Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive im Westen war es wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann die alliierten Truppen in breiter Front die Reichsgrenze im Westen überschreiten würden. Bis Anfang März hatten sie fast das gesamt linksrheinische Gebiet besetzt. Der Rheinübergang war von den alliierten Stäben langfristig und sorgfältig geplant und sollte in der zweiten Märzhälfte am Niederrhein bei Wesel erfolgen. Da kam der Zufall zu Hilfe. Aus dem Ahrtal vorstoßend konnte die 9. US-Panzerdivision der 1. US-Armee die Ludendorff-Eisenbahnbrücke in Remagen erobern, die von den schwachen deutschen Verbänden nicht mehr gesprengt werden konnte. Die 1. US-Armee warf sofort alles an verfügbaren Kräften hinüber und errichtete auf der Ostseite des Rheines einen Brückenkopf, der deutscherseits nicht mehr beseitigt werden konnte. Gleichzeitig liefen aber auch bei der 21. alliierten Heeresgruppe die Vorbereitungen für den Übergang bei Wesel weiter. Dieser begann am 23. März mit einer gewaltigen Artillerievorbereitung, Luftangriffen und Luftlandungen und traf nur noch auf geringen deutschen Widerstand. Am gleichen Tage brach auch das VII. US-Korps mit drei Divisionen aus dem Brückenkopf von Remagen aus und stieß nach Osten vor. Weitere Divisionen der 1. US-Armee folgten. Am 1. April werden etwa 325.000 Deutsche eingekesselt Die 3. Panzerdivision an der Spitze der 1. US-Armee erreichte am 28. März Marburg an der Lahn und drehte leicht nach Norden ein. Aus dem mittlerweile ebenfalls vergrößerten Brückenkopf von Wesel stoßen die ersten Divisionen der 9. US-Armee nach Osten vor. Nördlich davon stoßen die ersten Divisionen der 2. Britischen Armee nordöstlich in die Norddeutsche Tiefebene Richtung Münster-Osnabrück vor. Der Deutschen Heeresgruppe B unter Generalfeldmarsch Walter Model mit der 15. Armee und der 5. Panzerarmee drohte die Einkesselung. Man hatte deutscherseits einen direkten Stoß auf das Ruhrgebiet von Nordwest bzw. aus dem Süden durch den Westerwald und das südliche Sauerland erwartet, aber es sollte anders kommen. Am 29. März erreichen die ersten US-Verbände den Nordrand des Ruhrgebietes bei Dorsten-Kirchhellen und besetzen Gladbeck und Sterkrade. Gleichzeitig stößt eine besondere Kampfgruppe der 3. US-Panzerdivision von Marburg aus nach Norden, rollt durch das östliche Sauerland bei Winterberg und Medebach und kommt bis nach Brilon. Irgendwo nördlich von Paderborn auf dem Truppenübungsplatz Sennelager wollten sich die alliierten Verbände treffen, um den Kessel zu schließen. Auf diesem Truppenübungsplatz wurden nun alle verfügbaren Einheiten zusammengezogen, um im Rahmen einer eiligst zusammengesetzten SS-Brigade Westfalen den US-Truppen entgegenzutreten, darunter die schwere Panzerabteilung 507. Am 30. März trafen die improvisierten deutschen Verbände der „SS-Brigade Westfalen“ auf die Spitzenverbände der 3. US-Panzerdivision im Raum südlich von Paderborn. Es kam hier erstmals seit dem Rheinübergang nochmals zu schweren Kämpfen, wobei die US-Truppen 18 Panzer verloren. Dabei fiel am Abend des Tages auch der Kommandeur der 3. US-Panzerdivision Generalmajor Maurice Rose. Auch die deutschen Verbände erlitten schwere Verluste. Etwa gleichzeitig hatte Generalfeldmarschall Walter Model das LIII. Korps mit Teilen der Panzerlehrdivision zu einem Ausbruchsversuch aus dem Raum Winterberg nach Osten angesetzt. An