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Marc Jongen, ESN Fraktion

„Es droht ein neues Rom“

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„Es droht ein neues Rom“

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Cato, Palmer, Exklusiv

Herr Professor Khoury, das Ultimatum George Bushs an Saddam Hussein, binnen 48 Stunden zurückzutreten, ist abgelaufen. Ist der Krieg nun noch abzuwenden? Khoury: Ich glaube nicht, daß irgend etwas diese Kerle noch davon abhalten kann. Sie meinen die Amerikaner? Khoury: Ja, ich halte mich zur Zeit für einige Wochen in New York auf und werde Zeuge zum Beispiel der antifranzösischen Kampagne hier in den USA. Im Fernsehen schütten einige Primitivlinge französischen Wein auf die Straße und, wie Sie vielleicht wissen, entblödet man sich auch nicht, Pommes Frites – die in Amerika „French Fries“, also „Französische Fritten“ heißen – in „Freedom Fries“, also „Freiheits-Fritten“, umzutaufen. Die Kampagne ist dumm, nationalistisch und abstoßend. Trotz Ihres Fatalismus, was den bevorstehenden Krieg angeht, unterstützen Sie als einer der führenden Intellektuellen der arabischen Welt die Friedensinitiative „Demokratischer Irak“ Ihres gleichfalls international bekannten Landsmannes Chibli Mallat. Warum? Khoury: Die arabischen Intellektuellen kämpfen schon lange für die Demokratie, natürlich müssen wir uns auch der Herausforderung dieses Krieges stellen. Unser Appell erinnert die arabischen Intellektuellen daran, das Gewissen unserer Völker zu sein. Die USA behaupten, den bevorstehenden Krieg für die Freiheit und Demokratie im Irak zu führen. Das aber nehmen Sie Präsident Bush nicht ab. Khoury: Wir Intellektuellen kämpfen seit den siebziger Jahren gegen die autoritären Regime der arabischen Welt – es hat die USA nie interessiert. Durch die Art, wie sie die Dinge jetzt darstellen, nämlich, als müßten sie den Irak nun besetzen, um die Demokratie aufzurichten, fühlen wir uns verraten und gedemütigt. Die USA täuschen dabei die Weltöffentlichkeit nicht nur mit ihrem Gerede von der Demokratie, sondern auch mit dem „Argument“ der Entwaffnung des Irak. Denn „Massenvernichtungswaffen“ ist ein so einschüchterndes Wort, daß sich dahinter viel verbergen läßt. Tatsächlich hat der Krieg der Amerikaner nichts mit Demokratie, viel dagegen mit Herrschaft zu tun. Und deshalb wird er sich als eine Katastrophe erweisen. Für die Amerikaner oder die Iraker? Khoury: Sowohl für die arabischen Staaten als auch für die übrige Welt. Denn dies ist der erste Schritt zur Errichtung eines amerikanischen Imperiums. Die Etablierung einer weltweiten imperialen Präsenz der USA geht Hand in Hand mit der Ausbildung einer imperialen Attitüde: Im Irak geht es nicht nur um die Unterwerfung dieses Landes unter die Herrschaft der USA, sondern auch um eine Demonstration des Anspruches auf weltweite Dominanz der USA – vor den Augen aller Welt. Das heißt, Ihrer Meinung nach vertraut niemand in der arabischen Welt den Versprechen der USA? Khoury: Die USA haben überall auf der Welt Demokratien zerstört, um ihre Interessen durchzusetzen. Sie brauchen dabei gar nicht bis nach Mittel- und Südamerika zu schauen, Palästina etwa erträgt seit 35 Jahren eine Besatzungsherrschaft. Im Westjordanland baut man sogar jüdische Siedlungen, und Herr Rumsfeld hält es noch nicht einmal für angebracht, von „besetzen Gebieten“ in bezug auf Gaza und Transjordanien zu sprechen. Oder denken Sie an die Besetzung Kuwaits bereits vor elf Jahren, man möchte meinen, das sei Zeit genug, um Demokratie einzuführen. Doch ist Kuwait inzwischen demokratisch? Das wäre mir neu. Um die Kontrolle über das arabische Öl zu bekommen, haben die USA sich nicht gescheut, auch noch das finsterste autokratische arabische Regime zu unterstützten. Wenn die USA nun versuchen, sich als Vorkämpfer der Demokratie darzustellen, so wirkt das für die Menschen der arabischen Welt völlig unglaubwürdig. Was denken sich die Amerikaner nur dabei? Halten die Amerikaner uns alle für dumm? Werden die USA durch Unterstützung Israels in der arabischen Welt völlig mit den israelischen Besatzern in Palästina identifiziert? Khoury: Was denken die Araber wohl, wenn die USA die Durchsetzung der Uno-Resolutionen bezüglich Israels verhindern, nun aber ihr Engagement für die