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Marc Jongen, ESN Fraktion

„Es wird die Zeit kommen“

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Herr Dr. Fleissner, Sie haben nach 52 Jahren am 1. September 2004 die Geschäftsführung der Buchverlage Langen Müller Herbig abgegeben. Verliert Deutschland damit seinen letzten großen konservativen Verleger? Fleissner: Nein, denn meine Tochter, die schon seit zwanzig Jahren führend im Verlag ist, hat die Leitung der Herbig GmbH übernommen. Ich werde weiterhin mitarbeiten, vor allem was die Themen Zeitgeschichte und Politik betrifft. Dennoch kündigt diese Übergabe Ihr Ausscheiden über kurz oder lang an. Fleissner: Selbstverständlich ist das irgendwann unvermeidlich, aber gerade deshalb ist es besser, ich übergebe den Stab zum jetzigen Zeitpunkt und sorge damit für ein größtmögliches Maß an Kontinuität, wie sie nur in Verlagshäusern bewahrt werden kann, die in Familienbesitz geblieben sind. Worin besteht diese Kontinuität? Fleissner: Darin, daß unser Haus seinen Grundprinzipien treu bleibt, als da wären die freiheitliche Rechtsordnung unseres Landes, die Menschenrechte, wie etwa das Recht auf Heimat, und der Patriotismus. Meine Tochter wie auch mein Sohn Michael, der in der Obergesellschaft, der Fleissner GmbH & Co KG tätig ist, zu der auch die Verlage in der Schweiz und Österreich gehören, gewährleisten, daß diese Grundpfeiler auch weiterhin Gültigkeit behalten werden. Die stille Aufgabe – oder zumindest Verwässerung – der Grundlinie eines Hauses nach einem Generationswechsel ist allerdings erfahrungsgemäß kein seltenes Phänomen. Fleissner: Man hofft natürlich immer, daß das eigene Haus davon verschont bleibt. Ich vertraue da meinen Kindern voll und ganz. Neben Fleissner war Springer ursprünglich eines der großen konservativen Verlagshäuser in Westdeutschland. Nach dem Tode Axel Springers allerdings stellte sich still und leise ein weltanschaulicher Profil-Wechsel ein, über den der Patriarch heute wohl – gelinde gesagt – zutiefst erschüttert wäre. Fleissner: Springer war ein ganz unglücklicher Fall, da sein Sohn Sven-Simon, auf den er seine Hoffnung gesetzt hatte, vorzeitig starb. Ebenso dann Matthias Walden, den er als seinen Nachfolger vorgesehen hatte. Vor so einem Unglück ist natürlich niemand gefeit. Befürchten Sie nicht, daß sich Ihre Kinder allein aufgrund der Tatsache, daß sie der nächsten Generation angehören, schließlich doch als anfällig für den Zeitgeist erweisen könnten? Fleissner: Dieser Prozeß macht mir weniger bezüglich meines eigenen Hauses als ganz allgemein Sorge. Der Strom der Kontinuität der Generationen ist in Deutschland stets in der Gefahr, sich so zu verändern, daß wir Deutsche uns schließlich nicht mehr wiedererkennen. Ein spezifisch deutsches Problem? Fleissner: Wir sind „gebrochen“ durch die permanente Schuldzuweisung „im deutschen Namen“. Dadurch ist unsere politische Handlungsfähigkeit schwer irritiert, ja, ich würde sogar sagen, wir halten uns selbst in einer verhängnisvollen politischen Unmündigkeit. Auch Springer sah dies so und hat mich diesbezüglich durch seinen Vorstandsvorsitzenden Peter Tamm in dieser Programmlinie immer unterstützt: So haben wir eine ganze Reihe von Büchern gemacht, die den Prozeß einer „Historisierung“ der Vergangenheit förderte. Das soll übrigens nicht bedeuten, Verdrängung