letztlich aufkommen müssen, weil der Staat die Rettungsaktionen mit neuen Schulden finanziert? Überraschenderweise ist der notorisch klamme und hochverschuldete deutsche Staat bereit und scheinbar fähig, Milliarden und Abermilliarden gepumpten Geldes in marode Unternehmen zu stecken und somit unverantwortliche Geschäftsgebaren auch noch zu honorieren.
Aber wenn es darum geht, das notwendige Geld in Schulen, Universitäten, Erziehung, Wissenschaft, Forschung oder Infrastruktur zu investieren, ist die Bereitschaft, sich auch dafür hoch zu verschulden, wie weggeblasen. Dabei sind es doch nur diese und ähnliche Bereiche, die Deutschlands Wohlstand bewahren und an denen Deutschlands Zukunftssicherung hängt. Was ist das für ein Staat, der seine Zukunft vernachlässigt, aber Hasardeuren soviel Geld nachwirft, damit sie die Folgen ihrer Verfehlungen der Vergangenheit bewältigen?
Immerhin gab es einen Lichtblick: Der von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Touristik- und Handelskonzern Arcandor soll die angestrebte staatliche Rettungsbeihilfe vorerst nicht erhalten. Anders als kurz zuvor noch Opel. Und das, obwohl Arcandor mit seinen etwa 50.000 Arbeitsplätzen doppelt so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie der Autohersteller. Inzwischen ist jedoch ein staatlicher Massekredit für das Insolvenzverfahren im Gespräch.
„Systemische“ Bedeutung, wie das strapazierte Schlagwort lautet, mit dem die Bankenrettungspakete begründet werden, hat Arcandor (wie Opel) nicht. Der Konzern hat sich übernommen, das Management hat Fehler begangen, die Finanzkrise förderte sie nur verspätet und um so schmerzhafter ans Tageslicht – viel zu schmerzhaft leider für die Beschäftigten, die für das Debakel kein bißchen können, ebenso wie die Mitarbeiter von Opel unschuldige Opfer ihrer Unternehmensführung und der Autoüberproduktion sind. Aber wie schwer ist dem CDU/CSU-Teil in der Bundesregierung und Unionsgrößen in betroffenen Bundesländern im Fall Arcandor die Erkenntnis gedämmert, daß der Staat unmöglich allen fallierenden Unternehmen das Überleben sichern kann und es auch nicht darf. Dabei war der Widerstand des Koalitionspartners SPD gegen die Erkenntnis und nachfolgende Entscheidung, Arcandor anstelle von Staatshilfe lieber einem Insolvenzverfahren zu überlassen, überaus stark. Die SPD macht damit jetzt mißtönig-schräge Wahlkampfmusik, ebenso die sozialistische Linkspartei. Aber es versteht sich von selbst, daß nicht der Staat, sondern die Arcandor-Eigentümer für das büßen müssen, was sie falsch gemacht haben.
Daneben sind auch die Gläubiger eines Unternehmens (Banken, Vermieter, Lieferanten) in der Pflicht. Auch sie gehen bei der Geschäftsbeziehung Risiken ein, die sie im Verlustfall nicht auf Unbeteiligte abwälzen dürfen. Geht etwas schief, müssen mit ihrem Teil diejenigen dafür einstehen, die mit den Erträgen auch die Vorteile einstreichen, wenn es gutgeht. Doch sorgt das Insolvenzverfahren dafür, daß die Gläubigerinteressen so weit wie möglich gewahrt werden. Immerhin gehören zu den Gläubigern nach Konzernangaben auch 20.000 deutsche Zulieferer und Dienstleister, vor allem mittelständische Unternehmen. Ist ein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen oder sind Teile von ihm zukunftsfähig, werden sich private Investoren finden, die das in die Hand nehmen – sei es mit oder ohne Insolvenzverfahren. Besteht dagegen keine Aussicht auf ein Überleben in der einen oder anderen Form, dann ist staatliche Rettung ohnehin vergebens, nur teuer; daher muß sie unterbleiben. Um so schlimmer im Fall Opel. Was bei Arcandor möglich ist, wäre ebenso bei Opel geboten.
Ein Insolvenzverfahren bedeutet nicht das Aus für alles und alle, sondern im geordneten Ablauf ein Rettungswerk für das, was zu retten ist. So sehr also der Regierung für ihr Verhalten gegenüber Arcandor zuzustimmen ist, um so mehr Kritik verdient sie an der Sechs-Milliarden-Hilfe für Opel. Und um so erstaunlicher, wie geräuschlos die 850-Millionen-Staatshilfe für die Heidelberger Druckmaschinen AG über die Bühne ging. Wer also rettet die Steuerzahler, die gegenwärtigen und die der nachfolgenden Generationen? Wer paukt sie heraus? Das tut keiner. Das müßten sie schon selber tun, nämlich mit entschlossenem Widerstand gegen die staatliche Ausbeutung. Aber das ist leicht gesagt und schwer getan. Geeignet dafür wäre alle vier Jahre der Wahltag. Aber da steht auch zuviel anderes zur Disposition.
Also Protestmärsche? Aufstand? Schwer vorstellbar bei jenem braven bürgerlichen Mittelstand und den „Leistungsträgern“, denen das so gar nicht liegt, obwohl sie vom Fiskus doch besonders stark gebeutelt werden. Also werden sie weiterhin für die Vergehen anderer geradestehen müssen: mit ihrem nicht eben leicht verdienten Geld und dem, was ihnen der Staat davon als Steuerzahlung in Fülle abnötigt. Opfer dieser Politik von immer mehr Schuldenmacherei zur Rettung von Banken und Unternehmen sind vor allem die etwa 24 Millionen Einkommensteuerzahler. Das sind 24 Millionen Wähler. Aber für die Politiker zählen die offensichtlich nicht. Warum dann 25.000 Opel-Beschäftigte?
Foto: … der Lastesel kann noch etwas vertragen.