der Nordfront erreichten die Verbände der 9. US-Armee den Raum um Bocholt-Borken und besetzten die Städte Dülmen, Haltern und Lüdingshausen. Am 30. März gibt es im Raume vor Paderborn zunächst eine kleine Pause. Hier schiebt die 1. US-Armee weiter Divisionen nach, um die sich bildende Kesselfront zu verstärken. Generalmajor Collins (VIII. US-Korps) bittet Generalleutnant Simpson (9. US-Armee), ebenfalls eine Kampfgruppe zu schicken, um den Ruhrkessel schneller zu schließen; man befürchtete ein Ausbrechen weiterer deutscher Verbände. An der Nordfront erreichen die US-Verbände den Raum um Bottrop und Marl. Die deutschen Verbände der 5. Panzerarmee und unterstellte Ratverbände gehen auf den Rhein-Herne-Kanal zurück. Vorderste US-Einheiten stehen bereits vor Ahlen und Beckum im südöstlichen Münsterland, andere erreichen den Stadtrand von Münster. Der bei Winterberg angesetzte Ausbruchsversuch kommt zum Stehen. Der Kessel beeinträchtigte den US-Vormarsch nur wenig 1. April (Ostern). Am Morgen setzten die US-Verbände zum Sturm auf Paderborn an und können die Stadt, die am 27. März noch schwer bombardiert wurde, besetzen. Eine gepanzerte Kampfgruppe der 3. Panzerdivision wird über Geseke nach Lippstadt beordert zur Kesselschließung. Aus dem Raum Ahlen-Beckum nördlich der Lippe wird gleichzeitig eine Kampfgruppe der 2. US-Panzerdivision der 9. US-Armee nach Lippstadt beordert, die in den frühen Vormittagsstunden in diese unzerstörte und unverteidigte Kreisstadt an der Lippe einrollen kann. Am Nachmittag treffen beide US-Kampfgruppen am Südostrand dieser Stadt zusammen und schließen damit den Ruhrkessel. Damit ist die deutsche Heeresgruppe B unter Feldmarschall Model mit der 15. Armee und der 5. Panzerarmee mit insgesamt 22 Divisionen, vielen Flakeinheiten, Pionier- und Nachschubeinheiten mit etwa 325.000 Mann eingeschlossen und – ein Entsatz von außen ist nicht mehr möglich. General Eisenhower, der alliierte Oberbefehlshaber, wertet dieses Ereignis in einem besonderen Tagesbefehl an seine Truppen. Der Kessel wird auch nach dem gefallenen General der 3. US-Panzerdivision als „Rose-Kessel“ bezeichnet. Am 2. April kommen die Stabsoffiziere der 1. und 9. US-Armee zusammen, um die weiteren Operationen zur Zerschlagung des Ruhrkessels zu beraten. Die Ruhr wurde die Grenzlinie für die Operationen der beiden Armeen. Die beiden US-Armeen stellen für die Zerschlagung des Kessels insgesamt 18 Divisionen ab, ohne auch nur ihren weiteren Vormarsch in das restliche Reichsgebiet zu schwächen. Auf deutscher Seite war den US-Truppen hier kaum noch etwas entgegenzusetzen. Wohl hatte die 116. deutsche Panzerdivision, die in den letzten Märztagen im Raum von Gelsenkirchen stand, selbständig Aufklärung rundum betrieben und den Antrag auf Ausbruch gestellt, aber das XXXXVII. Panzerkorps lehnte ab. Am 1. Ostertag kam aber der Befehl, in den Raum Lippstadt-Soest zu verlegen zwecks Bildung einer neuen Frontlinie; auch sollte diese Division noch nach Osten über Paderborn ausbrechen, wie auch über Hamm. Alles war aber bereits zu spät. Nach ersten Kämpfen an der nordöstlichen Kesselfront wurde dieser Befehl bald am 2. April nachmittags aufgehoben. Gleichzeitig drehte die 9. US-Armee ihre 8. Panzerdivision um, die ursprünglich nach Berlin rollen sollte, und sie drückte als erste die Nordostecke der Kesselfront ein und besetzte den Großteil der damaligen Landkreise