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Wüste Beschimpfungen: So lief die historische Bundestagsdebatte über ein AfD-Verbotsverfahren

Wüste Beschimpfungen: So lief die historische Bundestagsdebatte über ein AfD-Verbotsverfahren

Wüste Beschimpfungen: So lief die historische Bundestagsdebatte über ein AfD-Verbotsverfahren

Enrico Komning (AfD, l-r), Sicherheitsbeauftragter der Fraktion, Beatrix von Storch (AfD), stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Kaufmann (AfD) und Stephan Brandner (AfD, vorne Mitte), Bundestagsabgeordneter, nehmen an einer Sitzung im Plenarsaal des Bundestages teil. Der Bundestag befasst sich mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD.
Enrico Komning (AfD, l-r), Sicherheitsbeauftragter der Fraktion, Beatrix von Storch (AfD), stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Kaufmann (AfD) und Stephan Brandner (AfD, vorne Mitte), Bundestagsabgeordneter, nehmen an einer Sitzung im Plenarsaal des Bundestages teil. Der Bundestag befasst sich mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD.
AfD-Abgeordnete während der Debatte: Sie kontern scharf Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert
Wüste Beschimpfungen
 

So lief die historische Bundestagsdebatte über ein AfD-Verbotsverfahren

So viel Nazikeule war selten: Erstmals diskutiert der Bundestag ein Verbot der AfD. Die Stimmung ist aufgeheizt, AfD-Politiker kontern die Forderung scharf. Die Grünen nutzen die Debatte für Angriffe auf die Union.
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BERLIN. Erstmals hat der Bundestag eine Debatte darüber geführt, ob ein Verbotsverfahren einer dort vertretenen Oppositionspartei eingeleitet werden sollte. Hintergrund war ein Antrag, der federführend vom CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz eingebracht wurde. Ebenfalls stand ein Antrag von Grünen-Politikern auf der Tagesordnung, der den Bundestag aufforderte, ein solches Verfahren zu prüfen.

Wanderwitz warf der AfD vor, sie seien „Verfassungsfeinde, Menschenfeinde und Feinde der Demokratie“. Er berief sich dabei auf ein Gutachten weitgehend unbekannter und linker Staatsrechtler. Auch die Befreiung von Auschwitz führte der Politiker ins Feld. „Wir denken darüber nach, wie es dazu kam. Auschwitz mahnt, wie fragil die Zivilisation ist.“

Die „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ hätten ein Parteienverbot mit guten Gründen ermöglicht. Die AfD sei „demokratievergiftend“, sagte der Politiker, der seinen Wahlkreis an die AfD verloren hatte. „Dieses scharfe Schwert wollen wir ziehen“, sagte er mit Blick auf das Grundgesetz. Es gebe eine „historische Verantwortung“, diese „rechtsextremistische Partei loszuwerden“.

„Viele Menschen haben Angst vor Rechtsruck“

Auch Carmen Wegge von der SPD schlug in diese Kerbe: „Nur weil eine Partei wählbar ist, heißt es nicht, daß sie demokratisch ist.“ Die AfD sei menschenfeindlich und „LGBTQ-feindlich“. Empört zeigte sie sich, daß die Partei „Remigration“ fordere. „Viele Menschen haben Angst vor Rechtsruck“, sagte Wegge und verwies auf angebliche Bekannte, die das auch so sehen würden.

Skeptisch zeigte sich dagegen der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle. Die AfD nannte er ein „Organ hybrider Kriegsführung durch Rußland und China“. Dennoch spreche die Partei offenbar die Sorgen und Probleme von Bürgern an, die man nicht ignorieren könne. „Immer mehr Menschen entfremden sich von Demokratie“, warnte der FDP-Mann. Dies würde durch ein Verbotsverfahren noch stärker. Zudem gebe es keine Garantie, daß ein Verbotsantrag zum Erfolg führe. Es brauche stattdessen ein Gespräch mit den Wählern „auf Augenhöhe“, damit „wir alle als Problemlöser wahrgenommen werden“. Er wies zudem daraufhin, daß es die Möglichkeit eines Parteienverbots in den meisten Demokratien gar nicht gebe.

Grünen-Politikerin tobt

Grünen-Einpeitscherin Renate Künast empörte sich, es könne nicht sein, „daß NPD zu klein ist für ein Verbot und AfD zu groß“. Der AfD warf sie vor, eine Gewaltherrschaft errichten zu wollen. Beweise dafür blieb sie in ihrer Rede allerdings schuldig. Laut Künast würden Bildung und Waffenrecht kein Garant dafür sein, die AfD kleinzukriegen. Zudem warf sie der Partei vor, Deutschland lächerlich zu machen.

