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Deutsch aus der Satellitenschüssel

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Der 4. November hätte für Polen ein historischer Tag werden können. 15 Jahre nach dem Ende der KP-Diktatur und einem endlosen Gezerre wurde im Sejm ein nationales Minderheitengesetz verabschiedet: 247 Abgeordnete stimmten für den – bereits 1998 wegen des EU-Beitritts erstellten und dann im Minderheitenausschuß fast totgeredeten – Entwurf, 133 Parlamentarier votierten gegen das Gesetz, sechs enthielten sich. Daß die Vorlage überhaupt verabschiedet wurde, dürfte der Tatsache geschuldet sein, daß die in fast allen heutigen polnischen Parteien einflußreichen nationalchauvinistischen Kräfte in der letzten Lesung einschneidende Änderungsanträge durchbringen konnten. So wurde ein Absatz über die Einführung von Minderheitensprachen als „Hilfssprachen“ auf Ämtern gekippt, ebenso verschwand ein Passus über die zweisprachige Ausschilderung von Amtsgebäuden. Besonders beschämend ist die mit großer Mehrheit angenommene Veränderung des Artikels 9. Auf Initiative der Bürgerplattform (PO) – die zusammen mit der CDU/CSU in der EVP-Fraktion des EU-Parlaments sitzt – wurde der für die Einführung von zweisprachigen Bezeichnungen von Orten, Landschaften oder Straßen erforderliche Bevölkerungsanteil von 20 Prozent der lokalen Einwohnerschaft auf 50 Prozent angehoben. Das ist eine EU-weit einzigartige Quote, die wohl nur in fünf Gemeinden überwunden werden kann – und zwar in vier mehrheitlich weißrussischen sowie einem litauisch dominierten Ort im Osten Polens. Die Deutschen in Oberschlesien gehen leer aus. Trotzdem stimmten die Repräsentanten der Deutschen – die Sejm-Abgeordneten Heinrich Kroll und Helmut Pazdzior – zähneknirschend zu, die Verbandsführungen der Ukrainer und Litauer verweigerten diesen Schritt. Für die offiziell gut 150.000 Deutschen (Volkszählung von 2002) fehlen beispielsweise nach wie vor Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache. Es gibt nur zweisprachige Bildungsangebote oder einen erweiterten Deutsch-Fremdsprachenunterricht. Allerorten sind Klagen über Lehrpläne, inkompetente Rektoren, fehlende Schulbücher und über einen Mangel an fachlich geeigneten und engagierten Lehrkräften zu vernehmen. Deutschland leistet auf diesem Feld kaum Unterstützung. Daß es seit dem Umbruch von 1989 in bildungspolitischer Hinsicht einige Fortschritte gegeben hat, läßt sich aber nicht leugnen. In der Wojewodschaft Oppeln erhielten Mitte der neunziger Jahre immerhin 13.200 Schüler an 132 Grundschulen muttersprachlichen Unterricht, der oft jedoch nur aus drei Wochenstunden besteht. Im Jahr 2001 waren es dann schon knapp 17.000 Schüler an Grundschulen sowie etwa 1.700 an Gymnasien. Allein zum Schuljahresbeginn 1996/97 wurden in fünf Orten zweisprachige Grundschulen eröffnet, andere folgten. An vier Standorten existierten zu dieser Zeit Gymnasien mit bilingualen Zügen. Insgesamt ist der Deutschunterricht mittlerweile wieder rückläufig. Die Gemeinden stellen nicht genügend Geld bereit. Vielen interessierten Eltern wird zudem weisgemacht, daß die Belastungen für die Kinder durch einen vermehrten Deutschunterricht zu groß sein könnten und ihre Sprößlinge doch lieber Englisch lernen sollten. Tatsache ist aber auch, daß es den Deutschen im Raum Oppeln nicht selten an Selbstvertrauen fehlt, um gesetzliche Möglichkeiten einzufordern. So wurde 2003 eine Verordnung des Warschauer Bildungsministeriums rechtskräftig, die die sprachlichen Belange von Schülern aus nationalen Minderheiten regelt. Darin ist festgeschrieben, daß „Schulen und andere öffentliche Einrichtungen“ solchen Kindern und Jugendlichen ermöglichen, „ihre nationale, ethnische, sprachliche und religiöse Identität wie auch die eigene Geschichte und Kultur zu bewahren und zu entwickeln“. Auf Antrag der Eltern bzw. ab Vollendung des 16. Lebensjahres der Schüler selbst ist durch den Schuldirektor muttersprachlicher Unterricht zu organisieren. Dieser kann in Schulen oder einzelnen Schulabteilungen stattfinden, wo die Minderheitensprache die Unterrichtssprache bildet (außer in Polnisch, Geographie und Geschichte/Gesellschaftskunde), oder in bilingualen Schulen oder an solchen Bildungseinrichtungen, an denen das Polnische zwar die Unterrichtssprache ist, aber eine Minderheitensprache als Zusatzfach auf dem Lehrplan steht. In Paragraph 5 der Verordnung heißt es unmißverständlich, daß solche muttersprachlichen Unterrichtsformen für nicht-polnische Schüler geschaffen werden