Lippstadt und Soest und den Bereich der Möhnetalsperre im nördlichen Sauerland. Weitere US-Panzerdivisionen traten im östlichen Sauerland zum Vorstoß an, und es kam dabei um die Höhen des Sauerlandes teils noch zu schweren Kämpfen in einigen Orten, ebenso an der südlichen Kesselfront beiderseits Siegens und im Rothaargebirge. Am 5. April drangen die US-Panzerdivisionen nun von allen Seiten auf die deutschen Stellungen vor uns besetzten weitere Teile deutschen Territoriums. Schwere Kämpfe gab es noch im Raum um Castrop-Rauxel und im Bereich nördlich von Siegen. Am 6. April gingen im nördlichen Ruhrgebiet die restlichen deutschen Verbände über den Rhein-Herne-Kanal zurück. An diesem Tage wird die alte westfälische Stadt Soest von Einheiten der 8. US-Panzer und Einheiten der 95. US-Infanterie-division besetzt. Dabei wird ein Gefangenenlager mit etwa 5.000 französischen Offizieren befreit. Am 7. April geht den Deutschen der Großraum um Castrop-Rauxel verloren. Die US-Truppen erreichen hier die Außenbezirke von Gelsenkirchen und Dortmund. Im nördlichen Sauerland stoßen sie durch das Ruhrtal westwärts bis Nuttlar-Bestwig. Im Bödefelder Land und um die Grafschaft Schmallenberg gibt es nochmals schwere Gefechte. Am anderen Tag geht dieser Bereich den deutschen Verteidigern ebenfalls verloren, weiter südlich der Bereich um Wormbach und Hilchenbach. Am 9. April erreichen im Ruhrgebiet die Einheiten der 9. US-Armee Essen-Kray und Frillendorf, Herne, Wattenscheid und Kamen. Die Städte Bochum, Essen und Gelsenkirchen werden weitgehend von deutschen Truppen geräumt. An der Südfront dringen die US-Truppen bis zu einer Linie Freudenberg, Büchergrund-Siegburg vor. Am 10. April werden nun Bochum, Essen und Gelsenkirchen besetzt. Die deutschen Resteinheiten gehen auf die Ruhr zurück. Im Sauerland kommen die Amerikaner bis zu einer Linie Cobbenrode – Grevenbroich – Lennestadt voran. Im Süden des Kessels geht der Raum um Olpe verloren. Erst am 18. April kapitulieren letzte Einheiten im Ruhrkessel Am 11. April erreichen die Amerikaner an der Nordfront die Außenbereiche von Dortmund und Witten, Mülheim und Oberhausen. Im Sauerland wird der Westteil des Kreises Meschede besetzt und die Stadt Arnsberg. Im Raum südlich von Unna kommt es nochmals zu etwas schwereren Gefechten. Neben einer kleineren SS-Einheit greift hier die schwere Jagdtiger-Abteilung 512 mit ihren mächtigen Panzern in die letzten Abwehrkämpfe ein, kann letztlich der Übermacht der Angreifer aber auch nicht standhalten. An der Südfront erreichen die US-Divisionen eine Linie von Gummersbach, Bergneustadt- Kierspe und Breith. Allmählich flauen die Kämpfe ab. An der Ruhrfront gehen fast alle deutschen Einheiten hinter die Ruhr zurück. Von Norden drängen die Amerikaner über Dortmund bis zum Harkortberg, im Westen bis nach Duisburg. Im Sauerland stoßen die Amerikaner in den Bereich beiderseits des Sorpesees. Im Süden kommen sie bis zu einer Linie von Burscheid-Kierspe-Herscheid. Am 13. April geht Dortmund endgültig verloren. Weiter dringen die US-Truppen bis Barop, Hombruch, Hörde und Aplerback vor, ebenso bis Wetter, Schwerte und Herdecke. Im Sauerland erfolgt ein Verstoß ins Hönnetal bis Balve, Müschede und Fröndenberg. Von Süden her wird Lüdenscheid besetzt und der Raum bis Neuenrade und Plettenberg. Am 14. April haben die Amerikaner überall die Ruhr erreicht, dabei werden Menden und Schwelm