Als erster Redner für die AfD ergriff Peter Boehringer das Wort. Er erinnerte daran, daß die anderen Parteien nach dem ersten Einzug in den Bundestag angekündigt hätten, die AfD „inhaltlich zu stellen“. Doch stattdessen habe es nur Lügen und Framing gegeben. „Nicht einmal eine Einstufung als Verdachtsfall ist rechtskräftig“, betonte Boehringer. Mit einem Verbot sollten rund zwölf Millionen Wähler ausgegrenzt werden.

AfD kontert scharf

Der bayerische Abgeordnete sprach davon, daß sich linke Medien, schwarz-rote Beamte und eine „Antifa-Innenministerin“ lediglich gegenseitig in ihren Einschätzungen bestätigen würden. „Unser Parteiprogramm ist vollständig untadelig.“ Also behelfe man sich mit bösartigen Argumenten. Er benannte dabei den Interessenkonflikt von Thomas Haldenwang, der als Verfassungsschutzpräsident ein AfD-Verbot vorangetrieben habe und nun für die CDU in den Bundestag wolle. Die wahren Gegner der demokratischen Grundordnung seien die Antragsteller.

Er sagte zudem, in den Anträgen werde mit „gerichtlich festgestellten Lügen“ gegen die AfD agitiert und verwies dabei auf die Correctiv-Behauptungen rund um das Potsdamer Treffen. Am Ende der Legislatur wollten einige „abgehalfterte Abgeordnete“ an ihrem Karriereende noch einmal wichtig tun, kritisierte der AfD-Mann. Das Land habe ganz andere Probleme als die „Neurosen“ der Verbotsforderer.

Verfassungsfeindlichkeit reicht für Verbot nicht aus

Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechter nutzte die Debatte, um der Union vorzuwerfen, am Mittwoch mit „Verfassungsfeinden“ gemeinsame Sache gemacht zu haben. Zugleich wies er daraufhin, daß die Hürden für ein Parteiverbot hoch seien. Die reine Verfassungsfeindlichkeit reiche dafür nicht aus.

Daß die Union die Anträge mehrheitlich ablehne, kündigte der CDU-Politiker Philipp Amthor an. Seinem Parteifreund Wanderwitz dankte er ausdrücklich für die Debatte. Viele AfD-Funktionäre seien „antisemitisch“, „rechtsextrem“ und „frauenverachtend“. Nun allerdings sei der „falsche Zeitpunkt“ für die Einleitung eines Verbotsverfahrens, weil es der AfD die Möglichkeit gebe, sich in der „Opferrolle zu suhlen“. Er glaube an die „Lösungskraft der Demokratie“. Wenn die Probleme des Landes verschwunden seien, werde auch die AfD verlieren.

Debatte über Politik kann nicht an Gerichte „delegiert“ werden

Die FDP-Politikerin Linda Teuteberg verwies in ihrer Rede auf Umfragen, wonach eine Mehrheit der Bürger ein AfD-Verbot ablehne. Man könne die politische Debatte nicht an Gerichte „delegieren“. Zudem wirke es so, als ob die Politik nicht auf die Anliegen der AfD-Wähler eingehen wolle.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Stephan Brandner, sagte, mit diesen Anträgen solle die „größte Oppositionspartei“ und die „erfolgreichste Partei“ verboten werden. Er sprach von „Frust“ wegen drohender Mandatsverluste der anderen Parteien. Dies sei „schäbig und feige“. Gegen die AfD werde mit „Mitteln der Diktatur und von Polizeistaaten“ vorgegangen. „Statt Probleme zu lösen, leben sie ihren Verbots- und Unterdrückungsfetischismus aus“, rief der AfD-Politiker. „Sie wollen uns vernichten, sie wollen Blut sehen.“

AfD-Politiker Brandner: Wir erteilen jedem Extremismus eine Absage

Die AfD sei die Partei der freien Bürger und verkörpere die Demokratie. Als Beispiel nannte er die von der Partei geforderten Volksabstimmungen. Seine Partei erteile jeder Form von Extremismus eine Absage. Im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern, die „ökofaschistische Experimente“ wollten.

