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JF-Interview: Bevor der SWR doxen konnte

JF-Interview: Bevor der SWR doxen konnte

JF-Interview: Bevor der SWR doxen konnte

Twitter-Account von Critical Cat und Catharina Schmieder: Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Foto: Screenshot/JF /// Privat
Twitter-Account von Critical Cat und Catharina Schmieder: Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Foto: Screenshot/JF /// Privat
Twitter-Account von Critical Cat und Catharina Schmieder: Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Foto: Screenshot/JF /// Privat
JF-Interview
 

Bevor der SWR doxen konnte

Um einen möglichen Doxing-Versuch im Keim zu ersticken, beschließt Katharina Schmieder, ehemalige Mitarbeiterin des SWR, die Anfrage ihrer ehemaligen Kollegen an die Öffentlichkeit zu tragen. Die JUNGE FREIHEIT spricht mit der Freien Journalistin.
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Frau Schmieder, wie haben Sie die Anfrage des SWR im Kontext Ihrer bisherigen Tätigkeit und Ihrer Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) empfunden?

Katharina Schmieder: In der Anfrage ist von „Haß im Netz“ die Rede. Ich kritisiere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sachlich für Fehler im Programm, insbesondere bei Problemen hinsichtlich der Transparenz. Damit meine ich, daß Politiker oftmals nicht als diese gekennzeichnet werden. Unter Haß verstehe ich etwas anderes. Bei der Lektüre dieser Anfrage werde ich das Gefühl nicht los, daß es sich um einen Einschüchterungsversuch handelt.

In der E-Mail des SWR wurde eine Verbindung zwischen Ihnen und den Kanälen „Critical Cat“ und „Critical_Cat3000“ hergestellt. Empfinden Sie das als Versuch, Ihre Anonymität gezielt zu untergraben?

Schmieder: Grundsätzlich bin ich kein anonymes Phantom. Wer mich kennt, findet mich im Netz. Bei meinen Accounts handelt es sich um private Äußerungen, die sich weitestgehend auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beziehen. Das scheint den Kollegen vom SWR nicht zu schmecken.

Obwohl Sie ebenfalls unter Ihrem Klarnamen veröffentlichen, handhaben Sie Ihre Social-Media-Aktivitäten „als Hobby“, wie Sie in einem bereits erschienen Tweet gesagt haben sollen. Warum halten Sie es für wichtig, dort unter einem Pseudonym aufzutreten?

Schmieder: Ich habe entschieden, privates und berufliches auseinanderzuhalten. Gleichermaßen staune ich über die zahlreichen Accounts von ÖRR-Journalisten, die „rein privat hier“ in ihre Bio schreiben und das Profilbanner mit den Logos ihrer Sender schmücken. Posten diese Personen dann ihre privaten Vorlieben für die beispielsweise die Grünen, fällt es den Lesern schwer, diese Äußerungen von der beruflichen Rolle zu trennen.

Sehen Sie in der SWR-Anfrage einen gezielten Versuch, Sie öffentlich bloßzustellen – ähnlich wie es Jan Böhmermann kürzlich mit dem YouTuber „Clownswelt“ getan hat? Wenn ja, wieso sollten Sie deren Zielscheibe sein?

Schmieder: Ich komme nicht umhin, in dieser Vorgehensweise ein Muster zu erkennen: Die Methode Böhmermann. Meine Reichweiten sind verhältnismäßig klein im Vergleich zu Clownswelt, sie sind irrelevant für den öffentlichen Diskurs. ÖRR-Kritik ist ein Nischenthema, aber sie trifft offensichtlich einen Nerv. Grundsätzlich würde ich mich freuen, wenn die von mir adressierten Mängel behoben werden würden und wir in einen konstruktiven Diskurs mit dem ÖRR gehen könnten. Offensichtlich ist das nicht möglich.

Clownswelt war ja grundsätzlich anonym. Wieso würden Sie Ihren Fall, sollte der SWR tatsächlich doxen wollen, mit dem von Clownswelt vergleichen?

Schmieder: Die Parallelen sind, daß Clownswelt und ich Content produzieren, den der ÖRR nicht mag. Clownswelt ist bekannt für politischen Kommentare und Analysen, die unterhaltsam aufbereitet sind. Ich konzentriere mich auf Medienkritik. Diese kommt betont sachlich daher. Wie es ausschaut, möchte man sich aber nicht mit den Inhalten auseinandersetzen, sondern man deklariert das pauschal als „Haß im Netz“.

Glauben Sie, daß öffentlich-rechtliche Sender wie der SWR systematisch Kritiker identifizieren und diskreditieren wollen?

