Zweimal habe er an die Führung seiner Partei, der SPD, geschrieben – zweimal wurde ihm nicht geantwortet. Nicht ohne Verbitterung weist der Kölner Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge auf diesen Umstand hin. Weder Gerhard Schröder noch Franz Müntefering hielten es für nötig, auch nur einen Formbrief an Butterwegge zu senden. Das kränkt. Nun ist Butterwegge – endlich – angekommen. Er spielt jetzt öffentlich mit dem Gedanken, nach seinem Austritt aus der SPD zur Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) überzutreten. In den Jahren zuvor wurde Butterwegge allerdings nicht als Sozialdemokrat, sondern vor allem als Mahner der Demokratie „gegen Rechts“ wahrgenommen. Der ausgewiesene Linksextremist schaffte es sogar in den vergangenen Jahren, in den innersten Beraterkreis der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu rücken – bis zu deren Ablösung durch die von Jürgen Rüttgers (CDU) geführte schwarz-gelbe Koalition im Land. Butterwegges größter Coup dürfte der Auftritt auf einer vom Innenministerium organisierten Fachtagung im Oktober 2003 gewesen sein (die JF berichtete mehrfach). Dort ging es um das Wesen der „Neuen Rechten“ – ein vor allem vom NRW-Verfassungsschutz genutzter Kampfbegriff, mit dem hauptsächlich Positionen der bürgerlichen Mitte unter Beschuß genommen werden. Damals gab es parlamentarische Anfragen aus den Reihen der CDU und der FDP – nicht zuletzt auch zum linksradikalen Hintergrund Christoph Butterwegges, der sich dort als demokratischer Lehrmeister in Szene setzen durfte. Über Butterwegges Verstrickungen mit der linksextremistischen Antifa-Szene blickte die rot-grüne Landesregierung indes großzügig hinweg. Dabei schrieb das Nachrichtenmagazin Focus 1998 über den Professor, er „legitimiere oder modernisiere marxistisch-leninistische Umsturztheorien“ und publiziere in linksextremistischen Verlagen wie im Magazin frontal des marxistischen Sozialistischen Hochschulbundes SHB. Außerdem schrieb er für den Verlag „das europäische Buch“, der mit der Sozialistischen Einheitspartei West-Berlins (SEW), einem SED-Ableger, zusammenarbeitete. Butterwegge referierte 1998 bei der Antifaschistischen Aktion Berlin. Diese Organisation wird vom Berliner Verfassungsschutz dem linksextremistischen Gewaltpotential zugerechnet. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes von 1998 gibt ein Zitat aus einer Selbstdarstellung der Antifaschistischen Aktion Berlin wieder: „Unser Konzept ist Revolutionärer Antifaschismus. Revolutionär bedeutet die Ausrichtung auf grundsätzliche, fundamentale Umwälzung der bestehenden Lebensverhältnisse. Miteingeschlossen ist dabei die Weigerung, sich auf die Spielregeln des Bestehenden einzulassen“. Auch im Verfassungsschutzbericht NRW für das Jahr 2001 taucht die Antifaschistische Aktion Berlin auf. Mit ihm als Berater des Innenministeriums, so hieß es im Jahr 2003 aus der Düsseldorfer CDU-Fraktion, habe man „den Bock zum Gärtner“ gemacht. Der jetzige Abschied von der SPD ist nicht sein erster. Bereits 1975 verließ Butterwegge die Sozialdemokraten – allerdings nicht freiwillig. Ihm wurde vorgeworfen, gegen die SPD-Abgrenzungsbeschlüsse gegenüber den Kommunisten verstoßen und sich in einem Zeitschriftenaufsatz parteischädigend geäußert zu haben. Denn Butterwegge, der 1970 Mitglied der SPD und der Jusos wurde, scherte sich stets recht wenig um das demokratische Bekenntnis der Sozialdemokraten. Er positionierte sich bereits damals schnell als Anhänger des radikalen Stamokap-Flügels. 1983 stellte er einen Antrag auf Wiederaufnahme. Ausgerechnet Gerhard Schröder, sein alter Gefährte aus wilden Juso-Tagen, zählte damals zu seinen engsten Verbündeten. Mit Unterstützung des späteren Bundeskanzlers wurde Butterwegge schließlich 1987 wieder in die Partei aufgenommen – ohne sich allerdings von seinen kommunistischen Idealen verabschiedet zu haben. Denn auch in der Zwischenzeit war Butterwegge stets ganz linksaußen unterwegs. So bewegte er sich im Umfeld der DKP, allerdings ohne ihr beizutreten. In den siebziger und achtziger Jahren war er für das DKP-nahe Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) aktiv. Das IMSF arbeitete eng mit der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED, dem Institut für internationale Politik und Wirtschaft der DDR (IPW), der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der KPdSU, der Marx-Engels-Stiftung der DKP, der Marxistischen Arbeiterbildung (MAB) und dem MSB Spartakus zusammen. Mit der „Wende“ 1989 fiel die bisherige finanzielle Unterstützung der DKP und ihres Organisationsumfeldes durch die SED weg. Dies traf auch das IMSF, das 1989 als Institut aufgelöst und als eingetragener Verein auf privater Spendenbasis fortgeführt wurde. Die neun hauptamtlichen Mitarbeiter mußten entlassen werden. Außerdem konnten die Aktivitäten des IMSF nicht mehr im früheren Umfang beibehalten werden. Die dem IMSF verbundenen Wissenschaftler wandten sich mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus in der DDR der PDS und deren Rosa-Luxemburg-Stiftung zu. 1982 arbeitete Butterwegge für eine kurze Zeit auch beim Parteiprojekt „Demokratische Sozialisten“ mit, wo er dem Bundeskoordinationsausschuß angehörte. Hier setzte er sich für die Einbeziehung der DKP in politische Bündnisse ein, eine Forderung, die allerdings innerhalb der DS nicht mehrheitsfähig war. Butterwegge trat in der Vergangenheit auch auf Veranstaltungen der Vereinigung Verfolgter des Naziregimes/Bund der Antifaschisten auf. Am ehrlichsten und brutalsten charakterisierte ihn vielleicht der Ende 2003 verstorbene Soziologe und Parteienkritiker Erwin K. Scheuch, der Butterwegge als „eklatante Fehlbesetzung“ an der Kölner Uni und als „wissenschaftlich nicht ernstzunehmen“ bezeichnete, in einem Interview mit der JUNGEN FREIHEIT (41/03): „Butterwegge, ehemaliger Kommunist mit eindeutig stalinistischen Ansichten – zum Beispiel rechtfertigte er noch in den achtziger Jahren die Mauer inklusive Schießbefehl – hat nur noch ein Thema: die Beschimpfung der Bundesrepublik Deutschland. Sein bevorzugtes Mittel dazu ist der Vorwurf der ‚Ausländerfeindlichkeit‘, allerdings ohne daß er sich dazu die Mühe machen würde, seine Tiraden wenigstens formal mit Daten zu unterlegen.“ Foto: Christoph Butterwegge: „Marxistisch-leninistische Umsturztheorien“
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