Dem designierten Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, stellen sich im neuen Amt zwei Aufgaben: Er muß die intellektuelle Leerstelle schließen, die nach dem Ausscheiden Michel Friedmans im Präsidium klafft. Und er muß das Ansehen des Präsidiums in der Öffentlichkeit reparieren, das durch das lange Festhalten an Friedman gelitten hat. Allerdings hat auch Korn dem mit Schimpf und Schande aus dem Amt Geschiedenen nur „menschliche Größe“ und „Einsichtsfähigkeit“ bescheinigt – sonst nichts. Normalerweise klingen Korns Urteile rigoroser. Zwar wirkt er zurückhaltend und strahlt diskrete Eleganz aus, doch in der Sache unterscheidet er sich wenig von Friedman. Streng trennt er zwischen den „Abkömmlingen“ der Täter und der Opfer und attackiert die Versuche, „im blutigen Ozean der jüngsten deutschen Geschichte unbefleckte Identifikationsinseln“ zu bewahren. Deutsche Identität lasse sich nur negativ ausdrücken, so in dem „zu ’negativer‘ Identifizierung auffordernden Holocaust-Denkmal“, dessen Jury er angehörte. Inspiriert wird er unter anderem vom Historiker Dan Diner, der schon 1987 forderte, die „partikuläre Perspektive der zur Vernichtung ausersehenen“ Juden zum „eigentlichen universalistischen Ausgangspunkt“ der NS-Forschung zu machen. Salomon Korn wurde 1943 im ostpolnischen Lublin geboren, in dessen Nähe sich ein Todeslager der Nationalsozialisten befand. Obwohl er keine direkte Erinnerung an diese Zeit hat, prägt sie ihn wie ein Wundmal. Nach dem Krieg verschlug es die Familie Korn in ein Frankfurter Displaced-Persons-Lager. 1948 hatte Anna Seghers eine Reportage über diese Lager verfaßt, wo die Amerikaner jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa versammelten. Laut Seghers „war (außer im Krieg) nirgendwo der Kontakt zwischen Menschen so entmenschlicht“, und die Anwohner verachteten die Gestrandeten als „deklassierte Elemente“. Wer dort aufwuchs, brauchte später einen eisernen Willen, um nicht ein Leben lang von den frühkindlichen Alpträumen gelähmt zu bleiben. Korn hatte diesen Willen. Er studierte Architektur und Soziologie und promovierte. Er ist der Architekt des Jüdischen Gemeindezentrums in Frankfurt/ Main, wo er auch lebt. Hotel- und Immobilienbesitz verleiht ihm wirtschaftliche Unabhängigkeit, durch die ihm gesellschaftlicher Einfluß zugewachsen ist. Seine Ämter in Stiftungen, Beiräten, Preisgerichten und jüdischen Organisationen sind Legion. Bereitwillig öffnen sich die Spalten der Zeit und der FAZ für seine Artikel. Er meint, man dürfe „an jedem Menschen in Deutschland, unabhängig von Religion und Volkszugehörigkeit, als Individuum sachlich Kritik“ üben, nur der Kritik an Juden und Israel unterstellt er „ein Bedürfnis nach Triebabfuhr lange aufgestauter Affekte“, was an der mangelnden „Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in vielen deutschen Familien“ liege. Es bleibt also viel zu tun für Salomon Korn.