Umbra et Imago entstand, als noch niemand von der Spaßgesellschaft sprach, und hat diese überdauert. Zwischendurch konnte die Gefahr gewittert werden, daß ihr Spiritus rector Mozart im scheinbar angebrochenen Reich der Freizeit fortan allein durch seine Exzentrik würde hervorstechen können. Inzwischen ist Mozart wieder als ein Anachronismus erkennbar. Er beharrt auf einem Individualismus, der sich durch die angeblichen Forderungen der Zeit nicht in die Schranken weisen läßt. Auch interessiert ihn die Frage, wer da solche Forderungen stellt, weil er sich von ihrer Erfüllung etwas versprechen darf. Seine Beharrlichkeit beförderte den barocken Erotomanen, dessen Charisma schon früher auch jene nicht kalt lassen konnte, die in seinem Thema nie heimisch wurden, zum Gesellschaftskritiker. Ganz unverhofft ist dies nicht, da zünftige Bühnenshows und offenherzige Texte stets nur eine, wenn auch besonders markante, Facette von Umbra et Imago waren. Schon auf den ersten Alben spielte die Band in einer subversiven Weise mit ihrem Leitmotiv Sexualität. Der Totalitätsanspruch, daß es die Wollust sei, die die Welt regiere, beinhaltete eine Absage an die Ökonomisierung auch dieser Lebenssphäre. Verläßlich sozialisierte Medianbürger, die hochmotiviert ihre Aufgaben in der arbeitsteiligen Gesellschaft erfüllen und sowohl zur Belohnung als auch zur produktivitätssteigernden Regenerierung eine Freizeit nach ihren künstlichen Bedürfnissen und vor allem ihren finanziellen Möglichkeiten erleben dürfen, sind nicht das Publikum, für das sich Umbra et Imago abplagt. Die mit archaischen Bildern gerittenen Attacken gegen eine abendländische Tradition der Leibfeindlichkeit richten sich zugleich gegen die moderne Funktionalisierung der Sexualität. Sie ist für die Band der Notausgang aus der ökonomischen Rationalität schlechthin. Nebenbei unterliefen Mozart und die Seinen die prüden Konventionen populärer Jugendkultur, indem sie auf den Punkt führten, was Mann und Frau letztlich dazu treibt, einander begegnen zu wollen: sicherlich nicht nur der Wille, interessante Musik zu hören und sich durch sie auf ein wie auch immer ausgeprägtes Lebensgefühl einzugrooven. Auf der neuen CD „Memento Mori“ (Spirit/ Indigo) zeigen sie sich nun auch außerhalb ihrer bisherigen Kernkompetenz engagiert und musikalisch stilsicher auf Gothic-Metall-Pfaden wie nie zuvor: „Stoppt all die Lügen“, ist Mozarts Appell, und daß man sich nicht verbiegen lassen soll. Wo anderen Zivilcouragierten längst die Sprache vergangen ist, sagt er konsequent, was wohl zu sagen ist: „Nein“ nämlich. Das von Ostara den Zeitläuften geschuldete Unbehagen ist leiser, aber nicht weniger wahrnehmbar, ein Fatum, das ausgehalten wird, weil man um es weiß. Haltung bewahren, darauf ist es im Neo Folk über alle widersprüchlichen Andeutungen hinweg immer schon angekommen. Ostara scheint an dieser Maxime festzuhalten, auch wenn Richard Leviathan seine mit neuem Personal aufgefrischte Band unterdessen mutig und ohne Vergangenheitsbewältigung aus diesem Genre hinausgeführt hat. In ihm war man zwar geschätzt, rangierte aber doch ein wenig unter „ferner liefen“. Mit „Ultima Thule“ (Eislicht) wird nun in einem ungewöhnlichen Crossover Pionierarbeit geleistet. Ohne von den Themen, die einen interessieren, gelassen zu haben, hat man sich musikalisch auf das Terrain eines balladesken Britpop begeben. Diesem widerfährt solcherart eine überraschende Ehrenrettung: Es war wirklich nicht zu erwarten, daß er jemals mit anderen Fragen als den Adoleszenzproblemen in den Straßen grauer Städte schlaksig umherschweifender Clerasilkunden in Verbindung gebracht werden könnte.