Bislang 5,6 Millionen Pfund zahlte der britische Steuerzahler für die lahmgelegte nordirische Lokalregierung seit ihrer Suspendierung im Oktober 2002. Soviel kosteten die Gehälter der nicht amtierenden Abgeordneten und der derzeit unproduktiven Regierungsbeamten sowie die Subvention der machtlosen politischen Parteien und die Erhaltung der nutzlosen Bürogebäude. Diese Zahl wurde am 19. Januar im Unterhaus veröffentlicht. Auf die Frage nach dem Sinn der Ausgaben für diese „Phantomregierung“ antwortete der Minister für nordirische Finanzen, Ian Pearson, es sei wichtig, die Regierungsmaschinerie aufrechtzuerhalten für jenen Zeitpunkt, zu dem die lokale Verwaltung wieder eingesetzt würde. Dieser Zeitpunkt scheint jedoch in weite Ferne gerückt. Besonders seit dem 20. Dezember 2004, als in Belfast der größte Bankraub in Großbritanniens Geschichte stattfand und der nordirische Polizeichef Hugh Orde erklärte, daß ohne Zweifel die Irisch-Republikanische Armee (IRA) der Drahtzieher war, der die Northern Bank um 26,5 Millionen Pfund erleichtert habe. Die IRA stritt zwar sofort jede Schuld ab – doch der fragile Friedensprozeß zwischen pro-britischen Protestanten und katholischen IRA-Anhängern liegt nun in Scherben. War die IRA verantwortlich für den Bankraub, so zeigt dies, daß sie der Gewalt verschrieben bleibt und nicht, wie sie beteuert, ihre Aktivitäten aufgegeben hat. Das macht ihren „politischen Arm“, die 1905 von Arthur Griffith gegründete Partei Sinn Féin, als Partner einer nordirischen Koalitionsregierung inakzeptabel. Dabei begann die Gewaltenteilung 1999 so vielversprechend. Nach 80 Jahren der rein protestantischen Verwaltung schien mit dem Karfreitagsabkommen endlich eine faire Lösung für Nordirland gefunden zu sein. Gewählte Abgeordnete aus Nordirland – nicht von Großbritannien abgestellte Beamte – sollten von nun an Entscheidungen treffen. Die Abgeordneten verwendeten einen Großteil ihrer Zeit darauf, die gefürchtete IRA zur Auflösung zu bewegen. Und tatsächlich bemühte sie sich um ein besseres Image, gab mehrmals kleinere Mengen Waffen und Munition ab und versicherte die Öffentlichkeit ihrer Bereitschaft zum Frieden. „Nebenbei“ widmete sie sich aber auch weiterhin dem Drogenhandel, Erpressung, Bombendrohungen, Entführungen und Erschießungen. Eine schwere Belastung für den Friedensprozeß Der Spionageskandal im Oktober 2002 lieferte einen den pro-britischen Unionisten (DUP) willkommenen Beweis für intime Kontakte zwischen Sinn Féin und Terroristen. Damals wurde in Sinn-Féin-Regierungsbüros Geheimmaterial gefunden, das den Verdacht nahelegte, daß deren Abgeordnete vertrauliche Daten aus dem Regierungsgebäude an die IRA weitergaben. Die Folge dieser Entdeckung war eine sofortige Auflösung der ohnehin erst knapp 33 Monate bestehenden Lokalregierung. London übernahm zähneknirschend wieder sämtliche Verantwortung. Seither konnten die nordirischen Regierungsgeschäfte trotz mehrmaliger Bemühungen nicht wieder aufgenommen werden. Die DUP warnt, man könne Sinn Féin nicht trauen. Die irischen Republikaner beklagten sich dagegen über die Starrköpfigkeit ihrer Gegner und versicherten, die IRA hätte ihre Aktivitäten eingestellt und überhaupt hätte Sinn Féin gar nichts mit der IRA zu tun. Kurz vor dem Bankraub hatte der britische Nordirland-Minister Paul Murphy noch eine baldige Einigung in Aussicht gestellt. Im Mai soll es jetzt Neuwahlen geben. Wozu aber eine Volksvertretung wählen, wenn die hochbezahlten Abgeordneten nur diskutieren, wer nun unter welchen Bedingungen an einer zukünftigen Regierung teilhaben kann, während jene Probleme, die die Menschen wirklich betreffen, nicht einmal besprochen werden? Das fragen sich viele Wähler. So hängt etwa seit Jahren eine Schulreform halbfertig in der Luft. Nordirland ist nach wie vor die Region mit dem höchsten Krankenstand und den längsten Krankenhaus-Wartelisten des Vereinigten Königreiches. Auch die Situation der Bauern und der Fischerei hatte sich kurz verbessert, als die Provinz eine eigene Stimme hatte. Seit zwei Jahren jedoch sind die nordirischen Angelegenheiten wieder nur eine Fußnote auf Londons langer Liste von Regierungsgeschäften. Nur vorsichtig deutete Premier Blair nun im Parlament an, daß eine zukünftige Lokalregierung möglicherweise ohne Sinn Féin zustande kommen werde. Dies hatte er schon mehrmals angedroht – und nie wahr gemacht. Doch der Millionen-Bankraub und die anschließende Veröffentlichung über die immensen Kosten der suspendierten nordirischen Regierung setzen ihn unter massiven Druck. Die nordirische Frage scheint unlösbar. Will Blair den Friedensprozeß in Gang bringen, so muß er eine nordirische Regierung ohne Sinn Féin installieren. Die vertritt aber als zweitstärkste Partei 24 Prozent der nordirischen Wähler – die Hälfte aller Katholiken. Ein Teil könnte zur gemäßigten SDLP überlaufen, aber der Kern wird nicht zu beschwichtigen sein und möglicherweise zu Gewalt greifen. Und: Die IRA verfügt immer noch über genügend Waffen – und vielleicht 26,5 Millionen Pfund.