Obwohl die Parlamentswahl in Polen erst am 15. Oktober stattfindet, war der 1. Oktober enorm wichtig. Am Roman-Dmowski-Rondo versammeln sich Tausende. Dort spricht Donald Tusk, Ex-Premier und Anführer der größten Oppositionspartei, der Bürgerlichen Plattform (PO). Tusk verspricht, den „polnisch-polnischen Krieg“ zwischen der PO und der regierenden PiS-Partei nach der Wahl zu beenden. Doch dann sagt er: „Wenn man den Aggressor vertreibt, gibt es keinen Kriegsgrund.“
Am selben Tag fand in Kattowitz ein Parteitag der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) statt. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beschimpfte die PO als „Dilettanten, Nieten und Trottel“. Das sind nur zwei Beispiele vom aggressiven Wahlkampf östlich der Oder. Schon im August hatte der Politikwissenschaftler Kazimierz Kik von der Jan-Kochanowski-Universität in Kielce gewarnt: „Noch gibt es keine Wahlen, doch was haben wir? Gegenseitige Beleidigungen und Drohungen“, beklagte er gegenüber dem Nachrichtenportal i.pl. Seiner Meinung nach werde das zu einer sinkenden Wahlbeteiligung führen, da sich nur noch diejenigen, „die wirklich hassen“, für eine Seite aussprächen.
Andere vermuten, das könnte gewollt sein. „Die PiS konzentriert sich in den letzten Tagen sehr deutlich auf die Mobilisierung des eisernen Elektorats“ (gemeint sind die Stammwähler), sagt der Politikwissenschaftler Rafał Chwedoruk im Gespräch mit der nationalkonservativen Wochenzeitung Do Rzeczy. Die Themensetzung der sich als nationalkonservativ verstehenden Regierungspartei zeige die Probleme, alle konservativen und rechten Wähler an ihre Seite zu ziehen.
Polens führende Oppositionskraft bleibt hinter der PiS
Seit einigen Wochen setzt sie vermehrt auf außen- und sicherheitspolitische Themen. Werbespots zielen darauf ab, die Opposition als Büttel von Berlin und Moskau darzustellen. Sozialpolitik gerät zunehmend in den Hintergrund. Das dürfte durch Umfragen motiviert sein. Eine Untersuchung des staatlichen Instituts CBOS zeigt, daß Morawieckis Kabinett seit der Verschärfung der Abtreibungsgesetze im Herbst 2020 deutlich schlechter abschneidet. Große Einbußen gab es auch bei der Bewertung der Wirtschafts- und Familienpolitik.
🇵🇱 Te wybory są o tym, czy Polska granica będzie chroniona. Czy Polska będzie bezpieczna.
15 października zagłosuj na Bezpieczną Przyszłość Polaków! #BezpiecznaPolska pic.twitter.com/VCuJgJwZ1A— Prawo i Sprawiedliwość (@pisorgpl) October 11, 2023
Doch auch das zentristische Bündnis um Tusks PO scheint von der Schwäche der Regierung nicht profitieren zu können. Zum Aufholen zur PiS fehlen je nach Institut vier bis sechs Prozentpunkte. Nur 64 Prozent der Oppositionswähler bewerten Tusks Amtszeit besser als die der aktuellen Regierung. Auch die Breite des Oppositionsbündnisses mindert die Glaubwürdigkeit Tusks. Beispielsweise verärgerte er mit seiner Kampagne zur Visa-Affäre sowie zur Bekämpfung der illegalen Migration den liberalen Flügel. „Wir können über niemanden sagen, er sei illegal“, kommentierte die linksliberale Abgeordnete Janina Ochojska, die Teil desselben Bündnisses ist, seine Aussagen. Die PiS wiederum wirft ihm Doppelmoral vor, da seine Partei 2015 dem umstrittenen EU-Verteilmechanismus für Asylbewerber zustimmen wollte.
Die rechte Opposition verkommt zur Randnotiz
Eine Hoffnung für die Liberalen können die aktuellen Umfragewerte des liberalkonservativen Bündnisses „Dritter Weg“ und des Linksbündnisses sein. Mit Werten um rund zehn Prozent werden sie definitiv ins Parlament einziehen und könnten mit Tusk selbst im Fall des zweiten Platzes eine Regierung bilden. Die rechtsgerichtete Konföderation verkam nach anfänglichen Erfolgen zur Randnotiz.
Ihr Ziel war, als drittstärkste Kraft das Zünglein an der Waage zu werden. Der Versuch, mit liberaler Wirtschaftspolitik breite Schichten zu gewinnen, brachte keine Erfolge. Hinzu kommen mehrere Blamagen der libertären Strömung. Einer von ihnen, Dobromir Sośnierz, plädierte dafür, Hundefleisch zu legalisieren. Angesichts einer Pädophilenaffäre unter polnischen Youtubern ließ Janusz Korwin-Mikke eine Debatte über die Abschaffung des Schutzalters aufflammen. Als der Ex-Präsidentschaftskandidat der Konföderation, Krzysztof Bosak, um einen Kommentar gebeten wurde, brach er das Interview ab.