ALEPPO/BERLIN. Das Auswärtige Amt hat mit Blick auf die Eroberung der syrischen Stadt Aleppo durch Islamisten alle Konfliktparteien zur Wahrung des Völkerrechts aufgerufen. Ein Sprecher des Amtes betonte, Berlin verfolge die Entwicklung genau. Er hob die Wichtigkeit hervor, im Einklang mit geltenden UN-Resolutionen eine politische Lösung zu finden. „Die derzeitige Eskalation zeigt eindrücklich, daß eine politische Lösung des Konflikts unter syrischer Führung im Einklang mit Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats dringend erforderlich ist“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Syriengesandten Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten.
Die erwähnte Resolution wurde am 18. Dezember 2015 beschlossen. Darin fordert der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Assad-Regierung müsse eine neue Verfassung ausarbeiten und innerhalb von 18 Monaten freie und geheime Wahlen durchführen.
Am vergangenen Wochenende hatten islamistische Kämpfer unter der Führung von Haiat Tahrir al-Scham („Komitee zur Befreiung Großsyriens“, HTS) die zweitgrößte Stadt Syriens eingenommen. Videos in den sozialen Medien zeigen die Eroberung der Stadt. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gab es von den Regierungstruppen um Präsident Baschar al-Assad keine nennenswerte Gegenwehr. Damit könnte der Krieg in Syrien wieder neu aufflammen. Seit 2016 stand Aleppo durchgängig unter Kontrolle der Regierung.
Rußland unterstützt Regierung Syriens
Rußland, das seit 2015 die Assad-Regierung militärisch unterstützt, flog am Wochenende erste Luftangriffe über Aleppo und anderen Teilen des Nordwestens Syriens. Nach Angaben Moskaus starben dabei mehrere hundert Aufständische. Zudem kündigte ein Sprecher der Regierung in Damaskus an, sie werde in den kommenden Tagen weitere militärische Unterstützung und Waffen aus Rußland erhalten.
Der syrische Bürgerkrieg begann 2011, als der sogenannte Arabische Frühling in dem Mittelmeerland ankam. Zunächst friedliche Demonstrationen gegen den autoritären Regierungsstil Assads wurden von der Polizei mit scharfer Munition beantwortet. In den folgenden Monaten griffen immer mehr Oppositionelle zur Waffe, darunter viele sunnitische Dschihadisten, denen die alawitische Assad-Herrscherfamilie schon länger zuwider war.
Seit Beginn des Krieges vor 14 Jahren sind schätzungsweise 600.000 Menschen gestorben, mehr als zwölf Millionen Syrer sind innerhalb des Landes oder in andere Staaten geflohen. Das Land ist konfessionell heterogen, 74 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Zwölf Prozent gehören – wie die Herrscherfamilie Assad – den Alawiten an, zehn Prozent sind Christen. Schiiten stellen zwei Prozent, Jesiden, Drusen und Juden ebenfalls. (st)