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Rollenverständnis

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Wie vor einigen Wochen in Weißrußland, so ist es nun auch in Italien den Wahlverlieren schwergefallen, ihre Niederlage einzugestehen, und wie aus Minsk, so heißt es jetzt aus Rom, eine Manipulation der Auszählung sei für das Resultat verantwortlich. Der Unterschied ist, daß Alexander Milinkewitsch ein krasser Außenseiter ohne Resonanz im Volk war, während Silvio Berlusconi aus der Position des Ministerpräsidenten in die Wahl ging und nur knapp geschlagen wurde. Die Verbitterung, die den „Cavaliere“ zu einem schlechten Verlierer werden läßt, ist nachvollziehbar. Als Unternehmer ist er nicht gewöhnt, daß die Belegschaft gegen seine Konzernführung aufbegehrt. Die Mitbestimmung der Wähler in diesem Sinne einzuschränken, ist ihm nicht gelungen. Vorwürfe muß er aber nicht allein gegen die Linken und die Bürger richten, die ihnen auf den Leim gingen, sondern auch an die eigenen Untergebenen. Wer über soviel geballte Medienmacht verfügt, sollte doch eigentlich jede Wahl ohne größere Anstrengung gewinnen. Da Berlusconi im September seinen 70. Geburtstag feiert, ist ein neuerlicher Griff nach dem Amt des Regierungschefs nach Ablauf der neuen Legislaturperiode eher unwahrscheinlich. Seine politische Karriere dürfte somit am Ende sein. Wie aber konnte es dazu kommen? Es ist sicher richtig, daß er kaum eines seiner Wahlversprechen, mit denen er vor fünf Jahren angetreten ist, eingelöst hat. Dies konnte man aber bereits seinen Vorgängern vorhalten und wird nach menschlichem Ermessen auch das Schicksal seiner Nachfolger sein. Unbestritten ist ferner, daß unter ihm das Land in eine noch tiefere Depression geraten ist. Beispiele, in denen Regierungen derartigen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen hätten, sind jedoch nirgendwo in Europa zu erkennen. Beanstandenswert könnte zudem für den Wähler gewesen sein, daß er nicht bloß mit Post-, sondern sogar mit erklärten Neofaschisten Allianzen schmiedete. Dem ist entgegenzuhalten, daß er dadurch ja gerade deren Harmlosigkeit unter Beweis stellte. Die Gründe für Berlusconis Abwahl dürften eher andere sein. Er hat nicht begriffen, daß der Staat als ideeller Gesamtkapitalist den Interessen aller Reichen und nicht bloß des Reichsten unter ihnen verpflichtet ist. Neoliberale Maximen lassen sich nicht unverdächtig durch jemanden durchsetzen, der offenkundig persönlich davon profitiert. Von Prodi darf man erwarten, daß sein Rollenverständnis als Ministerpräsident frei von diesen Fehlern ist.

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