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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Liebe ist ein Kinderspiel

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Ist die Liebe nur ein Spiel, ein ewig kindliches Hin und Her zwischen Anziehung, Abstoßung, Erprobung, Machtanspruch und Neckerei ? Ein Narrenwerk wie eine zwischen Kinderhänden herumgereichte Spieldose? Manches spricht dafür, wenn man sich Yann Samuells Debütfilm ansieht. Oder ist die Liebe nur deshalb oft ein Spiel, weil wir Angst davor haben, zu ihr zu stehen, sie Ernst werden zu lassen? Liebt man nur deshalb nicht, weil man sich in letzter Konsequenz nicht traut? „Ich liebe dich“ zu sagen, ernsthaft, aufrichtig, das fällt Julien Janvier (Guillaume Canet) und Sophie Kowalski (Marion Cotillard) jedenfalls sehr schwer. 80 Jahre benötigen sie, um sich auf die Liebe einzulassen, und sie verharren deshalb den größten Teil ihres Lebens im Status der Spielkameraden. Die Geschichte der beiden beginnt im Alter von acht Jahren, als Klassenkameraden in einer belgischen Stadt. Beide haben bereits im Kindheitsalter mit schmerzlichen Lebenserfahrungen zu kämpfen. Die in einer schäbigen Betonsiedlung aufwachsende Sophie wird von den Mitschülern regelmäßig als „Polackin“ gehänselt. Julien kann zwar in einer gehobenen Villengegend leben, doch seine verehrte Mutter leidet und stirbt schließlich an Krebs. Als Zeichen seiner Freundschaft überreicht Julien eines Tages Sophie seine streng gehegte Spieldose, ein buntes Miniaturkarussell aus Blech, mit der Bitte, sie ihm von Zeit zu Zeit wieder zu leihen. Sie entgegnet: „Wenn du es wirklich zurückhaben willst, beweis‘ es mir! Abgemacht?“ Seitdem beginnt für Julien und Sophie ein Spiel, eine Aneinanderreihung von Mutproben, von gegenseitig erfüllten Wünschen. Hat einer bestanden, wechselt die Spieldose den Besitzer, und der nächste ist dran. So kommt es zu zahlreichen chaotisch-anarchischen Szenen, die das bald unzertrennliche Paar hervorruft. Julien uriniert im Zimmer des Schuldirektors auf die Dielen, die Hochzeitstorte von Sophies Schwester landet samt Tischtuch auf dem Boden, Sophie singt zur Beerdigung von Juliens Mutter „La vie en rose“. Schließlich weden die beiden volljährig, und Julien verlangt, daß Sophie zur mündlichen Matheprüfung über ihren Kleidern Unterwäsche tragen solle, worauf sie sich zum Entsetzen der Prüfungskommission einläßt. Als Julien mit der attraktiven Mitschülerin Aurelie flirtet, wird Sophie eifersüchtig. Doch statt zu ihren Gefühlen zu stehen, verlangt sie als Wette, Julien solle mit Aurelie schlafen. Die Wetten, nun geboren aus Liebe, Eifersucht und Rivalität, werden immer extremer, und schließlich trennt sich der Weg von Julien und Sophie für viele Jahre. Sie heiraten andere Partner, führen mit diesen beschauliche Familienleben, ohne darin das wahre brennende Gefühl finden zu können. So bleibt die seelische Verbindung zwischen den beiden bestehen, und so fiebern sie dem Tag entgegen, an dem sie sich wiedersehen können. „Liebe mich – wenn du dich traust“ führt an die Grenzen der Liebe, dorthin, wo sie zerstörerisch, vor allem selbstzerstörerisch, wird. Julien und Sophie können ihre Gefühle nur im Zuge einer immer extremer werdenden Wett-Dynamik offenbaren, da sie scheinbar nicht in der Lage sind, Verständnis auf der Basis zwischenmenschlichen Dialogs zu finden. Ein Wettlauf in den Tod? Für das Ende der Geschichte werden zwei Optionen angeboten … Die Hauptfiguren bleiben in ihrer irrsinnigen Liebe, die einem ständigen Fieberschub gleicht, nicht durchgehend als positive Figuren besetzt. So sind sie für die Gesellschaft Verlorene, ihre Zerstörung richtet sich vor allem gegen die Menschen ihres Umfelds. Die Familie, die Ehepartner, die eigenen Kinder, die Kollegen – alle werden in den egoistischen Strudel von Julien und Sophie hereingezogen und haben darunter zu leiden. Die Sprachlosigkeit der Liebenden wird als Kampf auf dem Rücken der Mitmenschen ausgetragen. Das macht die subversiven Helden noch tragischer, aber auch zugleich stellenweise unsympathisch. Wie unschwer zu erahnen, ist „Liebe mich – wenn du dich traust“ nicht als realistisches Drama angelegt, sondern als spektakuläre Tragikomödie mit sehr offensichtlichen Stilanleihen bei Jean-Pierre Jeunets bezauberndem Erfolgsfilm „Die fabelhafte Welt der Amelie“ von 2001. Die rasanten Kamerafahrten und Schnitte, die eindimensionale Zeichnung der Nebenfiguren, die abwechslungsreich-skurrile und ausgesprochen phantasievolle Inszenierung lassen erkennen, daß Samuell von Jeunet gelernt hat. So schuf er ein Produkt jener neuen französischen Schule, ohne dabei auf sehr eigene Akzente zu verzichten, die dem Geschehen neben der komödiantischen Unterhaltung einen stark nachdenklichen Beigeschmack untermischen. Deutsche Filmemacher können von dieser cineastischen Lebendigkeit des Nachbarlandes ohne Zweifel noch einiges lernen. Foto: Julien (Guillaume Canet) und Sophie (Marion Cotillard): Für die Gesellschaft Verlorene

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