BERLIN. Der Historiker Andreas Rödder hat Spekulationen über seinen Austritt aus der CDU entfacht. In einem Gespräch mit der Welt sagte er, Parteichef Friedrich Merz müsse in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD „so viel Politikwechsel durchsetzen wie möglich“.
Auf die Entgegnung des Interviewers, daß es danach nicht aussehe und ob er sich vor diesem Hintergrund in seiner Partei noch wohlfühle, kritisierte Rödder: „Ich habe ein Problem.“ Die Frage, welche Konsequenz er daraus ziehe, beantwortete der frühere Leiter der CDU-Grundwertekommission so: „Darüber denke ich gerade nach.“
Zuletzt waren aus Protest gegen Merz‘ Wählertäuschung zahlreiche Kommunalpolitiker aus der CDU ausgetreten. Ob er seiner Partei ebenfalls den Rücken kehren wolle, sagte Rödder nicht explizit. Aber offenbar fließt dieser Gedanke in seine Erwägungen ein. Denn außer seinen Mitgliedsausweis abzugeben, kann er kaum Konsequenzen ziehen. Er bekleidet kein Amt in der Partei, von dem er zurücktreten könnte.
Rödder: „Enorme Gefahr für unsere Demokratie“
Bis September 2023 war der Geschichtsprofessor von der Universität Mainz Vorsitzender der CDU-Grundwertekommission. Diese sollte eine Rückkehr zu den auch konservativen Wurzeln der Partei ausloten und programmatisch begleiten. Merz selbst hatte den heute 57jährigen nach seiner Wahl zum CDU-Chef dazu berufen. Als Rödder auch CDU-geführte Minderheitsregierungen ohne Absprachen mit der AfD ins Spiel brachte, geriet er unter heftigen Beschuß seiner Partei. Er legte daraufhin den Vorsitz der Kommission nieder.
In dem aktuellen Interview mit der Welt kritisierte er den Richtungswechsel der Union nach der Wahl und das Aufgeben von Verhandlungspositionen in den Koalitionsverhandlungen scharf: „Ich sehe darin eine enorme Gefahr für die Union und auch für unsere Demokratie.“
Löse die Union die geweckte Erwartung auf einen Politikwechsel nicht ein, „erzeugt sie nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem der Partei“, so Rödder: „Sie verstärkt auch die Vertrauenskrise der Bevölkerung in politische Institutionen, die nicht liefern.“ Dies könne „zu einer Systemkrise führen“.
In babylonischer Gefangenschaft des links-grünen Lagers
Mit der Entscheidung des abgewählten Bundestags, die Verfassung für die Schuldenorgie zu ändern, habe die Union die Legitimität verletzt: „Den Vertrauensverlust, der mit diesem Manöver verbunden war, haben viele, die dieses Milliardenpaket geschnürt haben, offenbar nicht vor Augen gehabt.“ Rödder sprach von „Wählertäuschung“.
Der Historiker kritisierte auch die Brandmauer gegen die AfD: „Ich halte die Unvereinbarkeitsbeschlüsse generell für ein Problem.“ Er rede weder von Koalition noch von Kooperation, „aber ich plädiere für eine konditionierte Gesprächsbereitschaft, die klare Grenzen in der Sache, im Stil und auch gegenüber radikalen Personen zieht“.
Die Absage an die AfD machte Rödder dennoch für den derzeitigen Zustand der Union verantwortlich: „Die Brandmauer ist der eiserne Käfig, in dem das links-grüne politische Lager die Union in babylonische Gefangenschaft genommen hat. CDU und CSU haben keinen anderen Partner als die SPD. Das macht die SPD so unglaublich stark.“ (fh)