BERLIN. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Frauke Brosius-Gersdorf indirekt den Rückzug ihrer Kandidatur für einen Richterposten am Bundesverfassungsgericht nahegelegt. „Frau Brosius-Gersdorf macht sich bestimmt Gedanken, wie sie mit dieser Situation umgeht“, sagte der CSU-Politiker in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen und mahnte: „Als Bewerberin für eine Position im Verfassungsgericht hat man wohl kaum die Intention, die Polarisierung in der Gesellschaft weiter zu befördern.“
Laut Dobrindt könnten Bewerber um das Richteramt durchaus ausgetauscht werden. „In einem politischen Auswahlprozeß kann es zu einer Veränderung der Kandidaten kommen.“ Dennoch machte der Innenminister deutlich, an der weiteren SPD-Kandidatin, Ann-Katrin Kaufhold, festhalten zu wollen, da „zwei der drei Kandidaten mehrheitsfähig“ seien.
Gemeint war neben Kaufhold der Kandidat des Bundesverfassungsgerichts, Günter Spinner, den die Union als ihren Bewerber übernommen hatte. Der ursprüngliche Vorschlag von CDU/CSU, Robert Seegmüller, war mutmaßlich zu migrationskritisch und hätte bei einer Abstimmung im Bundestag voraussichtlich nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten.
Dobrindt nimmt Spahn in Schutz
Vor diesem Hintergrund räumte Dobrindt Fehler bei der Auswahl der Richterkandidaten ein. „Daß dieser Bewerbungsprozeß als Ganzes nicht optimal gelaufen ist, ist für alle erkennbar.“ Dennoch habe sich der Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, „koalitionskonform verhalten“. Ihm könne man bei dem Eklat keinen Vorwurf machen.
Dobrindt zufolge sei entscheidend gewesen, ob „es am vergangenen Freitag eine Mehrheit für Frau Brosius-Gersdorf gegeben“ hätte. „Mein Eindruck ist – nein, es hätte nicht gereicht“, betonte der 55jährige. „Das hätte man in den Tagen vorher erkennen können.“
Bundesverfassungsgericht sei nicht beschädigt
Absehbar sei die verschobene Richterwahl durch im Vorfeld entstandene „Debatten über die Kandidatin in den Wahlkreisen, in der Gesellschaft“ und durch Beschwerdeschriften von Bürgern sowie in der Empörung seitens der Kirche. Dobrindt gab zu: „All dies hat Wirkung entfaltet.“ Jedoch sehe er nicht, „daß das Verfassungsgericht dadurch beschädigt ist“.
Zuvor war die Wahl aller drei Richterkandidaten für das Bundesverfassungsgericht verschoben worden und damit vorerst gescheitert. Der Widerstand in der Unionsfraktion hatte sich durch die mediale Aufmerksamkeit um Brosius-Gersdorf immer mehr erhärtet, so daß keine garantierte Zustimmung für die Juristin gewährleistet werden konnte.
Söder positioniert sich gegen Brosius-Gersdorf
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte auch künftig die Wahl von Brosius-Gersdorf als sehr unwahrscheinlich beschrieben. Demnach sehe er „kaum mehr eine Möglichkeit“, wie die Professorin noch nach Karlsruhe entsendet werden könne.
Söder sprach wegen Brosius-Gersdorfs Positionen im Stern von einer möglichen „Befangenheit“, die dem höchsten deutschen Gericht schaden könne. Im Gespräch mit Markus Lanz beteuerte die SPD-Kandidatin, an ihrer Nominierung nicht festhalten zu wollen, sobald der Streit um ihre Personalie drohe das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts zu beschädigen. (rsz)