Über diesen Film ist schon viel Unsinn verzapft worden, und die enttäuschten Journalisten bei der Berliner Pressevorführung, die im Soundtrack die Beach Boys vermißten („Da waren wohl die Rechte zu teuer“) oder aber hinter dem „Riesen“ des Titels Märchengestalten statt Monsterwellen vermutet hatten, erweckten wenig Vertrauen, daß hierzulande mehr Sachverstand walten wird. Stacy Peralta dagegen weiß, wovon er spricht, und drehte den besten Dokumentarfilm über das Wellenreiten, seit Bruce Brown sich eine Kamera schnappte und die jugendlichen Surfchampions Robert August und Michael Hynson in „Endless Summer“ (1966) bei ihrer Jagd nach der perfekten Welle begleitete. Peraltas Debütfilm „Dogtown and Z-Boys“ (2001) erzählte mit viel Leidenschaft und Detailkenntnis in rasanten Bildern von ihm und seinen Freunden, den Rebellen der kalifornischen Skateboardszene in den späten 1970ern. Diesmal fließt noch mehr Adrenalin: „Riding Giants“ handelt von den Ausnahmesportlern, die sich mit ihren Brettern auf die richtig großen Wellen wagen. Wieder steht Peralta eine Unmenge Material zur Verfügung, Interviews mit denen, die dabeigewesen sind, sowie Amateurfilme aus ihren persönlichen Archiven. Daraus hat er einen informativen, vor allem aber ungemein unterhaltsamen Film zusammengeschnitten. Die ersten tausend Jahre der Geschichte des Wellenreitens rafft Peralta in einer beschwingten Montage zusammen: von den Ursprüngen auf den polynesischen Inseln ins Hawaii des 19. Jahrhunderts, wo der „Sport der Könige“ 1823 von den Missionaren als heidnischer Zeitvertreib verboten wurde. Nichtsdestotrotz versuchte sich schon der amerikanische Schriftsteller Mark Twain 1866 bei einer Hawaii-Reise als Wellenreiter, schluckte Sand und kam zu dem Schluß, „nur die Eingeborenen beherrschen die Kunst des Surfbadens vollständig“. Der mehrfache Schwimm-Olympiasieger Duke Kahanamoku strafte Twain Lügen, indem er den Sport in den 1920er Jahren nach Neuseeland, Australien und Kalifornien brachte, wo sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte eine regelrechte Surfkultur herauszubilden begann. „Riding Giants“ setzt in den fünfziger Jahren ein, als eine abenteuerlustige Gruppe junger Surfer von der Westküste des amerikanischen Festlands nach Hawaii aufbricht, um auf den seinerzeit üblichen hölzernen Planken von bis zu drei Metern Länge die schon damals legendären Wellen von Makaha und Waimea Bay zu reiten. Fernab von der Konformität der Eisenhower-Jahre und ohne geregeltes Einkommen schufen sie sich ein kleines Inselparadies. Sie lebten zusammen in einer Nissenhütte, aßen frischgefangene Fische und manchmal eine geklaute Ananas und taten ansonsten den lieben langen Tag nichts anderes, als zu surfen. Einer von ihnen war Greg Noll, der erste der drei Wellenpioniere, denen Peraltas Hauptinteresse gilt. Noll, ein geborener Publikumsliebling in seinen schwarz-weiß gestreiften Shorts, surfte 1957 als erster die „unreitbaren“ Wellen in Waimea Bay. Wie er anmerkt, gab es damals am Strand „weder Rettungsschwimmer noch Jetskis oder Hubschrauber. Wenn du’s verschissen hast, warst du auf dich alleine gestellt.“ Zum Glück hatte einer dieser mittellosen Lebenskünstler meistens eine 16-Millimeter-Kamera zur Hand, um die Ereignisse in atemberaubenden Aufnahmen festzuhalten. Dieses Segment, das den Höhepunkt des Films bildet, endet mit nostalgischen Erinnerungen an die Jahrhundertwellen von 1969: Außer Noll wagte sich an diesem Tag niemand aufs Wasser, und leider versäumten seine Freunde diesmal zu filmen, wie er „auf Messers Schneide unterwegs war“. Anfang der siebziger Jahre wurden die Bretter kürzer und schneller; Peralta hält sich damit nicht auf, sondern stellt Jeff Clark vor, der fünfzehn Jahre lang als einziger die gewaltigen Wellen von Mavericks, 20 Meilen südlich von San Francisco, surfte. Während die kalifornischen Strände sonst eher als zahm gelten, türmen sich hier Brecher wie vor der Küste Hawaiis auf – über einem Riff wie ein „Friedhof aus zackigen Felsen“. Zu allem Überfluß lauern Haie in dem eiskalten Wasser. Wenig einladend, könnte man meinen, doch als dieser einstige Geheimtip sich herumsprach, strömten die Draufgänger zur Half Moon Bay. Big-Wave-Legende Mark Foo ertrank dort 1994. Der letzte Teil zeigt den heutigen Stand der Entwicklung: Dank der Technik des „Tow-in Surfing“ ist das Wellenreiten zum ultimativen Extremsport geworden. Zu verdanken ist diese Innovation hauptsächlich dem heute 41jährigen Hawaiianer Laird Hamilton, der mit seinen Freunden Wasserwälle von bis zu 20 Metern Höhe so nonchalant reitet, als wäre es ein Kinderspiel. Dazu läßt er sich von einem Jetski auf die Wellenwand ziehen, um genug Geschwindigkeit zu gewinnen, die Schulter entlang zu fliegen, bevor sie bricht und ihn unter Tonnen von wild strudelndem Wasser begrübe. Auch und gerade für Nichtsurfer bietet „Riding Giants“ faszinierende Einblicke in einen Sport, der zugleich Lebensgefühl ist. Dabei vermeidet er glücklicherweise weitgehend jene „Einswerden mit den Elementen werden“-Mystik, die in vielen Surffilmen für unfreiwillig komische Momente sorgt – und statt der Beach Boys bietet der eklektische Soundtrack Musiker wie Dick Dale oder Jan&Dean auf. Foto: Adrenalinrausch: Laird Hamilton reitet eine von der brechenden Welle gebildete Röhre, im Fachjargon „Tube“