der Vergangenheit, sondern gegen deren Mißbrauch – sprich Politisierung – durch die Parteien aufzutreten. Denn wir haben es heute mit einer Generation zu tun, die die Dinge selbst nicht miterlebt, sondern den Schuldvorwurf an die Eltern zum Zwecke des eigenen moralischen Freispruchs verinnerlicht hat, so daß sie nicht mehr unterscheiden kann, was historische Wirklichkeit und was politische Taktik ist. Sie haben immer wieder mit Springer zusammengearbeitet, wie würden Sie seine Position beschreiben? Fleissner: Er war ein Patriot im Meer der Konformisten, denn er schrieb stets tapfer gegen den Zeitgeist an. Er schrieb nicht im Sinne der Sieger wie viele andere, sondern verfolgte deutsche Interessen, glaubte an die Wiedervereinigung. Sehen Sie diese Tradition heute noch gewahrt? Fleissner: Immerhin gibt es immer wieder positive Überraschungen, wie den kürzlichen Leitartikel von Herbert Kremp in der Welt über den Ausverkauf bürgerlich-konservativer Traditionen bei der CDU oder den Artikel von Hannes Stein „Die Linken und die Faschisten“ am vergangenen Dienstag. Sind Journalisten wie Herbert Kremp nicht lediglich – noch – geduldete Relikte, die über einen fundamentalen Kurswechsel bei Springer nicht hinwegtäuschen können? Fleissner: Das glaube ich nicht, auch wenn nach dem Tode Axel Springers eben auch ein Generationenwechsel stattgefunden hat. „Opportunismus in der Politik, wie im Fall Hohmann“ Sie würden nicht zustimmen, daß dieser zu Verrat an den Überzeugungen des Gründervaters geführt hat? Fleissner: Das ist eine vergebliche Klage, wie soll eine Antwort darauf aussehen? Etwa, Axel Springer hätte eben nicht sterben dürfen!? Man kann das Wissen und die Haltung der einen Generation nicht nahtlos auf die nächste übertragen. Wo ist die Grenzlinie zwischen Modernisierung und Aufgabe von Prinzipien? Fleissner: Manche Medien überschreiten in der Tat diese Linie, die Frage aber ist, ist der Schaden irreparabel? Ich bin Optimist und hoffe stets auf eine Besinnung auf die ursprünglichen Werte; daß aber der Opportunismus eine Hauptkomponente der heutigen Politik ist, darüber sollte man sich im klaren sein, ja bei uns quasi zur Staatsräson geworden ist. Können Sie ein Beispiel für diesen Opportunismus nennen? Fleissner: Zum Beispiel der Fall Hohmann im vergangenen Jahr. So ziemlich alle in der CDU wissen, daß der Mann unschuldig ist, dennoch hat die Mehrheit die Hand zu seinem Ausschluß gehoben, das „Scherbengericht“ hat stattgefunden- aus Angst um die Karriere. Wir haben diesen – eigentlichen – Skandal in Fritz Schenks Buch „Der Fall Hohmann“, das in unserem Universitas-Verlag erschienen ist, dokumentiert und analysiert. Fast 10.000 Exemplare sind bereits verkauft worden, und eine neue Auflage ist in Vorbereitung mit dem ergänzenden Kapitel „Der Fall Deutschland“ mit allen Begründungen der Gerichte und der jüngsten Rede Hohmanns zum Tag der Deutschen Einheit am vergangenen Sonntag. Wie schlägt sich dieser Opportunismus in Ihrer Branche nieder, schließlich spielen Verlage eine entscheidende Rolle für das geistige Klima eines Landes? Fleissner: Das war vor fünfzig Jahren noch schlimmer als heute, denn damals beherrschte die Frankfurter Schule den Diskurs. Es gelang ihr, eine ganze Generation auf gänzlich neue – wie mir erscheint: absurde – Werte einzuschwören. Die Folge war ein literarisches Monopol: Literatur mußte plötzlich „gesellschaftspolitisch relevant“ sein, oder sie hatte keine Chance bei Verlegern und Kritik. Ein Buch war entweder „links“, oder es existierte gar nicht. Vor allem der Suhrkamp-Verlag hat versucht, Literatur-Ideologie an den Mann zu bringen. Doch kam die Zeit, da haben die Leute das nicht mehr vorbehaltlos akzeptiert. Da hat sich also einiges verbessert, Polarität wurde möglich, siehe Martin Walsers Paulskirchen-Rede. Wo sehen Sie in der deutschen Verlagslandschaft Ihre Verbündeten? Fleissner: Es geht nicht darum, eine große Allianz zu formieren, sondern darum, gute Autoren zu gewinnen. Muß man sich aber nicht auch über offensive Strategien Gedanken machen, schließlich verharren andere auch nicht beim Status quo. Bertelsmann zum Beispiel betreibt intensiv seine Internationalisierung und Multimedialisierung. Fleissner: Dort herrschen andere Zielsetzungen: Wir wollen bestimmte Wertvorstellungen mittels unserer Bücher transportieren, Bertelsmann will Profite optimieren. Bertelsmann als Wirtschaftsunternehmen, Langen-Müller als kulturell-weltanschauliche Institution? Fleissner: Hätte ich je anders gedacht, wäre ich damals in eine andere Branche eingestiegen. Es ging mir darum, konservative und patriotische Inhalte „in die Mitte der Gesellschaft“ zurückzutragen, wo sie ursprünglich herkamen und wo sie auch hingehören. Dagegen ist in der Vergangenheit, zum Beispiel in Gütersloh demonstriert worden, weil man unsere Bücher über den Bertelsmann-Vertrieb ausgeliefert hat. Es gab Anfragen im Bundestag „gegen“ Langen Müller: Man wollte uns stigmatisieren und ausgrenzen. Wie haben sich Ihre Verleger-Kollegen verhalten? Fleissner: Da war nur großes Schweigen. Keinerlei Solidarität? Fleissner: Lassen wir das Thema. Wie hat sich die Klientel der konservativen Leserschaft über die Jahrzehnte entwickelt? Fleissner: Es sind vor allem politisch-historisch interessierte Personen, die unsere Bücher kaufen. Bei vielen Menschen stellt sich durch die Lektüre auch eine neue Bindung zum eigenen Land ein. Eine bedenkliche Entwicklung stellt allerdings die Tendenz dar, Geschichtsunterricht durch Sozialkunde zu ersetzen, wie das während der sechziger Jahre etwa in Hessen versucht wurde, ebenso wie der Übergang vom Religions- zum Ethikunterricht. Immer wieder wurde mit Erstaunen bemerkt, Sie hätten „einerseits“ Autoren wie Ephraim Kishon, Max Brod , Max Mannheimer, Simon Wiesenthal oder Willy Brandt verlegt, „andererseits“ Autoren wie Rainer Zitelmann, Karlheinz Weißmann oder Franz Schönhuber. Fleissner: Das ist nur in der oberflächlichen Betrachtung der Political Correctnes ein Widerspruch. Kishon zum Beispiel ist – natürlich ein israelischer – Patriot. Patrioten aber, ganz gleich, aus welchem Land, haben gewisse gleiche Werte, auch der spätere Willy Brandt. Max Brod war ein altösterreichischer Prager Literat, der ein tiefes Verständnis hatte für das Land Böhmen, auch meine Heimat, ebenso der Sudetenschlesier Max Mannheimer. Simon Wiesenthal hat mich mit seinem Engagement für Recht und gegen Rache – so hieß sein Buch „Recht, nicht Rache“ – beeindruckt. Franz Schönhubers Buch „Ich war dabei“ hat Ihnen viel Ärger eingebracht, haben Sie später bereut, es verlegt zu haben? Fleissner: Nein, das war ein Zeitzeugenbericht, keine Apologie warum hätte man ihn unterdrücken sollen? Was die Autoren