Mehr als 80 Mal sollen Flugzeuge des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA zwischen 2002 und 2004 auf den Flughäfen Ramstein und Frankfurt/Main gelandet sein. Diese Landungen soll die CIA vor allem genutzt haben, um unter „Terrorverdacht“ stehende Islamisten ins Ausland zu bringen. Dabei ist es der CIA aufgrund einer Direktive, die auf US-Präsident Bill Clinton zurückgeht, erlaubt, Gefangene an Länder zu überstellen, in denen auch Verhörmethoden möglich sind, die in den USA verboten sind. Aus Sicht der Vereinigten Staaten sind also die Operationen, die jetzt in Europa zum Stein des Anstoßes geworden sind, rechtens. Daß sich diese Flüge, mit denen Verdächtige offensichtlich in Foltergefängnisse gebracht worden sind oder werden, weder mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen, denen der Papierform nach auch die USA unterliegen, noch mit dem Nato-Truppenstatut in Übereinstimmung bringen lassen, zeigt erneut, daß aus Sicht der Vereinigten Staaten staatliche Souveränität dort endet, wo es die „einzige Weltmacht“ kraft eigener Setzung für richtig hält. Damit wird auch deutlich, daß die „volle Wiederherstellung der Souveränität Deutschlands“, wie sie angeblich im 2+4-Vertrag manifest geworden sein soll, im Bereich der politischen Mythen anzusiedeln ist. Wie es um die Souveränität Deutschlands bestellt ist, verdeutlicht bereits die strategische Bedeutung, die es für die US-Streitkräfte hat: Im Interventionsfall ist Deutschland Sprungbrett für US-Truppenverbände; es stellt über die hiesigen US-Luftbasen die Versorgung der in den Krisenregionen stationierten US-Truppenkontingente sicher. Fiele Deutschland in dieser Drehscheibenfunktion aus, bekäme das Pentagon bei der Sicherstellung der Logistik erhebliche Probleme. Auch die Artikel 53 und 107 der UN-Charta, die als „Feindstaatenklauseln“ bezeichnet werden, werfen ein Licht darauf, wie es mit der politischen Souveränität Deutschlands bestellt ist. Diese Artikel erlauben ohne Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates Zwangsmaßnahmen gegen solche Staaten, die im Zweiten Weltkrieg gegen einen der Unterzeichnerstaaten der Charta Krieg führten, wenn diese sich anschicken sollten, den „Frieden erneut zu bedrohen“. Die Beantwortung der Frage, was dies konkret heißt, unterliegt allein den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs. Bisher hat sich kein deutscher Politiker von Rang zur Aufgabe gemacht, mit aller Vehemenz die längst fällige Revision dieser Klausel einzufordern. Alle diese Entwicklungen müßten der neuen Regierung in Berlin eigentlich zu denken geben. Müßten – denn eine politische Klasse, die offensichtlich keinen Begriff von den Grundlagen politischer Souveränität mehr hat, wird auch auf die Beseitigung des Völkerrechts durch die Vereinigten Staaten in Form laufender Rechtsbrüche oder die Umformatierung Deutschlands in einen uneingeschränkten Freihandelsraum keine angemessenen Antworten geben können. Einzufordern ist aber jetzt und hier der Kampf um die Wiedergewinnung von Souveränität und die Behauptung Deutschlands als politisch eigenständig handelndes Subjekt.
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