Langsam, aber stetig beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß die aktuelle Klimapolitik gescheitert ist. Ungeachtet des Pariser Abkommens von 2015 steigen der Verbrauch an fossilen Brennstoffen und die Kohlendioxidemissionen von Jahr zu Jahr weiter an (abgesehen von einer kurzen Unterbrechung während der Coronakrise). Damit rückt das 1,5-Grad-Ziel in unerreichbare Ferne. Aber die gute Nachricht ist: Die Welt wird dennoch so bald nicht untergehen.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind zwar unübersehbar, erweisen sich aber zunehmend als beherrschbar und weit weniger katastrophal als von den Propheten der Klimaapokalypse an die Wand gemalt. Anstelle extrem teurer und in diesem Ausmaß unnötiger Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen sind deshalb Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel eher angebracht. Nicht ohne Grund steht die Adaptation nun auch im Zentrum der 30. Weltklimakonferenz, die am 10. November 2025 im brasilianischen Belém stattfinden wird.
Selbst der Microsoft-Milliardär Bill Gates, der bisher eindringlich vor der kommenden „Klimakatastrophe“ gewarnt hat, hat einen beeindruckenden Kurswechsel vollzogen (die JF berichtete). Er fordert nichts weniger als eine radikale Wende in der Klimapolitik – weg von einer ideologiegetriebenen, moralistischen Symbolpolitik, hin zu einer realistischen und verantwortungsbewußten Sachpolitik.
Deutschlands Klimapolitik führt zur Unternehmerflucht
Er hat erkannt, was eigentlich offensichtlich ist: Die globale Durchschnittstemperatur sagt nichts über die Lebensqualität der Menschen aus. Und um diese weltweit zu verbessern, dürfe man nicht Verzicht predigen, sondern müsse neue Technologien fördern, welche nicht nur die Umweltqualität, sondern auch die Lebensbedingungen der Menschen heben können. Mit diesem Sinneswandel ist der Investor Bill Gates nicht allein: Viele Länder stellen die bisherige Klimapolitik auf den Prüfstand und wenden sich zunehmend von ihr ab – allen voran die USA.
Neben der Einsicht in die Wirkungslosigkeit dieser Klimapolitik sind dafür vor allem deren desaströse ökonomische Konsequenzen verantwortlich. Das oft beschworene „Grüne Wirtschaftswunder“ findet nämlich nicht statt, sondern es drohen wirtschaftlicher Niedergang und Wohlstandsverluste infolge politisch in schwindelerregende Höhen getriebener Energiepreise und einer unzuverlässigen Energieversorgung.
Diese Konsequenzen zeigen sich in Deutschland, dem klimapolitischen Musterschüler, besonders deutlich: Weite Teile des verarbeitenden Gewerbes stellen entweder ihre Produktion ein oder verlagern diese ins Ausland – was den Verlust Zehntausender gut bezahlter Arbeitsplätze in Deutschland bedeutet. Dies betrifft besonders energieintensiv produzierende Unternehmen, von denen laut einer aktuellen Studie über 70 Prozent Produktion und Investitionen aus Deutschland transferieren wollen.
Es braucht Anerkennung wirtschaftlicher Realitäten
Auch der Bundesrechnungshof warnt in einem Sonderbericht zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Bundes eindringlich vor der Fortsetzung der bisherigen Energie- und Klimapolitik: Diese würde nicht nur ihr Ziel der Klimaneutralität verfehlen, sondern sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Sicherheit der Energieversorgung in einem Ausmaß gefährden, daß damit die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland zunehmend in Frage gestellt werden würde.
Abgesehen davon müßte der Bundeshaushalt immer mehr durch auf Dauer angelegte Subventionen in Milliardenhöhe belastet werden. Aber diese Warnungen stoßen bei der Bundesregierung auf taube Ohren. Sie hält unbeirrt an ihrem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 fest – einem Ziel, das für die Entwicklung des Weltklimas praktisch irrelevant ist. Angesichts des deutschen Anteils an den weltweiten Treibhausgasemissionen von nur 1,3 Prozent wirkt sich die deutsche Klimapolitik so gut wie überhaupt nicht darauf aus – dafür aber um so mehr auf Wirtschaftskraft und Wohlstand unseres Landes.
Statt weiterhin andere Länder mit erhobenem Zeigefinger zur Übernahme der selbstzerstörerischen Klimapolitik zu ermahnen, sollte sich die Bundesregierung vielmehr von dieser Politik verabschieden und einen pragmatischen Ansatz verfolgen. Es ist höchste Zeit, das sinnlose Ziel der Klimaneutralität aufzugeben und eine Klimapolitik mit Augenmaß und unter Anerkennung der ökonomischen Realitäten zu betreiben.
Kernenergie, Kohle und Gas bleiben wichtig
Das setzt vor allem voraus, sich nicht länger auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen zu fixieren. Solche Maßnahmen sollten nur noch insoweit ergriffen werden, als diese sinnvoll, notwendig und wirtschaftlich vertretbar sind. Wesentlich größeres Gewicht sollte aber auf die Anpassung an den Klimawandel und die Förderung des technischen Fortschritts gelegt werden: Neben Investitionen in Forschung und Entwicklung sind dazu eine Bereitschaft zu Innovationen und eine grundsätzliche Technologieoffenheit notwendig.
An die Stelle von Zukunftsängsten und Weltuntergangsphantasien müssen wieder Technologieoptimismus und Fortschrittsglaube treten. Konkret bedeutet dies für die Energiepolitik, daß nicht länger bestimmte Technologien in den Himmel gehoben und andere verdammt werden dürfen – und daß die Erforschung vielversprechender neuer Technologie, wie etwa der Kernfusionstechnologie vorangetrieben werden muß. Notwendig ist ein ausgewogener und vielfältiger Energiemix, in dem zwar die erneuerbaren Energien auch ihren Platz haben, aber eben auch Kernenergie und fossile Energieträger.
Nur auf diese Weise kann es gelingen, die deutsche Energieversorgung wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, also die einseitige Orientierung am Klimaschutz zu beenden und der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit der Energieversorgung endlich wieder den Vorrang einzuräumen, der ihnen in einem reichen Industrieland gebührt.
Prof. Dr. Fritz Söllner lehrt Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Ilmenau und veröffentlichte 2024 „Die Moralapostel: Zerstörung eines Exportweltmeisters“.






