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Zu umfassenden Angriffsoperationen in der Lage

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Zu umfassenden Angriffsoperationen in der Lage

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Man schrieb in Moskau den 14. August des Jahres 1939. Marschall Kliment Woroschilov, gereizt von etlichen Tagen des Geredes, ließ deutlich werden, welchen Preis er bot: „Die geplanten Operationen der Roten Armee in Ostpreußen und Galizien bedeuten das Ende Deutschlands.“ Seine Gesprächspartner aus den Generalstäben der Westmächte reagierten jedoch auf enttäuschende Weise, denn sie waren trotzdem nicht bereit, auf die Republik Polen den nötigen Druck auszuüben, damit die Rote Armee freie Bahn bekommen konnte, um den Deutschen dieses Ende auch tatsächlich bereiten zu können. Zwischen dem deutschen und dem russischen Territorium lag ein breiter Landstreifen, den Polen der UdSSR erst vor nicht einmal zwei Jahrzehnten in einem Angriffskrieg abgenommen hatte, und man fürchtete in Warschau nicht zu Unrecht, wenn die Sowjets auf diesem Boden einmal bis Königsberg marschiert seien, würden sie allzu gerne dort auch bleiben. Franzosen und Briten waren nicht verhandlungsfähig In anderen Fragen gaben sich die Westmächte ebensowenig konziliant. Sollte die Rote Armee nicht durch Polen marschieren dürfen, dann standen schließlich wenigstens noch die baltischen Länder als Transfergebiet bereit. Litauen immerhin grenzte schließlich direkt an Ostpreußen. Folgerichtig gehörte zu den weiteren Anliegen der UdSSR, von den Westmächten die Erlaubnis zu erhalten, künftig je nach Bedarf ins Baltikum einmarschieren zu dürfen. Daraus wurde ebenfalls nichts. Die französischen und britischen Militärs hatten nichts nach Moskau mitgebracht, was Stalin als angemessenen Preis für militärische Dienstleistungen akzeptieren konnte. Das war ärgerlich, stellte der Kremlherr einige Tage später fest. „Wir hätten ein Abkommen mit den sogenannten demokratischen Ländern vorgezogen und haben deshalb Verhandlungen geführt. Aber die Engländer und Franzosen wollten uns in Knechtschaft halten und nichts dafür bezahlen.“ Andererseits gab es weitere Möglichkeiten. Ob getrieben vom „Bedürfnis nach Krieg in Europa“, wie es in sowjetischen Diplomatenkreisen später hieß, oder nur, um aus der aktuellen deutsch-polnischen Krise ein schönes Stück Landgewinn mitzunehmen, für beides mußte dann eben ein Abkommen mit der Gegenseite geschlossen werden. Wenn daraus eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den europäischen Mächten entstehen sollte, war das in Stalins Augen um so besser: „Wir haben nichts dagegen, wenn sie ordentlich gegeneinander Krieg führen und sich gegenseitig schwächen. Es wäre nicht schlecht, wenn durch die Hand Deutschlands die Position der reichsten kapitalistischen Länder (besonders Englands) zerrüttet werden würde. Ohne es zu wissen und zu wollen, untergräbt Hitler das kapitalistische System.“ In der Tat hatte der deutsche Diktator in keiner Weise die Absicht, ausgerechnet den jahrelang umworbenen Bündnispartner Großbritannien durch einen Krieg zu schwächen. Getreu der Ankündigung vom Sommer des Jahres, er „werde nicht der Idiot sein, der wegen Polen in einen Krieg schliddert“, und weiter unter der damals formulierten Prämisse, „in den sauren Apfel zu beißen und Polens Grenzen anzuerkennen“, arbeitete er an entsprechenden Vorschlägen. Was er der britischen Regierung und deren polnischen Verbündeten schließlich vorlegte, mußte „ihm in seiner einseitigen Vorstellungswelt wohl unfaßbar großzügig erscheinen“, wie Großbritanniens Premier Neville Chamberlain in einem Privatbrief einige Wochen später zugab. An der britischen Haltung änderte diese Ansicht nichts Substantielles. Das galt trotz des nächsten deutschen Schachzugs. Um seine Vorstellungen durchzusetzen, war Hitler auch bereit, der UdSSR zu zahlen, was die Westmächte verweigert hatten. Das Baltikum und der Osten der polnischen Republik wurden Stalin wie gewünscht als Einflußzone zugestanden. Was unter „Einfluß“ zu verstehen war, blieb vorerst offen. Daß es von der Sowjetunion als Freibrief zur Sowjetisierung dieser Territorien verstanden werden würde, konnte aber in Berlin letztlich kaum überraschen. Damit war man in Moskau jedoch noch nicht zufrieden. Eine dauerhafte Partnerschaft zwischen der UdSSR und dem Dritten Reich war nie die Absicht Stalins gewesen: „Wir können manövrieren und die eine Seite gegen die andere aufhetzen, damit sie sich um so heftiger gegenseitig zerfleischen. Der Nichtangriffspakt hilft Deutschland
in gewisser Weise. Bei nächster Gelegenheit muß man die andere Seite aufhetzen.“ So war denn auch die Tinte unter dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt noch nicht ganz trocken, als die französischen Kommunisten im Parlament für die Kredite zum Krieg gegen Deutschland stimmten. Der gewünschte Effekt blieb nicht aus. Er sollte für einen maximalen Erfolg verwendet werden. Ob Stalin bereits in einer Politbürositzung am 19. August 1939 von einer bewußten Anheizung des Krieges zur letztlichen Eroberung Europas gesprochen hat, ist umstritten. Jedoch wurden einen Tag später bereits die westlichen Militärkreise der UdSSR vollkommen mobilisiert, während noch die Verhandlungen mit beiden Seiten liefen. Entscheidungsschlacht des Klassenkampfes am Rhein Als die sowjetischen Streitkräfte dann nach Polen einmarschierten, taten sie dies mit Streitkräften, die den deutschen Angriffsverbänden zahlenmäßig mehr als ebenbürtig waren, und auf eine Weise, die bisherige Einschätzungen über den Haufen warf. Die Abteilung „Fremde Heere Ost“ korrigierte deswegen ihr Bild der Roten Armee. Sie sei nicht nur ein „riesiges Kriegsinstrument“, was man vorher schon gewußt hatte, sondern auch modern und jederzeit zu „umfassenden Angriffsoperationen in der Lage“. Diese Armee stand nun an der deutsch-sowjetischen Grenze bereit, um bei Gelegenheit mit frischen Kräften loszuschlagen. „Ich glaube, daß die Entscheidungsschlacht zwischen dem Proletariat und der degenerierten Bourgeoisie irgendwo in der Nähe des Rheins stattfinden und das Schicksal Europas für alle Zeiten entscheiden wird“, prognostizierte der sowjetische Außenminister Molotow ein Dreivierteljahr später. Das Ende Deutschlands in seiner bekannten Form würde dabei zweifellos gleich mit besiegelt. Dr. Stefan Scheil ist Historiker und veröffentlichte 2003 eine Studie über die europäische Außenpolitik vor 1939 („Fünf plus zwei“, Duncker & Humblot). Foto: Josef Stalin mit seinen Marschällen Koniew, Wassilewsky, Schukow und Woroschilow (erste Reihe von links), undatiert: „Wir haben nichts dagegen, wenn sie ordentlich gegeneinander Krieg führen“

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