besetzt. Aus dem Süden stoßen ihre Truppen auf Altena und Hagen vor. Mit dem Verstoß auf Hagen wird der Ruhrkessel in zwei Teile gespalten. Es kommt bei Iserlohn zum Ende aller Kampfhandlungen im Ortsteil des Kessels. Am 15. April werden noch Altena und Letmathe besetzt, weiter nördlich noch Opladen, Remscheid und Sprockhövel und von Süden her Solingen und Wuppertal. Am 16. April kapitulieren hier im Großraum Menden-Iserlohn die eingeschlossenen Truppen des LIII. Deutschen Korps unter Generalleutnant Fritz Bayerlein. In einer besonderen Zeremonie wird in Iserlohn die Jagdtiger-Kompanie des Oberleutnants Albert Ernst den US-Kommandeuren übergeben. Von Süden her besetzten die Amerikaner noch Wülfrath, Mettmann, Hilden und Haan. Kleinere Widerstandsgruppen gibt es nur noch um Düsseldorf. Am 17. April werden die letzten Kämpfe im Raume Duisburg-Düsseldorf beendet, und am 18. April um 6.30 Uhr erlischt der letzte deutsche Widerstand im Westkessel. Die militärische Verteidigung brach danach zusammen Die US-Truppen haben bis zu diesem Zeitpunkt im Ruhrkessel bereits 260.000 deutsche Gefangene gemacht und erwarten noch rund 50.000. Während die Gefangenen zunächst in kleineren Sammellagern zusammengebracht werden, gelangen sie später in die großen Lager bei Remagen, Andernach und Sinzig in den Rheinwiesen. Viele gelangen von dort aus noch nach Frankreich und verbleiben dort noch mehrere Jahre in französischer Gefangenschaft, teilweise unter schlechtesten Bedingungen. Ihr Oberbefehlshaber, Generalfeldmarsch Walter Model, ging nicht in Gefangenschaft. Er hatte einst das Verhalten von Feldmarschall Paulus kritisiert, nun erschoß er sich in einem Waldstück südlich von Duisburg. Mit dem Verlust der Heeresgruppe B und ihrer Divisionen im Westen klaffte in der deutschen Westfront eine Lücke von mehr als 250 Kilometern. Diese konnte nicht mehr geschlossen werden. Die alliierten Truppen standen bereits tief in Deutschland. Am 25. April trafen sich die Spitzen der 69. US-Infanteriedivision und eine Voraustruppe der 58. sowjetischen Garde-Division bei Torgau an der Elbe und spalteten das noch zu verteidigende Deutsche Reich in zwei Teile. Am 4. Mai kapitulierten die deutschen Truppen im nord-westlichen Bereich vor dem britischen Feldmarschall Bernard Montgomery in der Lüneburger Heide. Am 7. Mai unterzeichnete Generaloberst Jodl die Kapitulationsurkunde für alle deutschen Verbände vor General Eisenhower in Reims und am 8. Mai Generalfeldmarschall Keitel in Berlin-Karlshorst für alle Deutschen vor dem sowjetischen Marschall Gregor Schukow. Damit war der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Foto: US-Soldaten nach Schließen des Kessels auf dem Lippstädter Marktplatz: Gewaltige Übermacht, Bewegung der alliierten Truppen im April 1945: Im Ruhrkessel waren mehr Soldaten eingeschlossen als in Stalingrad 1942/43 Willi Mues , geboren 1935 in Erwitte, ist Schriftsetzermeister und beschäftigt sich seit über vierzig Jahren mit der regionalen Geschichte Westfalens. 1984 veröffentlichte er die bisher umfangreichste Monographie über den Endkampf 1945 in Nordrhein-Westfalen (Der große Kessel. Eine Dokumentation über das Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Lippe und Ruhr / Sieg und Lenne. 7. Auflage, Erwitte 1999, 716 Seiten, umfangreicher Abbildungsteil, Karten, gebunden, 30,70 Euro).
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