müssen, „wenn sich für den Unterricht in der Sprache der nationalen Minderheit bzw. der ethnischen Gruppe mindestens sieben Schüler pro Klasse in der Grundschule und im Gymnasium anmelden bzw. entsprechend 14 Schüler in einer nachgymnasialen Schule“. Selbst wenn das nicht möglich ist, gibt die Verordnung das Recht, Gruppen von Schülern aus mehreren Klassen oder Abteilungen oder sogar aus verschiedenen Schulen zusammenzufassen. Am Beispiel Oberschlesiens werden die Chancen und Defizite der verbliebenen Deutschen am deutlichsten. In der Wojewodschaft Schlesien (Slask/Ostoberschlesien mit Kattowitz) bekannten sich laut Volkszählung rund 31.900 Personen als Deutsche. In der Wojewodschaft Oppeln (Opole) sind sogar noch 106.900 der 1,065 Millionen Einwohner Deutsche. Das entspricht in etwa der Zustimmung zur Deutschen Liste (MN) bei den letzten Wahlen zum Bezirksparlament. Die MN stellt sogar zusammen mit den Postkommunisten (SLD) die Oppelner Wojewodschaftsregierung. Eine Reihe von Dörfern rund um Oppeln hat immer noch weit über 20 Prozent deutsche Bewohner. Man hat eigene Zeitungen, etwa das Schlesische Wochenblatt als Oppelner Verbandsorgan der Deutschen Freundschaftskreise und die in Kattowitz ebenfalls zweisprachig erscheinende Zeitschrift Hoffnung. Oder man liest das ganz auf deutsch gehaltene Blatt Unser Oberschlesien. Die Caritas errichtete ab 1992 ein Netz deutscher Leihbüchereien. Hinzu kommt die mit Geldern der Deutsch-Polnischen Stiftung geschaffene Joseph-von-Eichendorff-Zentralbibliothek sowie die Österreichische Bibliothek in Oppeln. In Lubowitz existiert ein Eichendorff-Kultur-und-Bildungszentrum. Ferner gibt es deutsche Radiosendungen und sogar kleine TV-Magazine. In fast jedem Ort im Raum Oppeln sind seit 1990 ein deutscher Chor, eine Blaskapelle oder ein Trachtenverein gegründet worden. Auch die katholische Kirche, ansonsten eine Repräsentantin des polnischen Nationalismus, spielt im Oppelner Schlesien manchmal eine positive Rolle. Zwar werden nur in wenigen Kirchen deutschsprachige Messen angeboten, aber die Persönlichkeit des Oppelner Erzbischofs Alfons Nossol – eines bekennenden Deutschen – genießt unter seinen Landsleuten wie unter der polnischen Mehrheitsbevölkerung große Autorität. In Gleiwitz wirkt ein Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit und in Ratibor ein Oberschlesisches Museum mit „Geschichtswerkstatt“. In der ganzen Region werden über Satellitenantennen deutsche Fernsehsender empfangen, die wohl die wirkungsvollsten Deutschlehrer sind. Die Hilfen für die deutsche Minderheit seitens Deutschlands wurden unter Rot-Grün in Berlin zwar gekürzt (1992: sechs Millionen Mark, 2003: 2,8 Millionen Euro/5,6 Millionen Mark), dennoch existiert eine beachtliche Infrastruktur, bestehend unter anderem aus den zahlreichen von Berlin geförderten Kulturhäusern (den „Begegnungsstätten“ der Deutschen Freundschaftskreise/DFK). Künftig besteht die materielle Hilfe hauptsächlich aus Zinseinkünften der mit bundesdeutschen Steuergeldern aufgebauten Stiftung für die Entwicklung Schlesiens. Im Haushaltsjahr 2004 sollen es rund 32,5 Millionen Zloty (6,8 Millionen Euro) sein. Trotz allem sehen die Perspektiven keineswegs rosig aus. Daß fast die gesamte geistige Elite Oberschlesiens vertrieben wurde, hat ebenso tiefe Spuren hinterlassen wie die jahrzehntelange Polonisierungspolitik. Diese führte zu einer Art zweiter Vertreibung, nämlich aus der angestammten Identität. Die Tage der noch durch die reichsdeutsche Zeit geprägten Oberschlesier wie Blasius Hanczuch (langjähriger DFK-Bezirkschef in der Wojewodschaft Schlesien) oder des Pfarrers Wolfgang Globisch, die nach der Wende mit großer Energie die DFK aufbauten, sind gezählt. Das Polnische ist zumindest für die jüngere und mittlere Generation de facto zur Muttersprache geworden. Daß im Bezirk Oppeln etwa 150.000 Personen neben dem polnischen Paß einen deutschen besitzen, hat vor allem wirtschaftliche Folgen. Zehntausende Doppelstaatler gehen regelmäßig in Deutschland einer Saisonarbeit nach, um dann wieder nach Hause zurückzukehren. Sie bringen zwar eine Menge Geld, aber auch viel Unruhe ins Land. Deutsche Sprachkenntnisse erscheinen in ihren Reihen häufig als ökonomischer Vorteil, immer weniger aber als Ausdruck nationalen Bekenntnisses. Die Möglichkeit, jenseits der Grenze gut zu verdienen, motiviert nicht unbedingt dazu, sich mit aller Kraft an der Verbesserung der schlechten wirtschaftlichen Lage Oberschlesiens zu beteiligen.

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