BERLIN. Staatsrechtler Ulrich Vosgerau hat vor Gericht gegen das Zentrum für Politische Schönheit gewonnen. Das Landgericht Berlin II gab einer einstweiligen Verfügung des Juristen statt und untersagte dem linken Aktivisten Philipp Ruch eine konkrete Äußerung auf der Plattform X, mit der Vosgerau ein Meineid vorgeworfen worden war. Die Urteilsbegründung liegt der JUNGEN FREIHEIT vor.
Gegenstand des Verfahrens war ein X-Beitrag vom 08. Oktober 2025, in dem das Zentrum für Politische Schönheit behauptete, ein Teilnehmer des Potsdamer Treffens vom November 2023 sei bereit, vor Gericht zu bezeugen, daß es dort um die Ausweisung deutscher Staatsbürger gegangen sei. Daher werde Vosgerau seine Anwaltszulassung verlieren und wegen Meineids ins Gefängnis kommen.
Vosgeraus Persönlichkeitsrecht verletzt
Nach Auffassung der Richter greift diese Äußerung rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht Vosgeraus ein. Ihm werde ein straf- und berufsrechtlich relevantes Fehlverhalten zugeschrieben, ohne daß dafür eine tragfähige Tatsachengrundlage bestehe. Der Beitrag lege nahe, Vosgerau habe in eidesstattlichen Versicherungen wahrheitswidrig erklärt, es habe bei dem Treffen keine entsprechenden Ausweisungspläne gegeben.
Das Gericht knüpft dabei an frühere Verfahren zum Potsdamer Treffen an. Im Tatbestand heißt es, daß Martin Sellner in seinem Vortrag über Remigration von ausreisepflichtigen Ausländern gesprochen habe. Auf eine Nachfrage hin sei in der anschließenden Diskussion ausdrücklich klargestellt worden, daß eine Abschiebung von Personen mit deutschem Paß rechtlich nicht möglich sei. Stattdessen sei über konsequente Strafverfolgung bei islamistischen oder kriminellen Deutschen mit Migrationshintergrund gesprochen worden.
Mit dieser Darstellung, so das Gericht, stehen die eidesstattlichen Versicherungen Vosgeraus im Einklang. Er habe nicht erklärt, daß das Thema niemals angesprochen worden sei, sondern vielmehr geschildert, daß eine Ausweisung deutscher Staatsbürger gerade als rechtlich unmöglich bezeichnet worden sei. Ein objektiv falscher Eid lasse sich daraus nicht herleiten.
Gericht zerreißt die „Eidesstattliche Versicherung“ von Erik Ahrens
Eine zentrale Rolle spielt dabei die unterschiedliche Qualität der herangezogenen Erklärungen. Während Vosgerau mehrfach eidesstattliche Versicherungen in laufenden Gerichtsverfahren abgegeben hatte, verweist das Urteil hinsichtlich des Zeugen Erik Ahrens ausdrücklich auf ein „mit ‘Eidesstattliche Versicherung‘ überschriebenes Schriftstück“. Diese Formulierung ist distanzierend formuliert. Das Gericht macht damit deutlich, daß es sich nicht um eine eidesstattliche Versicherung im prozessualen Sinn handelt, sondern um eine private schriftliche Erklärung ohne dieselbe rechtliche Wirkung.
Selbst widersprüchliche Darstellungen reichten daher nicht aus, um den Vorwurf eines Meineids zu begründen, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Beitrag stelle sich insgesamt als unzulässige Meinungsäußerung dar, da er mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen „willkürlich ‘aus der Luft gegriffen‘“ sei. An der Weiterverbreitung unwahrer, herabsetzender Tatsachenbehauptungen bestehe unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse.
Zentrum für Politische Schönheit ist keine Kunst
Auch auf Kunstfreiheit könne sich der Antragsgegner nicht berufen. Der Beitrag habe gegenüber der Realität keine „verselbstständigte ästhetische Wirklichkeit geschaffen oder angestrebt“, sondern einen faktischen Wahrheitsanspruch erhoben. Daher sei „der von dem Antragsgegner verantwortete X-Beitrag nicht als Kunst zu qualifizieren“. Damit unterliege er den Maßstäben des Äußerungsrechts.
Die Kanzlei Höcker, die Vosgerau vertritt, sprach von einer klaren Entscheidung. Rechtsanwalt Carsten Brennecke erklärte, das Gericht habe deutlich gemacht, daß der Vorwurf eines Meineids nicht auf haltlose Unterstellungen gestützt werden könne. „Das Landgericht stellt fest, daß Vosgerau mit seinen eidesstattlichen Versicherungen keine falschen Angaben gemacht hat und ihm ein Meineid weder vorgeworfen werden kann noch darf“, sagte Brennecke. Entscheidend sei zudem, daß einer formell vor Gericht abgegebenen eidesstattlichen Versicherung kein bloßes privates Schriftstück gleichgestellt werden könne.
Der Beschluß reiht sich in mehrere Gerichtsentscheidungen ein (JF berichtete), in denen entscheidend war, wie ein durchschnittlicher Leser solche Darstellungen versteht und ob damit ein konkreter Tatsachenvorwurf verbunden ist. Der Streitwert wurde auf 15.000 Euro festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens trägt das Zentrum für politische Schönheit. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohen Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. (sv)