Demokratie herausstellen!? Glauben die Amerikaner denn ernsthaft, daß sie damit durchkommen? Die USA glauben anscheinend, sie können sich alles erlauben! Die USA werden den Irak nun wohl ohne Zustimmung des Weltsicherheitsrates angreifen und damit ungestraft das Völkerrecht brechen. Wie wird die arabische Welt auf diese Demütigung reagieren? Khoury: Die Araber fühlen sich sehr frustriert, denn sie können ihre eigenen politischen Interessen nicht einbringen und sehen, daß ihre Welt Teil eines Imperiums wird, so wie das schon einmal zu Zeiten des Osmanischen Reiches der Fall war. Fürchten Sie das Erstarken des Fundamentalismus infolge des Krieges? Khoury: Ja, des Fundamentalismus und des Terrorismus, denn man kann islamischen Fundamentalismus nicht mit christlichem Fundamentalismus bekämpfen. Und zweifellos ist der amerikanische Diskurs ein fundamentalistischer Diskurs – er ist religiös, messianisch und apokalyptisch. Wir Araber müssen dagegen lernen, zwischen Terrorismus und Widerstand zu unterscheiden. Wenn uns das nicht gelingt, wird uns das in die Selbstvernichtung führen. Was werden die USA nach der Vertreibung Saddams Ihrer Einschätzung nach im Irak etablieren? Khoury: Eine Diktatur. Tatsächlich? Khoury: Aber natürlich. Sie meinen, versteckt hinter einem demokratischen Anstrich? Khoury: Ich weiß nicht, wie sie das nennen werden, entscheidend ist, daß sie den Irak besetzen werden. Angeblich nur für drei Jahre, aber als Deutscher wissen Sie selbst, was davon zu halten ist. Tatsächlich werden die USA im Irak eine Militärregierung aus Generälen einsetzen. Das sieht man doch schon daran, daß die Amerikaner sich nicht im geringsten um die irakische Opposition bemühen. Und dann werden sie ihren Kampf fortsetzen, als nächstes wird es vielleicht den Iran treffen und wer weiß, wer dann an der Reihe ist. Nach Ihrer Ansicht sind nicht nur Staaten, sondern die Uno selbst Ziel des US-Imperialismus. Khoury: Ja, es geht den USA darum, die Gestalt der internationalen Gemeinschaft zu zerstören, um sie durch eine neue, ihnen gefügige Gestalt zu ersetzen. Das Ausgreifen des amerikanischen Imperialismus vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen, von denen der Irak nur die sichtbare ist. Nicht auf Anhieb zu erkennen ist auch, daß es den USA mit dem Angriff auf den Irak noch nicht einmal in erster Linie um die arabische Welt geht. Die Eroberung der Ölvorkommen im Mittleren Osten soll – Öl als strategischer Rohstoff – den Einfluß Amerikas auf Europa und China sichern. Das ist auch der Grund, warum Deutschland und Frankreich gegen den Krieg sind. Zu Deutschland sind die Beziehungen der USA allerdings – trotz der Verstimmung – grundsätzlich eher freundschaftlich als ausbeuterisch. Khoury: Warten Sie ab, was passiert, wenn die USA einmal ihre Stützpunkte in Deutschland nach Polen oder Bulgarien verlegt haben. Die USA kennen nur ein Spiel: Das Spiel hegemonialer Vorherrschaft, auch gegenüber Deutschland. Studieren Sie doch einmal das wahre Weltbild der Herren Perle, Rumsfeld, oder Wolfowitz, so wie es in ihren Denkschriften und Reden zum Ausdruck kommt. Den USA geht es nicht um Recht und Kooperation, sondern um Macht und Vorherrschaft – um Imperialismus, statt um Demokratie. Amerika will ein neues Rom werden, und wie wir alle wissen, haben die Römer nie Wert darauf gelegt, ob ihren Untertanenvölkern Gerechtigkeit widerfährt. Professor Elias Khoury der libanesische Schriftsteller gilt als einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren der arabischen Welt. Geboren 1948, lehrte der Professor für arabische und vergleichende Literaturwissenschaft längere Zeit an der Universität von New York. Heute ist er Herausgeber der Kulturbeilage der libanesischen Tageszeitung Al-Nahar. Khoury gehört zu den schärfsten arabíschen Kritikern der USA und ist Unterstüzer der panarabischen Friedensinitiative „Demokratischer Irak“ des libanesischen Rechtsanwaltes Chibli Mallat. Nach „Königreich der Fremdlinge“ (Schiler, 1998) und „Der geheimnisvolle Brief“ (C.H. Beck, 2000) erscheint im kommenden Jahr Khourys jüngster Roman „The Gate of Sun“ auf Deutsch. Der Autor lebt heute in seiner Geburtsstadt, der libanesischen Hauptstadt Beirut. weitere Interview-Partner der JF

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