LEIPZIG. Dürfen Haushalte den zwangsweise eingezogenen Rundfunkbeitrag kürzen oder verweigern, wenn sie die im Medienstaatsvertrag vorgeschriebene politische Ausgewogenheit von ARD, ZDF und Deutschlandradio vermissen? Mit dieser Frage hat sich am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in einer dreistündigen Verhandlung beschäftigt.
Es ist das erste Mal, daß dieses Thema vor einem hohen deutschen Gericht verhandelt wird. Schon das gilt als Erfolg der anonym bleibenden Frau aus Bayern, die die Klage eingereicht hatte. Sie sagt, der ÖRR verletze regelmäßig Artikel 26 des Medienstaatsvertrages, der journalistische Standards sowie Unparteilichkeit und Objektivität vorschreibe.
Das Bundesverwaltungsgericht erkannte in der Frage um den Rundfunkbeitrag eine „grundsätzliche Bedeutung“. In den ersten beiden Instanzen war die Klägerin erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht München und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatten sich aber gar nicht inhaltlich damit beschäftigt, ob der ÖRR seinen Auftrag erfüllt. Sie stellten sich auf den Standpunkt, Rundfunkfreiheit der Sender gehe vor und die Kontrolle der Programmvielfalt sei nicht Sache der Justiz.
Kippen die Richter den Rundfunkbeitrag?
Als Beklagter stand stellvertretend für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk am Mittwoch der Bayerische Rundfunk (BR) vor Gericht. Dessen Prozeßbevollmächtigte bestritt die Vorwürfe. Man tue alles für die Meinungsvielfalt und dafür, daß die Bürger im Programm frei ihre Meinung sagen könnten. Für die Kritik der Klägerin sei kein Gericht zuständig, sondern der jeweilige Rundfunkrat. Die Frau solle dort einfach Programmbeschwerden einreichen.

Die Anwälte der Klägerin hielten dagegen, daß 99,7 Prozent aller Programmbeschwerden bei ARD, ZDF und Deutschlandradio derzeit abgewiesen werden. Daher sei das ein völlig untaugliches Instrument.
Nach Einlassungen der Richter erwarten Beobachter, daß der ÖRR per Urteil verpflichtet werden könnte, ein neues Instrument zu schaffen, mit dem man die Ausgewogenheit und Neutralität besser überprüfen kann. Allerdings betonte der Vorsitzende Richter auch, die Maßstäbe für eine mögliche Verletzung des Medienstaatsvertrages lägen sehr hoch. Und die Klägerin müsse beweisen, daß die Ausgewogenheit tatsächlich nicht bestehe.
Das Gesamtprogramm muß einseitig sein
Es reiche nicht, einzelne Beiträge oder Sendungen zu benennen. Vielmehr müßte das Gesamtprogramm der Einseitigkeit überführt werden. Dagegen hielten die Anwälte der Klägerin, es könne nicht Aufgabe einer Einzelperson sein, 40 Millionen Programmminuten im Jahr auszuwerten. Vielmehr sei es Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender, nachzuweisen, daß sie den Auftrag inklusive Meinungspluralität erfüllen.
Ob sich das Gericht umstimmen läßt, wird es am 15. Oktober um 14 Uhr verkünden. Gegen das Urteil ist dann noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht möglich. (fh)