Unter dem Druck von Spiegel-„Enthüllungen“ hat sich der Bund der Vertriebenen (BdV) bereit gefunden, seine „NS-Belastung“ untersuchen zu lassen. Er kann das gelassen angehen, denn die Funktionäre, um die es geht, sind nicht mehr am Leben. Es ist auch kaum erstaunlich, daß Personen, die nach 1945 zu Führungsfunktionen befähigt waren, schon vorher zu den Funktionseliten gehörten, welche in totalitären Staaten zur Parteimitgliedschaft angehalten sind. Der Nadelstich zeigt, daß es dem BdV gelungen ist, mit der Vertreibungs-Ausstellung „Erzwungene Wege“ in die Offensive zu kommen. Man kann bedauern, daß im Bemühen, Bedenkenträgern den Wind aus den Segeln zu nehmen, das ursprüngliche Anliegen unterbelichtet bleibt. Immerhin fällt es jetzt auch linken und liberalen Stimmen schwer, das Haar in der Suppe zu finden. Die Akzeptanz der Berliner Ausstellung fällt in eine Zeit, da Deutschland sich angesichts neuer außenpolitischer Anforderungen veranlaßt sieht, deutsche Interessen ebenfalls neu zu definieren. Die altbackene Vergangenheitsinterpretation bietet keine Orientierung mehr, denn sie müßte dazu führen, sich in lebensgefährlicher Weise als Ausbeutungsobjekt anzubieten. „Es wäre tölpelhaft zu glauben, ein wehrloses Volk habe nur noch Freunde, und eine krapulose Berechnung, der Feind könnte vielleicht durch Widerstandslosigkeit gerührt werden“, schreibt Carl Schmitt. Geschichtspolitik ist politische Selbstbehauptung! Deshalb kann die Ausstellung auch nur ein Anfang sein.
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