Zur Kommunikationsstrategie von Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel scheint es zu gehören, in einer ansonsten penetrant daherplätschernden und auf diese Weise mit ihrer Musik kongruenten Selbstdarstellung kleine Bemerkungen einzuflechten, die im Publikum den Eindruck erwecken könnten, es lohne sich vielleicht doch, ein wenig über ihre Band Air nachzudenken. Sie sagen dann zum Beispiel, daß sie daheim in Frankreich gar nicht so en vogue seien, und tun überrascht, daß dies anderorten nicht so ist. Sicherlich, Künstler haben schon aufregendere Gedanken geäußert, aber dem Bestreben, dem Phänomen Air auf die Spur zu kommen, ist mit diesem Beinahe-Aperçu doch ein kleines Stück weitergeholfen. Die Klänge des Duos, so mag man vermuten, werden im Kopfkino jenseits der Grenzen vor allem als Soundtrack zu einem richtig typischen französischen Spielfilm wahrgenommen, dessen unspektakulären Inhalt man zwar schnell wieder vergißt, dessen Atmosphäre aber noch eine Weile in der Magengegend präsent ist, so überzeugend aus dem vollen Leben schöpfend, wie sie sind. Wie seicht und kitschig Air auch immer daherkommen mögen, der fremdländische Hörer genießt, weil er sich hinzudenkt, was er für das Flair der grande nation hält, einen unerreichbaren Vorsprung an verfeinerter Lebensart nämlich. In Frankreich jedoch zieht diese Masche nicht, da die Tonschöpfungen der beiden jungen Männer dort keine derartigen Assoziationen wachrufen, sondern als das zutage liegen, was sie sind: Easy Listening mit etwas Blabla, so wie man es aus Fahrstühlen, Shopping Malls und Hotelfoyers der zivilisierten Metropolen, auf welchem Kontinent auch immer, kennt, der bescheidene Beitrag, den die Erste Welt zur Weltmusik von morgen beizusteuern hat. „Talkie Walkie“ (Source/ Virgin) darf man daher als Vollendung dessen, wofür Air steht, ansehen. Es fehlen jene irritierenden Zwischentöne, die noch auf „Moon Safari“ das Gefühl aufkommen ließen, es solle so etwas wie ein dezentes Leiden an einer Welt zum Ausdruck gebracht werden, in der der Einzelne vielleicht schön und feinfühlig, aber als einer von gut und gerne sieben Milliarden keineswegs einzig und unverwechselbar ist. Jetzt ist alles endlich unproblematisch. Es gibt ja so viel zu schauen, für die Monade, allein oder zu zweit, auch wenn es überall irgendwie das gleiche sein sollte. So etwas ist natürlich hassenswert, aber die Schweizer „Proletpopper“ M.T. Dancefloor und DJ Flumroc führen vor, daß jene Spielarten der Unterhaltungsmusik, die mit erheblich ambitionierten Illusionen hausieren gehen, noch viel eher eine gerechte Strafe verdienen. Mit minimalistischer Retro-Elektronik, angereichert durch Anleihen beim Ohrwurm-Diskosound, sowie mal nölend, mal teilnahmslos interpretierten Trash-Texten in NDW-Manier demontieren sie unter dem Projektnamen Saalschutz platzsparend auf einer einzigen CD, „Das ist nicht mein Problem“ (ZickZack/ Indigo), was vielen heilig ist, weil es ihnen die Rundumversorgung mit Lebensgefühl und der Moral zu der Geschicht bescherte. Unter ihren Händen zerrinnt Pop zu einer lächerlichen Melange aus billigen, leicht zu durchschauenden Selbsttäuschungen, überspannten Manierismen, peinlichen Posen, größenwahnsinnigen Diskursen, Chappi für den anspruchslosen Kulturhunger. Der Reiz der Diskreditierung selbstverständlicher Geschmacklosigkeiten liegt dabei oft im Detail. Dies beginnt bereits bei der martialisch-parodistischen Namensgebung und führt über die enervierende Selbstreferentialität bis hin zu der unausrottbaren Sitte, den letzten Track mit einer langen Pause einzuleiten. In diesem Schlußpunkt kulminiert die Denunziation. Mehr ist über Pop kaum zu sagen.
- Streiflicht