Schmieder: Der ÖRR pflegt einen außerordentlich fragwürdigen Umgang mit Kritikern, das ist nicht neu. Selbstverständlich spricht man uns ab, daß wir richtig liegen, mit dem, was wir vorbringen. Ein Beispiel: Im Zuge der „Demos gegen Rechts“ interviewte der Hessische Rundfunk eine Mitarbeiterin und gab diese als Aktivistin aus. Als diese Täuschung von mehreren Medien aufgegriffen wurde, änderte die Anstalt den Beitrag in der Mediathek und tat diesen Vorfall als eine Art Versehen ab. Jedoch dokumentieren wir unzählige Vorfälle dieser Art, die weder im Programm noch in der Mediathek korrigiert werden. In seltenen Fällen wird auf einer Korrekturseite, die kaum frequentiert ist, auf einen Fehler hingewiesen. Ich bewerte diese Praxis als unfair gegenüber dem zahlenden Publikum.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach politische Haltung bei der Berichterstattung und Themenauswahl im öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Schmieder: Haltung ist eine Meinung. Und diese muß nicht sagen, was ist. Haltungsjournalismus mündet in Aktivismus. Anja Reschke vom NDR ist ein Beispiel für eine überzeugte Haltungsjournalistin, sie schrieb ein Buch mit dem imposanten Titel „Haltung“. Meiner Überzeugung nach sollte Haltungsjournalismus nicht im ÖRR verortet sein, den wir bezahlen müssen. Heutzutage empfinden viele Menschen ein Störgefühl, was den öffentlichen Rundfunk betrifft. Viele sehen ihre Lebensrealitäten nicht mehr im Programm der Anstalten abgebildet. Diese Schieflage verorte ich in zu viel Haltungsjournalismus zugunsten linker und aktivistischer Positionen. Gleichzeitig tut sich Vakuum auf, hinsichtlich des Meinungsspektrums, das den Mehrheiten in diesem Land entspricht. Bei privaten Medien habe ich damit kein Problem – dort ist der richtige Ort für Haltung und Meinung.

Sie waren in der Vergangenheit für Julian Reichelts Portal NIUS tätig – sehen Sie Ihre heutige kritische Haltung gegenüber dem ÖRR auch als Folge davon?

Schmieder: Keineswegs – meine Arbeit reicht länger zurück, als es NIUS gibt. Zudem denke ich, daß sich Akteure des öffentlichen Rundfunks generell mäßigen sollten, wenn diese private Medien kritisieren, oftmals eben leider diffamieren. Auch Mitarbeiter von NIUS, der Jungen Freiheit oder vom Springer Verlag zahlen Rundfunkbeitrag.

Wie bewerten Sie den Paragraphen 126a StGB im Kontext journalistischer Recherchen – insbesondere, wenn personenbezogene Daten ohne Zustimmung publik gemacht werden?

Schmieder: Ich halte es für falsch und niederträchtig, sensible Daten mit dieser Intention zu publizieren. Im Fall Clownswelt haben sich die Verantwortlichen bewußt dazu entschieden, weil man diesen Youtuber an den Pranger stellen wollte. Der Grund: er produziert Videos, die den Leuten beim ZDF und der Zeit nun mal nicht gefallen. Inwiefern der Paragraph 126a StGB dort Anwendung finden wird, werden wir sehen. Das ZDF hat jedenfalls noch mal bekräftigt, keine Probleme in dem Beitrag zu sehen.

Würden Sie sagen, daß eine Grenze überschritten wird, wenn Journalisten unter dem Deckmantel einer „Doku-Anfrage“ gezielt private Verbindungen herstellen?

Schmieder: Ich habe mich mit einigen Influencern unterhalten, die bewußt mit dieser Masche getäuscht wurden. Oftmals haben diese Leute umfangreiche Fragenkataloge erhalten und haben diese sorgfältig und detailliert beantwortet. Sie dachten, daß sich der ÖRR für ihre Positionen interessieren würde. Diese Antworten und ausgeführten Standpunkte fanden in den Programmen keine Beachtung und man kaprizierte sich in der Darstellung darauf, diese Influencer zu diskreditieren. Wenn die Geschichte vorher schon feststeht, die man über diese Protagonisten erzählen will, erübrigen sich diese Fragenkataloge. Sie dienen der Täuschung und sollen den Protagonisten offenbar nicht die Möglichkeit eröffnen, ihre Sichtweisen darzulegen.

Was wünschen Sie sich im Umgang mit kritischen Stimmen wie Ihrer von öffentlich-rechtlichen Medien in Zukunft?

Schmieder: Doxing scheint für den öffentlichen Rundfunk ein neues Genre zu sein – ein probates Mittel, um diejenigen zu bestrafen, die unliebsame Meinungen aussprechen. Ich halte das für einen neuen Tiefpunkt im Programm von ARD und ZDF. All das hat mit dem Auftrag der Anstalten nichts mehr zu tun. Zunächst wünsche ich mir, daß der ÖRR radikal reformiert wird, dazu gehört die Abschaffung des ZDF. Vereinzelte Formate, wie Markus Lanz, können woanders platziert werden. Ich würde es begrüßen, wenn meine Mitstreiter und ich in einen Diskurs mit den Verantwortlichen gehen könnten. Sollte das nicht möglich sein, sollten wir keineswegs als Feinde markiert und gedoxt werden.

 


Katharina Schmieder alias Critical Cat arbeitet als freie Journalistin und war als Redakteurin beim SWR tätig. Heute ist sie bekannt für ihre aufwendige Recherche, in welcher sie Politiker entlarvt, die sich als Demo-Teilnehmer oder Interview-Partner, die angeblich Passanten oder einfache Zuschauer einer Sendung sind, ausgeben. In diesem Zusammenhang kooperiert sie mit ÖRR-Blog, einem X-Account, der sich kritisch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Schmieder ist der festen Überzeugung, daß Politiker in Interviews im politischen Zusammenhang sich auch als solche kenntlich machen müssen.

Twitter-Account von Critical Cat und Catharina Schmieder: Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Foto: Screenshot/JF /// Privat
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