MAINZ. Mehrere Verfassungsrechtler haben sich gegen den Einstellungsstop für AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst in Rheinland-Pfalz ausgesprochen. „Ein pauschaler Ausschluß von Parteimitgliedern aus dem Staatsdienst ist verfassungsrechtlich nicht möglich“, mahnte Volker Boehme-Neßler von der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg im Cicero. Dabei verglich er die Maßnahme mit dem gegen mutmaßliche Kommunisten angewandten „Radikalenerlaß“ aus den 1970ern und betonte, die AfD sei weder kurz davor, den öffentlichen Dienst zu „unterwandern“, noch, den Staat zu übernehmen.
Kritik kam auch von Joachim Wieland. „Die Frage, ob jemand geeignet ist, muß in jedem Fall einzeln entschieden werden“, sagte der Professor der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer dem SWR. AfD-Mitglieder pauschal von einer Einzelfallprüfung auszuschließen sei demnach unzulässig. „Es kann dabei herauskommen, daß jemand Mitglied der AfD ist und trotzdem deutlich machen kann, daß er fest auf dem Boden der Verfassung steht.“ Politisch aber werde auf juristische Feinheiten oft nicht Bezug genommen.
AfD-Berufsverbot in Rheinland-Pfalz bisher einzigartig
Laut Wielands Fachkollege Josef-Franz Lindner von der Universität Augsburg habe der für die Regelung verantwortliche Landesinnenminister Michael Ebling (SPD) übers Ziel hinausgeschossen. „Wenn die Verwaltungsvorschrift tatsächlich so umgesetzt wird, daß es keine Einzelfallprüfung gibt, wäre das ganz klar verfassungswidrig“, warnte er gegenüber dem SWR. Christoph Gröpl von der Universität des Saarlands fügte hinzu, in einer „funktionierenden Demokratie“ müsse es jedem erlaubt sein, einer nicht verbotenen Partei beizutreten. „Das gilt auch für die AfD.“
Vergangenen Donnerstag hatte Ebling das Verbot von Neueinstellungen für Mitglieder der Partei sowie deren Aufnahme in die Liste extremistischer Gruppierungen und Organisationen angekündigt. Demnach müßten alle Bewerber erklären, daß sie der Partei in den letzten fünf Jahren nicht angehört haben. Auch kündigte der SPD-Innenminister an, eine „umfassende Zuverlässigkeitsprüfung“ für Polizeidienstanwärter einzuführen. „Extremismus, gleich welcher Form, ist mit dem Status als Beamter unvereinbar.“ Auf SWR-Nachfrage fügte das Ministerium hinzu, eine Einzelfallprüfung wie von den Staatsrechtlern gefordert sei nicht vorgesehen.
Rheinland-Pfalz wäre das erste Bundesland, das den AfD-Mitgliedern pauschal den Zugang zum öffentlichen Dienst verwehren würde. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte Ende Juni angekündigt, die Partei künftig in einem ähnlichen Verzeichnis des Ressorts aufzuführen. Gleichwohl stellte er klar, „im Einzelfall“ näher zu prüfen, ob der Bewerber tatsächlich geeignet sei. „Für diese Einzelfallentscheidung können dann beispielsweise auch weitere verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse abgefragt und einbezogen werden.“ (kuk)