BRÜSSEL. Die italienische EU-Abgeordnete Ilaria Salis behält ihre Immunität. Der Rechtsausschuß des Europäischen Parlaments lehnte am Dienstag einen Antrag ungarischer Behörden auf Aufhebung ab. Damit bleibt die 39jährige vorerst vor einer Strafverfolgung in Budapest geschützt.
Salis war im Februar 2023 wegen schwerer Angriffe auf politische Gegner in Ungarn festgenommen und mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft gehalten worden. Ihr werden Beteiligungen an Attacken einer linksextremen Gruppe vorgeworfen, die Verbindungen zur sogenannten Hammerbande um Lina E. haben soll (JF berichtete). Mehrere Opfer erlitten Knochenbrüche und andere Verletzungen.

Im Juni 2024 wurde die Lehrerin für das linksradikale Bündnis „Alleanza Verdi e Sinistra“ ins Europaparlament gewählt (JF berichtete). Mit Beginn ihres Mandats erlangte sie Immunität und kam aus der Haft frei. In Ungarn drohen ihr im Falle einer Verurteilung bis zu elf Jahre Gefängnis.
„Schwarzer Tag für die parlamentarische Glaubwürdigkeit“
Scharfe Kritik an der Entscheidung kam aus der ESN-Fraktion. Die Abgeordnete Mary Khan (AfD) sprach von einem „schwarzen Tag für die parlamentarische Glaubwürdigkeit“. Die „linke Hälfte des Parlaments“ sei bereit, linksextreme Gewalt zu verteidigen. Wer wegen schwerer Straftaten angeklagt sei, dürfe sich nicht mit Hilfe politischer Mehrheiten dem Rechtsstaat entziehen. Die Entscheidung des Ausschusses sende ein fatales Signal, insbesondere an die Opfer linksextremer Gewalt.
Khan warf dem Parlament außerdem vor, auf dem linken Auge blind zu sein. „Erst wurde der Fall über ein Jahr verzögert, obwohl die Anhörung bereits erfolgt ist, dann wurde die heutige Abstimmung im Geheimen vollzogen“, kritisierte die Abgeordnete aus Deutschland. Ihrer persönlichen Einschätzung nach wollten auch Teile der EVP Salis vor Ermittlungen schützen, um gegen die Regierung von Viktor Orbán vorzugehen.
Orbán kritisiert doppelte Maßstäbe
Ungarns Regierung hatte wiederholt die Auslieferung von Salis gefordert und das Europaparlament für seine Haltung kritisiert. Ministerpräsident Orbán warf Brüssel vor, mit zweierlei Maß zu messen und linksextreme Straftäter zu begünstigen. Eine endgültige Entscheidung im Plenum des Parlaments gilt nach der Ausschußablehnung als unwahrscheinlich.
Auf der Sitzung des Rechtsausschusses standen neben dem Fall Salis mehrere weitere Immunitätsverfahren auf der Tagesordnung. So befaßten sich die Abgeordneten auch mit Anträgen gegen den Polen Michał Dworczyk, den Ungarn Péter Magyar sowie den Deutschen Petr Bystron. Zudem ging es um die Prüfung von Mandaten und laufende Rechtsstreitigkeiten, an denen das Europaparlament beteiligt ist. (sv)