WASHINGTON. Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, den Gazastreifen „übernehmen“ zu wollen, hat breite internationale Kritik auf sich gezogen, auch aus Deutschland. „Eine Vertreibung der palästinensischen Zivilbevölkerung aus Gaza wäre nicht nur inakzeptabel und völkerrechtswidrig“, teilte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit. „Dies würde auch zu neuem Leid und neuem Haß führen.“ Baerbock nannte Trump dabei nicht beim Namen.
Zuvor hatte sich BSW-Chefin Sahra Wagenknecht bei X über die „menschenverachtenden“ Pläne Trumps empört und gefragt: „Wo bleibt der Aufschrei der deutschen Politik?“ Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schaltete sich ein. „Ich höre in der Region nur Bedenken“, sagte er laut der Deutschen Presse-Agentur bei einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. in Amman.
Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, distanzierte sich ebenfalls. Trumps Plan laufe auf „Landraub, ethnische Säuberung und Kolonialismus“ hinaus, sagte er dem Tagesspiegel. Roth ist für seine pro-israelische Haltung bekannt.
Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft äußert Kritik
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, führte aus, Trumps Vorhaben ignoriere das Völkerrecht. „Freiwillig werden die Palästinenser den Gazastreifen nicht verlassen. Unfreiwillig wäre es eine ethnische Säuberung.“ Trumps Vorstoß sei aber „ein Signal dafür, daß die USA in der Gaza-Frage eine aktivere Rolle beanspruchen werden“.
Anders äußerte sich Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Es ist gut, daß die USA Verantwortung übernehmen, sich der Zukunft des Gazastreifens widmen und sich schon jetzt zu einem langfristigen Wiederaufbauengagement bekennen“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Die Union teile die Analyse, „daß der bisherige Status quo langfristig nicht haltbar ist“.
Auch in den USA äußerten Politiker Kritik. „Er hat völlig den Verstand verloren“, schrieb der demokratische US-Senator Chris Murphy bei X über Trump. „Eine Invasion des Gazastreifens würde zum Tod Tausender US-Soldaten und zu jahrzehntelangen Kriegen im Nahen Osten führen.“ Der republikanische Senator Lindsey Graham mahnte laut US-Berichten, die meisten Menschen in seinem Bundesstaat South Carolina wären wahrscheinlich nicht begeistert, Amerikaner nach Gaza zu senden.
Israelische Politiker formulieren Zustimmung
Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses, lobte dagegen Trump für seinen „mutigen Vorstoß“. „Wir haben Hoffnung, daß dies der Region die dringend benötigte Stabilität und Sicherheit bringt“, schrieb er bei X. US-Außenminister Marco Rubio erklärte, die USA stünden bereit, „Gaza wieder schön zu machen“.
In Israel stieß Trumps Idee auf viel Zustimmung, löste aber auch Fragen aus. Außenminister Gideon Sa’ar sagte, Gaza habe in seiner bisherigen Form keine Zukunft. „Eine andere Lösung muß gefunden werden – und das ist, was Trump zu tun versucht.“ Oppositionsführer Jair Lapid sprach laut Times of Israel im Armeeradio von einer „guten Pressekonferenz für den Staat Israel“, sagte aber auch, man müsse sich die Details des Plans anschauen.
Besonders laut jubelte der vorherige Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir: „Donald, das sieht nach dem Anfang einer wunderschönen Freundschaft aus“, schrieb er bei X. Ben-Gvir entstammt dem sogenannten Kahanismus, einer ideologischen Strömung in Israel, die sich für die Umsiedlung der Palästinenser einsetzt. Er tritt für die Wiederbesiedlung des Gazastreifens durch Israelis ein.
Palästinensische Autonomiebehörde warnt
Derweil wies die Palästinensische Autonomiebehörde Trumps Vorhaben zurück. „Wir werden nicht zulassen, daß die Rechte unseres Volks, für die wir seit Jahrzehnten kämpfen und Opfer bringen, verletzt werden“, sagte Präsident Mahmud Abbas. Sami Abu Zuhri, ein Vertreter der mit der Autonomiebehörde konkurrierenden Hamas, warnte gegenüber Reuters, Ideen wie die von Trump könnten die Region entzünden.
Trump hatte am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt, die USA wollten den durch den Krieg mit Israel verheerten Gazastreifen „übernehmen“, aufräumen und eine „Riviera im Nahen Osten“ daraus machen. Die Palästinenser sollten umgesiedelt werden und auch nicht unbedingt zurückkehren.
Als mögliche Ansiedlungsländer für die Palästinenser hatte Trump bereits zuvor Jordanien und Ägypten genannt. Beide Länder haben betont, dafür nicht zur Verfügung zu stehen. Trump reagierte darauf mit der Bemerkung, sie würden die Palästinenser sehr wohl aufnehmen. Am Dienstag verwies er zudem darauf, daß auch Mexiko und Kanada zuletzt in anderem Zusammenhang auf seinen Druck reagierten, nachdem er die Einführung von Zöllen angekündigt hatte. (ser)