Er moderiert eine der erfolgreichsten Talkshows, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen jemals hervorgebracht hat: Jürgen Fliege, evangelischer Theologe und ehemaliger Pastor, erklärt der Nation von Montag bis Donnerstag jeden Nachmittag um vier die Welt. Er tut dies, indem er sich und seinem Publikum hauptsächlich Fragen stellt, die er dann gern selbst beantwortet. Wenn es mit der Beantwortung etwas schwieriger wird, holt er auch schon mal sogenannte „Experten“ zu Hilfe. Dies sind in der Regel Psychologen, Juristen oder Mediziner, die dem Hilfe- oder Ratsuchenden dann ihrerseits praktische Tips zur Lebenshilfe an die Hand geben, ob es sich dabei nun um eine kaputte Beziehung, eine kranke Leber, immense Schulden oder den plötzlichen Tod des langjährigen Ehepartners handelt. Und in der Tat sind die psychologischen, medizinischen und juristischen Hilfestellungen und Handreichungen, die Fliege und seine Helfer ihren Gästen verabreichen, im allgemeinen durchaus brauchbar. Jenseits sozialpädagogischen Geschwätzes und theoretisierender Dialektik bekommt hier jeder, was er verdient, und dies ist nach den Regeln von Pastor Fliege zuallererst die Absolution und zum guten Schluß die Mahnung: „Passen Sie gut auf sich auf!“ Dazwischen gilt es jedoch – zumal für den Zuschauer – jede Menge ziemlich trister Schicksale und desolater Lebenslagen zu ertragen. Doch auch dafür gilt: Irgendwo und irgendwie ist für jedes Leiden und jeden Schmerz, ob seelisch, geistig oder körperlich, irgendein Kräutlein gewachsen, und wenn das noch von Jürgen Fliege serviert wird, ist die Rettung nahe. Wenn solch praktische Lebenshilfe von ihrem Erfinder gewissermaßen zum philosophischen Akt geadelt wird, und wenn christliche Nächstenliebe und atheistischer Humanismus sich zum Wohle des Mitmenschen die Hand reichen, dann ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis derlei ambitioniertes Betroffenheitsengagement auch in Zeitschriftenform gegossen wird und nun über achtzig Seiten stark sensibilisiert und gut gemeint jeden zweiten Monat als Fliege – Die Zeitschrift daherkommt. „Beraten/Helfen/Heilen“ – so der Untertitel – will man die inzwischen auf mehrere hunderttausend Menschen angewachsene Leserschaft. Dementsprechend begrüßt der Herausgeber in seinem Editorial auch jeden einzelnen Leser persönlich, verteilt einen Scheck für die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung, ruft in der Rubrik „Mensch Fliege“ zu einer „Zeit der Besinnung“ auf, stellt Bürger vor, denen die Fliege-Stiftung dieses Jahr helfen konnte – und läßt Rolf-Dieter Hesch und Manfred Lütz darüber diskutieren, was bei einem Seitensprung zu tun ist. Was dabei herauskommt, wenn ein Mediziner die bahnbrechende Erkenntnis äußert, daß „liberale Sexualität Bindungszwänge abgeschafft“ habe, und ein Theologe wacker dagegenhält: „Seitensprung ist gescheitert“, soll hier jedoch nicht verraten werden. Evangelischer Presseverband. Birkerstr. 22, 80636 München. Das Einzelheft kostet 2,90 Euro, das Jahresabonnement 15 Euro. Internet: www.fliege-die-zeitschrift.de