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Millionen Katzen laufen frei herum: Streuner kämpfen auf der Straße ums Überleben

Millionen Katzen laufen frei herum: Streuner kämpfen auf der Straße ums Überleben

Millionen Katzen laufen frei herum: Streuner kämpfen auf der Straße ums Überleben

Eine Katze schaut ängstlich in Richtung der Kamera. Der Streuner wurde wild lebend und verwahrlost aufgegriffen und befidnet sich nun
Eine Katze schaut ängstlich in Richtung der Kamera. Der Streuner wurde wild lebend und verwahrlost aufgegriffen und befidnet sich nun
Wild lebende, verwahrloste aufgegriffene Streuner sitzen in einem Quaratänezimmer der Katzenhilfe Hannover e.V. / Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte
Millionen Katzen laufen frei herum
 

Streuner kämpfen auf der Straße ums Überleben

Millionen Straßenkatzen leiden – und richten Schäden in der Tierwelt an. Doch eine bundesweite Kastrationspflicht bleibt aus. Städte mit klaren Regeln zeigen: Es gibt Lösungen. Man müßte sie nur angehen.
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Das Lieblingshaustier der Deutschen ist – nein, nicht der Hund, sondern die Katze. Geschätzt leben fast 16 Millionen Stubentiger zwischen Nordsee und Alpen, das entspricht etwa jedem vierten Haushalt. Der Industrieverband Heimtierbedarf meldet, daß Katzenhalter jährlich 2,3 Milliarden Euro für Futter und sonstiges Zubehör ausgeben.

Katzen sind allerdings auch die häufigsten Insassen von Tierheimen und werden besonders oft Opfer von Tierquälerei. Einerseits sind Hauskatzen das häufigste Objekt von gestörten Tiersammlerinnen, andererseits werden keine anderen Heimtiere so oft ausgesetzt. Diese herrenlosen Streuner sind viel Leid ausgeliefert, verursachen aber selbst auch große Probleme in der natürlichen Tierwelt.

Der Deutsche Tierschutzbund (DTSchB) und seine regionalen Vereine schätzen, daß die Zahl der Straßenkatzen in Deutschland in die Millionen geht. Anders als beispielsweise in Italien oder Spanien gehören diese Tiere aber nicht selbstverständlich zum Straßenbild. Sie leben versteckt in Siedlungsperipherien, Industriebrachen oder Schrebergärten. Die Tiere hungern, sind von Parasiten und Infektionskrankheiten befallen, haben unversorgte Verletzungen.

Drei Viertel der Streuner sterben in den ersten Lebensmonaten

Aber sie töten auch große Bestände an Gartensingvögeln. Ein weiteres Problem ist eine Hybridisierung mit echten Wildkatzen, die zu einer Faunaverfälschung führt und den Bestand der streng geschützten Wildkatze bedroht.

Jede Straßenkatze stammt von einer nicht kastrierten Freigänger-Katze (oder entlaufenen/ausgesetzten) ab. Domestizierte Hauskatzen sind an ein Leben ohne menschliche Zuwendung nicht angepaßt. Im Gegensatz zu Wohnungskatzen, die nicht selten bis zu zwanzig Jahre alt werden, sterben drei Viertel der Streuner in den ersten Lebensmonaten an Auszehrung und Parasiten. Doch trotz geringer Lebenserwartung wächst die Population der Streuner stetig an: Katzen können zwei- bis dreimal im Jahr vier bis sechs Junge werfen.

Bei der Debatte über die Not der in Deutschland vegetierenden Straßenkatzen wird übersehen, daß nur die vielen lebenden Individuen in den Blick genommen und erfaßt werden, die verendeten Tiere tauchen dabei nicht auf. Wenn man davon ausgeht, daß pro Wurf zwei Kätzchen wegen Unterversorgung nur wenige Wochen alt werden, ist die tatsächliche Zahl der Streuner noch viel höher als geschätzt.

Fundkatzen sind wegen ihrer Menschenscheu kaum vermittelbar

Die Tierheime sind mit dem Phänomen überfordert, zumal Fundkatzen wegen ihrer Menschenscheu kaum vermittelbar sind. 2022 erlebten die Tierheime eine Schwemme von Katzen, die während der Corona-Lockdowns angeschafft wurden. Viele ehrenamtliche Tierheimmitarbeiter beklagen, daß ihnen Unterbringungsmöglichkeiten und Gelder fehlen und sie die Konfrontation mit dem drastischen Tierleid emotional sehr belastet.

