Mit einer Gedenkstunde im Frankfurter Römer eröffnete Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) in der vorvergangenen Woche die Ausstellung „März 1944 – Frankfurt im Bombenkrieg“. In der Schau, die das Institut für Stadtgeschichte noch bis zum 2. Mai im Karmeliterkloster zeigt, bilden die Farbfotos des Frankfurters Kurt Röhrig, der im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit Mitarbeiter der berühmten Fotoagentur Paul Wolff & Tritschler war, das Herzstück. Etwa einhundert dieser seltenen Dokumente, die Röhrig im April 1944 von der Plattform des Frankfurter Kaiserdoms aufnahm, zeigen die zerstörte Innenstadt, die bereits bei dem Nachtangriff am 18. März teilweise ausgebrannt war. Am Abend des 22. März, dem 112. Todestag von Frankfurts berühmtestem Sohn, Johann Wolfgang von Goethe, folgte dann der schwerste Angriff. Nachdem die Luftabwehr durch einen Scheinangriff auf Kassel getäuscht worden war, löschten 1.000 Bomber vom Typ Lancaster und B17 „Fliegende Festung“ mit 1.222 Sprengbomben, 42 Luftminen, 12.000 Flüssigkeitsbomben und 1,2 Millionen Stabbrandbomben die historisch gewachsene gotische Frankfurter Altstadt, eine der schönsten und bedeutendsten mittelalterlichen Städte Deutschlands, in der jedes Haus noch seinen eigenen Namen hatte, vollkommen aus. Der Zoo, das Opernhaus, die Paulskirche, das Städel, das Bethmannpalais, das Goethehaus und die Hauptwache wurden in Schutt und Asche gelegt, der gesamte Häuserkranz um den Römerberg und den Domhügel in eine einzige Trümmerwüste verwandelt. Wie ein Kartenhaus fiel die Stadt in wenigen Stunden in sich zusammen. Allein in dieser Nacht wurden über 120.000 Frankfurter obdachlos, insgesamt starben 5.559 im Bombenkrieg, verbrannten, erstickten, wurden von den gewaltigen Druckwellen pulverisiert oder unter den einstürzenden Trümmern lebendig begraben. In dem von Evelyn Hils-Brockhoff und Thomas Picard zur Ausstellung verfaßten Begleitbuch „Frankfurt am Main im Bombenkrieg“ liest man dazu: „Eine himmelhohe Feuerwolke treibt über den Dächern, getrieben vom Feuersturm. Es heult, kracht, knallt, knattert, pfeift, rasselt, knackt. Dazwischen erschüttern die Explosionen der Zeitzünder. Es ist genau zehn Uhr dreißig. Die hohen Häuser am Mainkai, zwischen Fahrgasse und Kleiner Fischergasse, verschwinden wie Kulissen. Der tosende Lärm ringsums ist so ungeheuer, daß man ihren Fall überhaupt nicht sieht. Nun steht der Dom hoch und frei über dem Main. Wo sind nur die Menschen geblieben? Warten sie immer noch in den Kellern auf die Entwarnung, die die zerstörten Sirenen nicht mehr geben können?“ Nach zwei weiteren Angriffen am 24. und 25. März waren von etwa 177.000 Wohnungen fast 100.000 zerstört und viele andere schwer beschädigt. Die rauchenden Ruinen hinterließen in der geschundenen Stadt 17 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt, wegen der zehn zerstörten Brücken ruhte jeglicher Verkehr, die ohnehin spärliche Versorgung stockte gänzlich, die Restbevölkerung, die noch in den Trümmern ausharrte, lebte in allergrößter Not. Ein unglaubliches Ausmaß der Verwüstung, und doch richteten sich die Menschen – die beeindruckenden Fotos beweisen es – in den Trümmern ein, durchsuchten die noch rötlich glühenden Straßen und Stadtteile nach Verschütteten und Verletzten, die dem grauenhaften Inferno des Feuersturms entgangen waren. Man versuchte irgendwie zu überleben. Ein paar Wochen später eröffneten die ersten Restaurants, Kinos und Cafés wieder. Die Flächenbombardements, das zeigen die Bilder der Ausstellung deutlich, haben das Erscheinungsbild Frankfurts, aber auch der anderen deutschen Städte gründlicher verändert als jede Epoche zuvor. Noch bis weit in die fünfziger Jahre hinein prägten Trümmergrundstücke, Behelfswohnungen und Bauprojekte den städtischen Alltag und erinnerten an die Schrecken des Krieges und die Verwüstungen durch den Bombenterror. Mit dem Wiederaufbau trat dann jene Situation ein, die Wolf Jobst Siedler einmal als „zweite Zerstörung der deutschen Städte“ bezeichnet hat: die bewußte Ignorierung der Stadtgeschichte durch eine gewaltsam forcierte modernistische Architektur, deren Gesichts- und Geschichtslosigkeit das Stadtbild fortan prägen sollte. Auch diese vom Deutschen Werkbund Hessen, linken Publizisten wie Walter Dirks und puristischen Bauhaus-Theorien verpflichteten Architekten gesteuerte und von der sozialdemokratisch dominierten Stadtverwaltung lebhaft unterstützte „zweite Zerstörung der Stadt“ dokumentiert die Ausstellung eindrücklich. Was der Bombenterror begonnen hatte, wurde nun in einer Art Schuld-und-Sühne-Reflex mit bestem Gewissen vollendet. Die historische Substanz Frankfurts mit ihren gewachsenen Strukturen wurde zugunsten einer hektisch hochgezogenen rigoristischen Brutalarchitektur vollends planiert und kahlschlagartig in Beton gegossen. Die Wunden dieser ideologisch motivierten Zerstörung Frankfurts, der Krönungsstadt der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, sind – trotz einiger kleiner Korrekturen – bis heute nicht verheilt. Foto: Blick vom Domturm auf den Römer und die westliche Altstadt, 1944: Eine himmelhohe Feuerwolke Die Ausstellung „März 1944 – Frankfurt im Bombenkrieg“ ist bis zum 2. Mai im Karmeliterkloster, Münzgasse 9 zu sehen. Der Bildband „Frankfurt am Main im Bombenkrieg – März 1944“ ist im Wartberg-Verlag erschienen (64 Seiten, 17,80 Euro)