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Abwege

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Wer das kleine Kulturblättchen Tat (siehe Besprechung in JF 21/02) aus Halle/Saale kennt, darf sich freuen, Dilettantismus einmal in seiner ursprünglichen, positiven Ausformung zu begegnen. In unbescheidener Sorglosigkeit, nur vage ironisch gebrochen, führt diese „Stimme des Kommunalismus“ als Untertitel „Rundbrief Abendländisches Journal“ und stellt so etwas wie den last exit aus sachsen-anhaltinischer Drögheit dar. „Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr!“ ist der Wahlspruch des Magazins, und der Werbeflyer zeigt bebrillte Frauen mit endlosen Patronengürteln: Tapfere Frauen lesen Tat – Stimme des Matriarchats, was haarscharf an der inhaltlichen Bindung des eher zum politischen Dadaismus tendieren Heftes vorbeigeht. Sven Schwarz, einer der Tat-Macher und dort für die Musik-Kritik zuständig, ist nun selbst auf tönenden Abwegen zugange. „Mondglanz“ nennt sich sein auch live auftretendes Projekt, und die erste Kurz-CD „Unergründlich“ mit vier Stücken läßt sich grob dem heterogenen Feld der Wave-Gotik-Szene zurechnen. Auch hier steht die Leidenschaft zum künstlerischen Schaffen im Vordergrund, und das kommt recht pathetisch daher: predigtartiger Sprechgesang, von synthetischem Bombast mal untermalt, dann wieder fast übertönt. Das macht die (durchaus poetische) Textlastigkeit gut tanzbar, vorsichtige Anklänge an die Neofolk-Götter Orplid sind unüberhörbar. „Ansporn“ als kurzes Intro gibt sich spannungsgeladen und wie nietschzeanisch: „Wir haben die finstersten Leben gelebt, wir ehrten die höchsten Götter, wir haben die hellsten Lichter gesehen, wir verlachten die größten Spötter. Wir haben die Fesseln der Zeit zerschlagen, wir harrten der dunkelsten Stunden, wir waren Jahrtausende unverletzt, wir erfuhren die schwersten Wunden.“ „Hoch lebe aller Zweifel“ durchzieht als Devise Schwarz‘ Texte, so wie dies der bekannte und gar nicht aufklärerisch gemeinte Grundtenor des Tat-Hefte ist. Verkündet wird hier wie dort die Brüchigkeit des „freien Willens“: Es lebe die Tat. Die Stücke vom „Großen Zug“, „Bruder Kain“ und „Feuervogel“ durchzieht ein melancholischerer Ton, getragen von fast religiöser Begrifflichkeit: Demut, Buße, Leid und Barmherzigkeit zum einen, stolzer Zorn, Wahrheit, Auftrag und Größe andererseits sind die Vokabeln, die von „Mondglanz“ umkreist werden. Stimmlich ist das alles sicherlich zu verbessern, die hier noch mangelnde Souveränität in der Darbietung macht „Mondglanz“ aber nicht weniger sympathisch. Schwarz selbst hält „Pathos Pop“ für eine treffende Kennzeichnung und nennt „Selbsttherapie“ als seine künstlerische Intention. Frei von Sentimentalität dagegen zeigt sich Antlers Mulm, das vormals unter dem Namen Radio Eichenlaub schon für durchweg positive Resonanz sorgte. Antlers Mulm ist ein Soloprojekt des Sachsen Hans Johm, und präsentiert wird elektronische Musik, die sich laut zu hören empfiehlt. Im eigenen Label Sonderübertragung erschienen und daher schlicht SÜ04 betitelt ist eine 12″-Platte, die als Glanzpunkt unter mitreißenden Stücken den „Großen goldenen Tag“ feiert: „Unsere Fahnen, unser Stolz – Wimpel wehen hundertfach“, spricht es zwischen Maultrommelklängen und stampfenden Rhythmen. Eine verzerrte Stimme, darum nichts weniger als ostalgisch. Ebenso gut das pochende „Dein Herr“: „Glüht Dein Herz? Glüht es ganz? Ein Herz wie Deines glüht nur ganz… Wer ist Dein Herr? Ist er schön, ist er groß? Laß Dein Herz glühen für Deinen Herrn …“ In einem Gespräch mit der Szene-Zeitschrift Zinnober nennt Johm empfindliche Schlagworte wie „Bereitschaft“, „Wille“ sowie „Glaube und die Unfähigkeit dazu“ als Triebfedern seines Schaffens: „Ein schlammiges Kerngebiet. Ich liebe es.“

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