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Marc Jongen, ESN Fraktion

Harry, hol‘ schon mal den Wagen!

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Harry, hol‘ schon mal den Wagen!

 

Harry, hol‘ schon mal den Wagen!

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wer kennt ihn nicht, den berühmtesten deutschen Fernsehkommissar, der am 18. September 1998 nach 281 Folgen in seinen verdienten Ruhestand ging, besser gesagt nach Brüssel abgelobt wurde: Horst Tappert alias Stephan Derrick und sein Assistent Fritz Wepper alias Harry Klein ließen in rund 25 Jahren aufreibender Ermittlungsarbeit nur höchst selten einen Täter aus ihren Fängen entwischen. Der ewige Oberinspektor und Junggeselle, der seine väterlichen Gefühle öfter an seinem Kollegen auszuleben versuchte, wurde schnell zu einer Identifikationsfigur ersten Ranges. Im Laufe der Jahre konnte Derrick weltweit eine solche Fangemeinde um sich versammeln, daß selbst Drehbuchautor Herbert Reinecke, Produzent Helmut Ringelmann und die gesamte ZDF-Sektion mit schweren Konsequenzen für den Fall rechnen mußten, daß der Münchener Oberinspektor – wie zunächst geplant – im Kugelhagel eines Kriminellen enden sollte. So kam es letztlich zu dem erwähnten Kompromiß, der die harten Fans zwar ebenso enttäuscht, doch nicht allzu verbittert zurückließ. Der Mainzer Sender hielt mit seinem Versprechen Wort, auch nach der Ausstrahlung der letzten Neuproduktion Derricks Weiterleben auf dem Bildschirm nicht in Frage zu stellen. Schnell wurden Maßnahmen getroffen, um niemanden unter ernsten „Entzugserscheinungen“ leiden zu lassen: Eine Reihe von Folgen wurde per Video bzw. heute per CD-Rom vertrieben. Bereits zwei Derrick-Nächte mit jeweils vier Folgen und Hintergrundberichten wurden seit Ende 1998 im ZDF ausgestrahlt, am 31. März/1. April folgte nun die dritte. Ohnehin ermittelt Derrick praktisch jede Woche weiterhin unverdrossen, nur der Sendeplatz (später Mittwochabend oder Vorabendprogramm am Freitag) wechselt regelmäßig. Damit ist die Kultfigur seit seiner „Versetzung“ weitaus präsenter auf der Mattscheibe als in den Jahren, in denen regelmäßig neue Folgen produziert wurden. Nun ist in Insiderkreisen bereits seit längerem bekannt, daß es nach über fünf Jahren doch zu einer Wiederbelebung der Krimiserie kommen wird: allerdings als Zeichentrickfilm in den Kinos. Zum erstenmal wird der Inhalt einer Derrick-Geschichte nicht von einer inhaltlichen Vorlage Reineckers bestimmt werden, was der Schauspieler Tappert in seinen letzten Ermittlungsjahren gelegentlich ebenso bevorzugt hätte. Diese Konstellation bietet somit alle Möglichkeiten, einmal stärker hinter die Kulissen der Hauptakteure zu blicken, das heißt mehr über ihre wahren Interessen und Leidenschaften zu erfahren. Doch bereits der recht dürre Inhalt der Geschichte verdeutlicht, daß der am
1. April in den Kinos startende Streifen keine allzu großen Überraschungen bereithält: Im Vorfeld des nationalen Ausscheides für den „European Song Contest“, besser bekannt als Grand Prix, wird in München eine Serie von Verbrechen an den teilnehmenden Stars und Sternchen verübt. Da der Mörder an den unterschiedlichsten Orten zuschlägt, müssen sich Derrick und Harry in der ganzen Isar-Metropole auf die Jagd begeben. Im klassischen Dienst-BMW ergeben sich für die beiden Hauptcharaktere genügend Gelegenheiten für Dialoge, denen im Film eine zentrale Rolle zukommt. Schließlich dämmert es Derrick, daß hinter den Verbrechen ein neidischer musikalischer Konkurrent stecken könnte. Im Gegensatz zu den meisten Fernsehfolgen spielt in „Derrick – Die Pflicht ruft“ die Aufklärung der Verbrechen eine eher untergeordnete Rolle. Ganz klar wird von Beginn an die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf den Haupthelden und seinen Assistenten gelenkt. Doch auch wer sich zumindest hiervon ein Feuerwerk von kreativen Ideen verspricht, wird vermutlich schwer enttäuscht. Für die Produzenten war es offensichtlich wichtiger, sich um einen größtmöglichen Wiedererkennungswert von Derrick und Harry zu bemühen. Von Überraschungseffekten, die sich durch eine zumindest nuancierte Verformung der Charaktere und Inhalte erreichen ließe, wird aus unerfindlichen Gründen vollkommen abgesehen. So werden die beiden Hauptprotagonisten im Film so dargestellt, wie sie dem Zuschauer aus den Fernsehfolgen vertraut sind: der erfahrene, mitunter zynische, häufig traurig über den Zustand der Welt sinnierende Oberinspektor mit Röntgenblick und Tränensäcken und sein weitaus stärker emotional entflammbarer, öfter bei der Aufklärung eines Falles danebenliegender Assistent. Wem dies immer schon ausreichte, um eine Folge sehenswert oder gar witzig zu finden, dürfte auch in „Die Pflicht ruft“ zu seinem Vergnügen kommen. Ob dies allerdings die Erwartungen eines Publikums befriedigt, welches von einem Kinofilm weitaus mehr erwartet als von einer Fernsehfolge, ist zu bezweifeln. Mehrfach stellt sich der Eindruck ein, daß den Produzenten nicht immer bewußt war, ob einfach eine Derrick-Folge in ein Zeichentrick-Format übersetzt oder durch eine Persiflage zumindest teilweise etwas Neues entstehen, bislang noch nicht Gesagtes ins Spiel gebracht werden sollte. So ist letztlich eine Mischung aus beidem entstanden, die den Interessen keiner Seite richtig gerecht wird. Zudem wurden im Film die subtilen Finessen, die die Fernsehserie prägen, entweder zu selten erkannt bzw. nicht geschickt genug verarbeitet. Natürlich findet die durch Harald Schmidt legendär gewordene Floskel „Harry, hol schon mal den Wagen“ nahezu pausenlos Verwendung, obwohl der Satz in keiner Folge vorkam und heute bereits einen schalen Beigeschmack besitzt. Daß Derrick mehrfach vollkommen unstandesgemäß seinen Assistenten chauffierte und aus einer mehrfachen Verkehrung des Autoritätsverhältnisses viel Witzigeres entstehen könnte, scheint in den Vorplanungen vollkommen ausgeblendet worden zu sein. Bezeichnenderweise wird ferner der tatsächlich häufigste Dialog im Rahmen der Fernsehserie (Harry Klein: „Na, dann nehmen wir doch …. mit, und verhören sie/ihn“, Stephan Derrick: „Nein, Harry. Wir wissen noch zu wenig.“) im Zeichentrickfilm nicht thematisiert. All diejenigen, denen es immer ein Rätsel blieb, wieso „Derrick“ Millionen Zuschauer vor die Bildschirme ziehen konnte, werden somit auch in der Zeichentrickversion kaum auf ihre Kosten kommen. Für alle treuen Fans wird ein Kinobesuch von „Die Pflicht ruft“ dagegen eine Selbstverständlichkeit sein. Wenngleich vermutlich nur eine Pflichtübung. Comicfiguren Horst Tappert und Fritz Wepper: Typisches bleibt außen vor

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