Eine Umfrage unter Tierheimen belegt, daß längst nicht alle Katzen, die nach der Homeoffice-Phase plötzlich lästig wurden, in Heime abgegeben worden sind. Die Zahl der ausgesetzten Tiere dürfte sich noch einmal stark erhöht haben. Zudem sind während der Coronazeit wegen Lockdowns und Personalengpässen deutlich weniger Katzen kastriert worden.

Konsequente Kastration ist der einzige Weg, die Population der Straßenkatzen signifikant zu reduzieren und Tierleid zu verhindern. Laut Umfrage des DTSchB ist jede zehnte gehaltene Katze unkastriert, das sind über 1,5 Millionen Individuen. Von deren Haltern lehnt rund ein Viertel eine Kastration grundsätzlich ab – Tendenz steigend. Zudem haben rund vierzig Prozent der Befragten kein Verständnis für die Problematik der Straßenkatzen.

Kastrationspflicht wäre notwendig

Leider existiert keine bundesweit einheitliche Regelung: Seit Erlaß der Zuständigkeitsverordnung zum Tierschutzgesetz 2013 können die Länder selbst entscheiden, ob sie eine landesweite Kastrationspflicht für Freigänger verfügen oder dies den Kommunen und Landkreisen überlassen. Im Rahmen dieser Zuständigkeitsverordnung haben die meisten Länder die Verantwortung den Gemeinden übertragen.

Daher gilt ein regionaler Flickenteppich. Laut Umfrage des DTSchB unter lokalen Vereinen dauerte es im Durchschnitt drei Jahre, bis eine Gemeinde auf Druck örtlicher Initiativen eine Katrationspflicht für Freigängerkatzen durchsetzte. Der Tierschutzbund empfiehlt außerdem eine individuelle Kennzeichnungspflicht mit Chip, die das Aussetzen von Tieren erschwert.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die hormonelle Veränderung kommt es zu weniger Revierkämpfen und damit zu weniger Verletzungen und Infektionen sowie zu weniger weiten Wanderungen auf der Suche nach Geschlechtspartnern. Das führt schließlich zu weniger Opfern im Straßenverkehr.

In Leipzig wurde die Population gesenkt

So fällt das Fazit der Städte mit Kastrationspflicht allgemein positiv aus: In Erfurt wurde eine Kastrationspflicht bereits 2017 eingeführt, darauf sank die Zahl der neu zugelaufenen Katzen an den Futterstellen um rund ein Drittel, nachdem sie sich im Vorjahr gegenüber 2015 verdreifacht hatte. In Osnabrück gingen nach Einführung der Kastrationspflicht nicht nur die im Tierheim abgegebenen Fundkatzen zahlenmäßig stark zurück, sondern auch die Bürgerbeschwerden über streunende Katzen.

In Leipzig hat man mit dem langjährigen städtischen Kastrationsprogramm durchweg positive Erfahrungen: Es gelang nicht nur, die Population der Streuner stabil auf niedrigem Niveau zu halten, auch der allgemeine Gesundheitszustand der Katzen besserte sind. Im westfälischen Münster hingegen regt sich Widerstand gegen eine aktuell im Stadtrat diskutierte Kastrationspflicht, denn Landwirte fordern Ausnahmen.

Dabei leben laut Erhebungen des Tierschutzbundes etwa die Hälfte der Straßenkatzen im urbanen Raum in der unmittelbaren Nähe von Bauern- und Reiterhöfen. Bisher haben elf Bundesländer Katrationspflichten in weniger als 20 Prozent der Gemeinden, deutschlandweit sind es lediglich 13 Prozent. In Rheinland-Pfalz haben von 2.300 Gemeinden nur 215 eine Kastrationspflicht; in Sachsen sind es von 418 Orten ganze drei. Hier gibt es also noch viel Handlungsbedarf.

Aus der JF-Ausgabe 02/25.

Wild lebende, verwahrloste aufgegriffene Streuner sitzen in einem Quaratänezimmer der Katzenhilfe Hannover e.V. / Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte
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