Der CSU-Parlamentarier Michael Frieser bedauerte es, daß die Verfassung es nicht ermögliche, schon die Gründung einer Partei wie der AfD zu verhindern. „Verdachtsfall, durchaus“, sagte er. Doch dies reiche eben nicht aus. Die AfD stütze sich auf einen „Populismus“ und sei deswegen so etwas wie ein „Fieberthermometer“ der Demokratie. Beseitige man die Sorgen und Ängste der Bürger, verliere auch Populismus seine Grundlage.

Ricarda Lang nutzt Rede für Attacken auf CDU

Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang nutzte ihre Rede, um sich vor allem an CDU und CSU abzuarbeiten. Die Union sei zu einem „Handlanger der AfD“ geworden. CDU-Chef Friedrich Merz sei nicht würdig, ins Kanzleramt einzuziehen. Dennoch solle die Union den Anträgen zustimmen. „Demokratien sterben wegen Opportunismus und Nichtstun“, sagte Lang.

Die Linkspartei-Abgeordnete Martina Renner behauptete, es existierten „ganze Landstriche, in denen Menschen Angst haben, sich in der Zivilgesellschaft zu engagieren“. Die Bedrohung steige mit den AfD-Wahlergebnissen. Auch in der Weimarer Republik sei zu lange gewartet worden, die NSDAP zu verbieten. „Wehret den Anfängen war gestern, handeln ist heute“, forderte das Mitglied der SED-Nachfolgepartei.

BSW klar gegen ein AfD-Verbot

Scharfe Kritik am Antrag kam dagegen von der BSW-Abgeordneten Jessica Tatti. „Nicht alles, was juristisch möglich ist, ist auch juristisch klug.“ Die Regierung habe dafür gesorgt, daß die AfD überhaupt erst groß geworden sei. Sie habe sich einer sachlichen Auseinandersetzung verwehrt. „Wenn die AfD sagt, Montag beginnt die Woche, beginnt sie nicht Donnerstag.“ Das Grundproblem sei, daß keine Regierung etwas gegen Wohnungsnot und Altersarmut getan habe.

Angst, daß die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla ihm die Staatsbürgerschaft entziehen wolle, äußerte der SPD-Abgeordnete Adis Ahmetovic. Die SPD sei klüger als die AfD. Die Wähler rief er dazu auf, der Partei bei der kommenden Wahl die „Rote Karte“ zu zeigen.

Privilegierte Minderheitspartei verlangt AfD-Verbotsverfahren

Auch der Abgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbands – die Partei der dänischen Minderheit –, Stefan Seidler, verlangte die Einleitung eines Verbots der Oppositionspartei. Daß nun wieder von „Mehrheitsbevölkerung“ gesprochen werde, sei schockierend. „Wir Minderheiten spüren als Erstes, wenn die Demokratie ins Wanken gerät.“ Da der SSW von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen ist, ist der Verband immer automatisch im Bundestag vertreten. Stimmen für die Gruppierung sind somit mehr wert als die für andere Parteien, die an der Sperrklausel scheitern.

Der fraktionslose AfD-Abgeordnete Matthias Helferich betonte dagegen, mit den Anträgen wollten sich die „Antragssteller ein Denkmal setzen, bevor sie aus dem Bundestag verschwinden“. Es gehe darum, eine demokratische Oppositionspartei zu zersetzen. Ähnlich äußerte sich auch der aus der AfD ausgetretene Abgeordnete Thomas Seitz. Die Verbotsdebatte sei ein „Angriff auf die Demokratie“. Es sei die „Rache der Verlierer“, bestes Beispiel sei Wanderwitz, dem die Wähler in seinem Wahlkreis längst die Rote Karte gezeigt hätten. Nur „faschistoide Undemokraten“ würden ein AfD-Verbot befürworten.

Antrag in den Ausschuß verwiesen

Vor einem „grassierenden Faschismus“ sprach SPD-Politiker Helge Lindh. Die AfD sei „erbärmlich und unanständig“.

Über den Antrag wurde nicht abgestimmt. Er soll nun im Innenausschuß beraten werden. Daß er noch – erfolgreich – beschlossen wird, gilt in dieser Legislatur als ausgeschlossen. Er kann jedoch in anderer Form jederzeit erneut eingebracht werden, wenn sich nach den Wahlen am 23. Februar ein neuer Bundestag konstituiert. (ho)

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AfD-Abgeordnete während der Debatte: Sie kontern scharf Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert
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