Zitelmann und Weißmann angeht, denen der zeitgeistige Wind voll ins Gesicht blies, weil sie alternative Deutungen der Geschichte des Nationalsozialismus vertraten, etwa, daß es sich dabei um eine ihrem Wesen nach linke Ideologie gehandelt hat … … und die dafür kaltgestellt wurden … Fleissner: Ich glaube, es wird die Zeit kommen, wo man den Wert ihrer Arbeit noch zu schätzen wissen wird. Ullstein trennte sich von Weißmann, nachdem Sie die Leitung des Verlages abgegeben hatten. Fleissner: Leider wurden nach der Trennung alle zeitgeschichtlichen Titel, die nicht der zeitgeistigen Meinung des neuen Verlagsleiters entsprachen, aus dem Programm geworfen. Den von Weißmann verfaßte letzten Band der Reihe Propyläen Geschichte Deutschlands „Der Weg in den Abgrund“ hat man lieber schreddern lassen, obwohl er von der Kritik als notwendiger Abschluß der Reihe einhellig begrüßt wurde. Weißmann gehörte nun einmal nicht zu jenen in der Historikerzunft, die die Political Correctness vertraten. Allerdings waren unsere zehn Ullstein-Jahre die einzige Zeit nach dem Krieg, in der die Ullstein-Buchverlage schwarze Zahlen schrieben. Hat es Sie enttäuscht, daß Sie sich für Ihr Recht auf Meinungsfreiheit Ihr ganzes Leben lang haben rechtfertigen müssen? Fleissner: Nein, Kritik von der falschen Seite zeigt, daß der eigene Kurs stimmt. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk haben Sie berichtet, daß Sie als junger Mann beim Gedanken an die Vertreibung „wirklich Tränen vergossen haben“. Die Hoffnungen vieler Vertriebener auf Gerechtigkeit nach der politischen Wende in Osteuropa sind ausgeblieben, sogar im eigenen Land gelten Sie vielen nur noch als „Ewiggestrige“. Sehen Sie sich in Ihrer selbstgestellten Aufgabe, für die Vertriebenen publizistisch zu kämpfen, gescheitert? Fleissner: Ganz und gar nicht. Es war mir nach der Vertreibung klar, daß es Jahrzehnte keinen Spielraum für politische Aktionen geben würde, der Ostblock war ein Machtgefüge. Mit seinem Ende gab und gibt es neue Chancen für die Menschenrechte, auch der deutschen Heimatvertriebenen. Ich habe meine Aufgabe nicht darin gesehen, gegen „Windmühlen“ anzukämpfen, sondern die Erinnerung an Geschichte und Tradition der ehemals deutschen Länder-Siedlungen im Osten wachzuhalten, dafür einzutreten, was recht ist, und den heimatlos gewordenen Menschen ein Stück Trost und Hoffnung zu geben. Ich glaube, das ist mir gelungen, das gibt mir das Gefühl, daß ich etwas Sinnvolles in meinem Leben getan habe. Dr. Herbert Fleissner ist der Begründer einer der größten deutschen Verlagsgruppen, der Buchverlage Langen Müller Herbig, und gilt als Deutschlands letzter konservativer Großverleger. Geboren wurde er 1928 in Eger im Sudetenland. Nach Flucht und Vertreibung studierte er in Innsbruck die Rechte und begründete 1952 in München mit dem Bogen-Verlag sein Firmenimperium, zu dem heute 16 Verlage gehören. Von 1984 bis 1996 war die Gruppe mit den Buchverlagen des Axel-Springer-Verlages in Berlin zusammengeschlossen. Fleissner gehört der Sudetendeutschen Landsmannschaft sowie dem rechtskonservativen sudetendeutschen Witikobund an, wofür er – ebenso wie für einige betont konservative und patriotische Segmente seines Verlagsprogramms – immer wieder zur Zielscheibe der Kritik wurde. weitere Interview-Partner der JF

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