BERLIN. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat ein positives Fazit für den ersten Tag der bundesweiten Aktionswoche gezogen. „Landwirte haben heute mit rund 100.000 Traktoren in ganz Deutschland ein deutliches Zeichen in Richtung Bundesregierung gesetzt, die Steuererhöhungspläne gänzlich zurückzuziehen“, sagte Rukwied am Montagabend.
Die deutschlandweiten Demonstrationen und Blockaden liefen friedlich geordnet ab. „Das zeigt, daß es unseren Landwirten um die Sache geht“, freute sich der studierte Agrarwirt. Und weiter: „Auch der Rückhalt in weiten Teilen der Bevölkerung für unser Anliegen wurde heute auf den Straßen deutlich sichtbar.“
Kein schnelles Ende der Proteste
Frühzeitig aufhören werden die Proteste allerdings nicht. Zwar machte die Bundesregierung einige Zugeständnis bezüglich der gekürzten Steuererleichterungen, diese würden in den kommenden Jahren jedoch trotzdem greifen. „Das heißt ja am Ende Sterben auf Raten“, sagte Rukwied bei einer Klausurtagung der CSU im Kloster Seeon.
Im Verlauf des Protests am Montag erklärten die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen – Dietmar Wodike, Manuela Schwesig und Stephan Weil – ihre Unterstützung für die Forderung der Bauern. Alle drei gehören der SPD an. Am Montagnachmittag stellte sich die Linkspartei ebenfalls hinter die Forderungen der Bauern. AfD, CSU und Freie Wähler machten bereits vor Beginn der Proteste ihre Unterstützung deutlich.
Vereinzelt Strafanzeigen gegen Bauern
Unterdessen wurde bekannt, daß es bei den Demonstrationen vereinzelt zu Strafanzeigen aufgrund von Verstößen gegen das Versammlungsrecht kam, wie etwa auf einer Bundesstraße zur Insel Usedom, wie die Polizei am Montag auf X mitteilte. Mit einer Allgemeinverfügung setzte der Landkreis Vorpommern-Greifswald die Blockadezeit der Bundesstraße auf höchstens 20 Minuten fest, daran hielten sich die Bauern nicht. Die Insel wurde über mehrere Stunden blockiert. Beteiligt waren rund 50 Fahrzeuge, darunter 30 Traktoren.
In Thülsfelde in Niedersachsen ermittelt die Polizei gegen einen Autofahrer, der eine Bauernblockade über den Gehweg umfahren wollte. Dabei fuhr der zunächst flüchtige 45jährige einen Protestteilnehmer an und verletzte diesen schwer. Mit einem Hubschrauber wurde der 35jährige Verletzte in ein Krankenhaus gebracht. Mittlerweile wurde er wieder entlassen. Die Polizei ermittelt wegen versuchter Tötung. In der Uckermark kam es zu einem ähnlichen Vorfall mit zwei leichtverletzten Demonstrationsteilnehmern.
Politiker bei Bauernprotesten: Buhrufe und Applaus
Im Zuge der zahlreichen Kundgebungen der deutschlandweiten Bauernproteste sprachen auch Politiker unterschiedlicher Couleur. Der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger trat am Montag gleich dreimal auf. Dabei wurde er von den Protestteilnehmern bejubelt und umarmt. Bereits vor dem Start der Proteste nahm der bayerische Wirtschaftsminister die Bauern und Landwirte in Schutz, bezeichnete ihre angekündigten Blockaden als „Notwehr gegen eine verfehlte Politik der Ampel“.
Weniger positiv nahmen die Demonstranten in Erfurt ihren Ministerpräsidenten auf. Bereits als Bodo Ramelow (Linkspartei) als Sprecher auf der Bühne angekündigt wurde, flogen ihm Buhrufe entgegen. Im Gespräch bei MDR-Aktuell diffamierte er die Teilnehmer als Reichsbürger. Auf Videomaterial sind jedoch weder Reichsflaggen noch einschlägige Plakate zu sehen.
Bodo #Ramelow wurde auf der #Bauerndemo in #Erfurt jämmerlich ausgebuht.
Seine Diagnose: Alles #Reichsbürger.
Da kann etwas nicht stimmen. Das wären sehr viele Reichsbürger: pic.twitter.com/xwsX5ENXae
— Dr. David Lütke (@DrLuetke) January 9, 2024
Ruhiger zweiter Protesttag
Auch für Dienstag planen die Bauern Aktionen, jedoch nicht im selben Ausmaß wie am Montag, dem ersten Protesttag. Unter anderem sind Sternfahrten auf das hessische Bad Hersfeld und im Kreis Oberhavel nördlich von Berlin geplant. In Brandenburg sowie im Weserbergland sollen Mahnfeuer den Protest fortsetzen. Weitere Aktionen finden in Cottbus und Passau statt. Zu Blockaden kam es an der bayerisch-tschechischen Grenze und auf der Bundesstraße 30 rund um Ulm. Im Erzgebirge wurden Busse blockiert, weshalb Schulkinder bei minus 13 Grad den restlichen Schulweg zu Fuß antreten mußten, berichtete der MDR.
Am Mittwoch planen die Landwirte weitere zahlreiche Aktionen. Die Protestwoche soll am Montag, dem 15. Januar, in Berlin gipfeln. Dort werden 10.000 Demonstranten mit tausenden Fahrzeugen erwartet. Dem Protest haben sich auch Spediteure und Handwerker sowie weitere Selbstständige aus Familienunternehmen und dem Mittelstand angeschlossen. (sv)