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Meldestelle involviert: Harmloser X-Beitrag: Polizei durchsucht Wohnung von Norbert Bolz

Meldestelle involviert: Harmloser X-Beitrag: Polizei durchsucht Wohnung von Norbert Bolz

Meldestelle involviert: Harmloser X-Beitrag: Polizei durchsucht Wohnung von Norbert Bolz

Der emeritierte Professor Norbert Bolz
Der emeritierte Professor Norbert Bolz
Norbert Bolz. Foto: picture alliance/dpa | Horst Galuschka
Meldestelle involviert
 

Harmloser X-Beitrag: Polizei durchsucht Wohnung von Norbert Bolz

Er reagierte auf einen taz-Tweet – und hat jetzt die Staatsanwaltschaft am Hals: Der Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz sieht sich mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert. Mitauslöser ist offenbar das Bundeskriminalamt.
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BERLIN. Die Berliner Polizei ist am Donnerstag zu einer Hausdurchsuchung bei dem emeritierten Professor und Publizisten Norbert Bolz angerückt. Das teilte der 72jährige am Vormittag bei X mit. „Hausdurchsuchung wegen eines Posts“, schrieb er dort. „Junge, nette Polizisten, die mir abschließend den guten Rat gegeben haben, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Das werde ich tun und nur noch über Bäume sprechen.“

Anlaß für die Durchsuchung ist nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT ein Beitrag, den Bolz am 20. Januar 2024 bei X veröffentlicht hatte. Konkret hatte er einen taz-Beitrag weiterverbreitet, in dem es hieß: „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“. Dazu hatte er selber ironisch kommentiert: „Gute Übersetzung von ‘woke‘: Deutschland erwache!“

Bundeskriminalamt in Bolz-Ermittlung involviert

Bolz sagte am Donnerstag der Welt, er habe das für einen guten Witz gehalten. „Die taz hatte etwas über Höcke geschrieben mit dem Fazit ‘Deutschland erwacht‘. Ich dachte: Das ist eigentlich eine gute Definition von ‘woke‘. Denn ‘woke‘ heißt ja auch ‘erwacht‘.“ Er habe ausdrücken wollen, daß „die Verrücktheit die Seiten gewechselt“ habe. „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass man das mißverstehen kann.“

Screenshot des Beitrags, der Anlaß für die Hausdurchsuchung sein soll.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deswegen vor, eine nationalsozialistische Parole verwendet zu haben. Er soll damit gegen Paragraph 86a des Strafgesetzbuches verstoßen haben: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Formulierung „Deutschland, erwache!“ findet sich im sogenannten „Sturmlied“ der NSDAP, das von Dietrich Eckart verfaßt wurde. Für die Hausdurchsuchung lag ein Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten vor. Weitere Angaben wollte die Berliner Staatsanwaltschaft auf JF-Nachfrage nicht machen – „zum Schutz der Ermittlungen“, wie ein Sprecher sagte.

Übereinstimmenden Berichten zufolge war auch die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des Bundeskriminalamts in den Vorgang involviert. Die Meldestelle ist seit dem 1. Februar 2022 aktiv und hat sich auf die Fahnen geschrieben, „konsequent gegen Haß und Hetze im Netz“ vorzugehen. Sie arbeitet dafür mit verschiedenen Organisationen wie der Meldestelle „REspect!“ zusammen, die dem BKA vermeintlich strafbare Äußerungen zutragen (die JF berichtete). Ob eine solche Meldestelle den Bolz-Beitrag ursprünglich ans BKA gemeldet und den Vorgang damit angestoßen hat, ist noch unklar. Die JF hat das BKA dazu angefragt.

„Völlig inakzeptabel für ein freiheitliches Staatswesen“

Die Hausdurchsuchung sorgte am Donnerstag für zahlreiche Reaktionen im Netz. Der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) zeigte sich in einem X-Beitrag fassungslos. „Das ist völlig inakzeptabel für ein freiheitlich-demokratisches Staatswesen.“ Die Publizistin Birgit Kelle schrieb, was sie am meisten erschrecke, sei „die zunehmende Bereitschaft deutscher Staatsanwaltschaften und Richter, sich vor ideologische Karren spannen und instrumentalisieren zu lassen, um die Meinungsfreiheit im Land herunter zu regeln“.

Welt-Herausgeber Ulf Poschardt mahnte in der Bild, die Hausdurchsuchung bei Bolz müsse „jeden liberalen Demokraten“ erschüttern. „Zeit, daß Politik und Justiz in sich gehen und umkehren.“ Der Oldenburger Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler kritisierte: „Es geht um Einschüchterung. Da spielen Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine Rolle mehr…“ Bolz betätigt sich seit einigen Jahren als Publizist im konservativen Lager. Er war bis 2018 Professor an der Freien Universität Berlin. Erst am Mittwoch trat er bei Welt-TV auf. Im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT hatte er jüngst vor einer „immer weiteren Aushöhlung“ der Demokratie gewarnt. (ser)

Norbert Bolz. Foto: picture alliance/dpa | Horst Galuschka
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