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Reflex der Ratlosigkeit

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Wölfe im Schafspelz“, heißt die neueste Kampagne, mit der die Innenminister der Länder den Rechtsextremismus bekämpfen wollen. Am vergangenen Freitag stellten der bayerische Innenminister Günther Beckstein und der baden-württembergische Landespolizeipräsident Erwin Hetger gemeinsam mit Barbara Groth, Sprecherin der Initiative „Schau hin! Was Deine Kinder machen“, die Aufklärungskampagne vor, die von den Innenministern der Länder und dem Programm „Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes“ angestoßen wurde. Sie wird von der „Schau Hin!“-Initiative und Verfassungsschützern unterstützt. „Schau Hin! Was Deine Kinder machen“ ist eine Initiative des Bundesfamilienministeriums, der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF und der Unternehmen Arcor und TV-Spielfilm. Sie bemüht sich vorgeblich um die Vermittlung von Medienkompetenz, ist inhaltlich aber vor allem mit Beiträgen „gegen Rechts“ hervorgetreten. Gegenstand der Kampagne ist eine DVD, auf der ein Spielfilm mit dem Titel „Platzangst“ und eine Filmdokumentation enthalten sind. Sie soll in einer Auflage von 25.000 Stück an Lehrer weiterführender Schulen verteilt werden. Der Inhalt soll den Kindern und Jugendlichen also nicht „unbegleitet“ zugänglich sein. Zur DVD gehört ein Heft, das neben einer ausführlichen Inhaltsbeschreibung auch allerlei Lehrmaterial und Zusatzinformationen für die pädagogische Aufbereitung enthält. Die Kampagne umfaßt weiterhin einen „Kreativwettbewerb“, bei dem Jugendliche angehalten sind, „Video-Spots“ zum Thema Rechtsextremismus zu erstellen. Ziel ist nach Angabe der Veranstalter, junge Menschen im Alter von 13 bis 16 Jahren über die neuen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus aufzuklären. Sie sollen lernen, Vorgehensweise und Gefahren des Rechtsextremismus frühzeitig zu erkennen. Dokumentation nimmt Abschied von Klischees Die Film erzählt die Geschichte eines 16jährigen Jungen, der einer eher unpolitischen Gruppe von „Glatzköpfen“ mit einem ungebrochenen Verhältnis zur Gewaltanwendung angehört. Es kommt zu Schlägereien, bei denen sie beachtliche Brutalität entfalten. Der Held verliebt sich in ein attraktives Mädchen, welches er bei einer Theatergruppe kennenlernt und das seine Liebe erwidert. Es stellt sich heraus, daß sie aus Rußland kommt. Die Jugendliche lehnen sie ab, und der Held muß sich entscheiden. Er empfindet „Platzangst“. Die Filmdokumentation führt in die Welt der als rechtsextrem ausgemachten Zeichen und Symbole, Jugendszenen und Parteien ein. Sie macht deutlich, daß das Klischee von jugendlichen Glatzköpfen und „ewiggestrigen“ Parteien überholt ist. Vielmehr zeichnet sie das Bild einer überaus vielschichtigen, differenzierten und kulturell aktiven Bewegung, die ihre Idole in nationalen Heldenmythen sucht und keine Berührungsängste zu mehr oder minder rassistischem und revanchistischem Gedankengut hat. Tatsächlich werden Redebeiträge mit befremdlichem Inhalt gezeigt. So werden Politiker als Verräter und Kollaborateure denunziert und für Wehrmacht und SS ungebrochene Bewunderung artikuliert. Dazu gesellen sich antikapitalistische und sozialpolitische Parolen. Die Musik reicht von sanften Balladen im Liedermacher-Ton bis hin zu harter Rockmusik. Bei der Frage nach dem zugrunde liegenden Begriff von „Rechtsextremisum“ zeigte sich Beckstein etwas unsicher, gelobte aber, ihn bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2005 parat zu haben. Auch die Begleitdokumente verzichten auf eine präzise Definition. Sie verwenden „rechts“ und „rechtsextremistisch“ quasi synonym und stellen eine nicht abgeschlossene Liste von Themen und Haltungen auf, die typisch sein sollen. Dazu gehören Rassismus, Nationalismus, Biologismus, Sozialdarwinismus, Sexismus, Autoritarismus und Militarismus. Was daran „rechts“ ist, wird nicht weiter hinterfragt. Jedenfalls wird der Begriff nicht vorwiegend politisch gebraucht, sondern soll auch gänzlich apolitische persönliche Haltungen und ästhetische Vorlieben kennzeichnen. So sollen auch Sinn für „Kameradschaft, Zusammenhalt in der Gruppe und die Bereitschaft zur Gewaltanwendung“ rechts sein. Wollte man abstrahieren, käme etwa auf folgende Botschaft heraus: „Rechts und rechtsextrem ist alles, was nicht links ist, und außerdem alles, was irgendwie böse, schandhaft und inakzeptabel ist.“ Die Innenminister und ihre Mitstreiter haben offenbar keine Bedenken wegen der allgemeinen politischen Neutralitätspflicht des Staates oder des besonderen Neutralitätsgebots in der Schule, obgleich die DVD durchaus gezielte Propaganda gegen die NPD und andere „Rechtsparteien“ verbreitet. Sie verstehen es als Kriminalprävention, insbesondere gegen das hohe Gewaltpotential. Dazu lohnt sich ein Blick in die Statistik. Der Bundesverfassungsschutz registrierte im Jahre 2004 832 „rechts“ motivierte und 789 „links“ motivierte Gewalttaten. Dabei rechnete er in diesem Zeitraum dem rechtsextremen Spektrum 40.700 Personen, dem linksextremen 30.800 Personen zu. Die Kriminalitätsstatistik des Bundeskriminalamtes erfaßte im Jahr 2004 mehr als 211.000 Gewalttaten. Politische Gewaltkriminalität scheint also statistisch gesehen eher ein Randphänomen zu sein. Auch ist zwischen „rechts“ und „links“ motivierter Gewaltkriminalität kein wirklich signifikanter Unterschied auszumachen. Suche nach Idolen auf tabuisiertem Gebiet Die Kampagne scheint eher ein Reflex der Ratlosigkeit darauf zu sein, daß eine Jugendbewegung ihre Idole auf dem stark tabuisierten Gebiet des kriegerischen Heldengendenkens sucht, bei der jüngsten deutschen Vergangenheit weniger an den organisierten Völkermord denn an kriegerische Großtaten denkt und der nationalen Identität einen besonderen Wert beimißt. Nur ein Schalk würde diese Ratlosigkeit mit derjenigen vergleichen, mit der die antikommunistische Gesellschaft der Nachkriegszeit reagierte, als ihre Kinder an den Universitäten Mao und Che Guevara zu ihren Vorbildern erkoren.

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