Noch wiegen sich die havarierten Privatbanken jenseits wie diesseits des Atlantik in der zynischen (aber trügerischen) Gewißheit, sie seien zu groß, um vom Staate fallengelassen zu werden. Too big to fail das glauben von sich nicht nur Barclays, Citigroup, Deutsche Bank, Mitsubishi UFJ oder UBS. Und die historische Erfahrung bestärkt sie darin. Bis zur aktuellen Finanzkrise war die 1984 zusammengebrochene Continental Illinois National Bank and Trust Company die damals siebtgrößte Bank der USA der bislang aufsehenerregendste Too big to fail-Präzedenzfall der US-Nachkriegsgeschichte. Doch schon vor 80 Jahren nach dem Schwarzem Freitag von 1929 und dem Zusammenbruch des Goldstandards (1931) mußten in Deutschland alle privaten Großbanken verstaatlicht werden mit einer Ausnahme, der vom jüdischen Bankier Carl Fürstenberg geleiteten Berliner Handelsgesellschaft. Hitler hob den Bann wieder auf; vermutlich hatten ihm die Bankherren ihre Mithilfe bei der Kriegsfinanzierung zugesagt. Obama muß Clintons Entscheidung korrigieren In den USA unterschrieb Präsident F. D. Roosevelt 1933 den zweiten Glass-Steagall Act. In dem weitreichenden US-Bundesgesetz wurde unter anderem die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken angeordnet. Staats- und Zentralbankhilfen wurden nur noch jenen Banken gewährt, die sich des hochspekulativen Investmentgeschäfts enthielten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gesetz allerdings mehrfach modifiziert. US-Präsident Bill Clinton hat es schließlich 1999 ganz aufgehoben. Der US-Demokrat hat damit wesentlich zur heutigen Bankenmisere und der daraus folgenden Wirtschaftskrise beigetragen. Sein Nachnachfolger Barack Obama hat bereits angekündigt, die alten Regeln wieder in Kraft zu setzen. Auch muß er bei seinem Rettungswerk darauf achten, die Stellung des Dollar als Geld der Welt nicht zu gefährden. 70 Prozent der umlaufenden Dollar sind Geldanlagen von Ausländern (einschließlich Zentralbankreserven) und könnten gekündigt werden. Für US-Konjunktur und -Kapitalmarkt wäre das die Katastrophe (JF 4/09). Viel vertrackter liegen die Dinge in Europa. Die Gemeinschaftswährung Euro blockiert die Bemühungen der Staaten, ihre Banken über Zentralbankkredite wieder flottzumachen und die Folgen der Bankenkrise für Konjunktur und Arbeitsmarkt über Staatsgarantieren, -defizite und -schulden zu mildern. Die Europäische Zentralbank (EZB) scheidet als Retterin in der Not aus; sie kann keinem Einzelstaat helfen. Hier aber könnte die Lage weder unterschiedlicher noch dramatischer sein. Nach zehn Jahren eines inflatorisch über den Euro finanzierten Booms sind 13 der 16 Euro-Staaten nach Leistungsbilanzdefiziten (zum Teil größer als die der USA) bis über die Halskrause auslandsverschuldet. Das betrifft vor allem Irland, Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und sogar Frankreich. Ihre geborgte Kreditwürdigkeit (aufgrund eines nach deutschen Maßstäben bewerteten Euro) läßt sie jetzt zu potentiellen Islands und Spekulationsobjekten (beispielsweise für Hedge-Fonds) werden. Das abfließende Geld muß ersetzt werden. Doch wie und von wem? Bislang sorgten drei Überschußländer als Devisenbeschaffer für die Zahlungsfähigkeit der Eurozone: Deutschland, die Niederlande und Österreich. Doch jetzt in der Krise leiden auch deren Überschüsse an der Schwindsucht. Die Europäische Währungsunion (EWU) kann sich aussuchen, woran sie demnächst auseinanderbrechen wird: am Bankrott der Staaten-Mehrheit oder der Unfähigkeit der alten Bankierländer, diesen abzuwenden. Den Euro-Ländern bleibt in dieser Krise nur die Selbsthilfe durch Rückgriff auf den eigenen Staat. Doch woher soll der Staat das Geld hernehmen, wenn ihm als Folge der Krise die Einnahmen wegbrechen und die Kapitalmärkte austrocknen? Glauben denn die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister im Ernst, daß ihre von Existenzangst geschüttelten Bürger Milliarden und abermals Milliarden an Staatsanleihen für ihre Phantomprojekte zeichnen werden? Einkommen, Vermögen und Rentenansprüche in Gefahr Letztlich läuft der ebenso irreale wie unseriöse Plan, die klammen Banken mit Staatsgeld auszulösen, darauf hinaus, den Bankrott einzelner Institute zu einem Staatsbankrott auszuweiten. Die Folgen wären noch verheerender als vor 80 Jahren: Nach ihrem Einkommen und Vermögen verlören die Bürger auch noch ihre Rentenansprüche; denn ein bankrotter Staat kann diese nicht mehr bedienen. Aber auch den Privatversicherten geht es dann nicht besser. Ihre Lebens- und Krankenversicherer haben (für den vielgepriesenen Kapitalstock) zwar nur relativ wenig Aktien und fast keine spekulativen Papiere, aber teilweise dieselben vergifteten Anleihen gekauft wie die Banken. Sie stecken hierbei in derselben Misere. Und die Lösung? Sie muß Staat und Steuerzahler keinen Cent kosten. Statt der Finanzindustrie wertlose Aktien und Anlagen abzukaufen (wie diese unter dem Stichwort Bad Bank vorschlägt), sollte der Gesetzgeber etwas anderes anordnen: deren Abtrennung vom Neugeschäft und Übertragung auf einen Alt-Lastenfonds der im Eigentum der Erwerber bleibt. Für dieses Fondsvermögen sollte es großzügige Bilanzierungs- und Abschreibungshilfen geben. Buchverluste auf derzeit unverkäufliche Anlagen könnten als vorläufige betrachtet und über einen längeren Zeitraum (von zehn und mehr Jahren) verteilt werden. Sie müßten nicht mehr zu jedem neuen Bilanzstichtag als echte Verluste ausgewiesen und ausgekehrt werden. Das Ausbleiben der periodischen Hiobsbotschaften erhielte den Instituten ihre Liquidität, ersparte Politik und Öffentlichkeit Ratlosigkeit und Erschrecken und würde das Vertrauen in die (soziale) Marktwirtschaft wieder herstellen. Die Bundesregierung sollte sich bessere Ratgeber suchen. Die Leitmedien aber brauchen kompetente Kommentatoren, die das Geschäftsinteresse einer Branche noch vom Gemeinwohl unterscheiden können. Beide würden dann an Glaubwürdigkeit gewinnen. Prof. Dr. Wilhelm Hankel war unter Karl Schiller Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Er veröffentlichte zuletzt das Buch Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen (Signum-Verlag, Wien 2008).