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Landwirte im Regen stehen gelassen: Warum Bauern gegen Özdemir mobilisieren

Landwirte im Regen stehen gelassen: Warum Bauern gegen Özdemir mobilisieren

Landwirte im Regen stehen gelassen: Warum Bauern gegen Özdemir mobilisieren

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir steht bei den Bauern nicht hoch im Kurs, wie Proteste zeigen.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir steht bei den Bauern nicht hoch im Kurs, wie Proteste zeigen.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir steht bei den Bauern nicht hoch im Kurs, wie Proteste zeigen Foto: picture alliance/dpa | Martin Schutt
Landwirte im Regen stehen gelassen
 

Warum Bauern gegen Özdemir mobilisieren

Landwirtschaftsminister Özdemir ist bei den Bauern nicht wohlgelitten. Zwar kann er nichts für das Regenwetter, das die Ernte erschwert. Aber so manch Vorgabe aus dem Ministerium setzt gerade den kleinen Betrieben arg zu.
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In den sozialen Medien entlädt sich seit Wochen die Wut der Landwirte. Insbesondere die Politik von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) steht in der Kritik. Oftmals dienen nasse Felder als Drehort für die Wut-Videos. Nun kann man die Politik der Grünen für vieles verantwortlich machen, ihr Einfluß auf das Wetter dürfte jedoch gering sein, selbst wenn die Suche nach dem Wort „Klima“ in ihrem Bundestagswahlprogramm 195 Treffer ergibt.

Der Tropfen, der das Faß bei vielen Landwirten zum Überlaufen brachte, sind die anhaltenden Regenfälle der vergangenen Wochen, die die Getreideernte unmöglich machen, da dieses trocken sein muß, um es einzubringen. Die durch die Nässe bedingte spätere Ernte führt insbesondere beim Weizen zu Qualitätsverlusten, so daß sich dieser oftmals nicht mehr zum Backen, sondern nur noch für die Futtermittelproduktion eignet.

Es besteht zwar die Möglichkeit, das Getreide nachträglich maschinell zu trocknen, aber auch dies ist mit hohen Kosten verbunden. Für die Landwirte heißt es aktuell abwägen: Auf eine längere Trockenzeit hoffen, um das Getreide zu ernten und den etwaigen Qualitätsverlust in Kauf nehmen, auch auf die Gefahr hin, die Ernte komplett verwerfen zu müssen, da die Pflanzen bereits zu stark auskeimen; oder das nasse Getreide ernten und hohe Kosten für die Trocknung hinzunehmen.

Bauern schießen sich auf Özdemir ein

Auch der Anbau von Biokartoffeln gestaltet sich schwierig. Die anhaltende Nässe kann zu Fäule führen, gegen die die Biobauern nicht mit Spritzmitteln vorgehen können. Lediglich Mais und Zuckerrüben profitieren von den aktuellen Regengüssen.Neben den meteorologischen Gegebenheiten sorgt der Ukraine-Krieg weiter für Spannungen am Getreidemarkt und macht eine langfristige Preiskalkulation fast unmöglich.

Die Situation ist insgesamt angespannt. Aber wieso sind insbesondere die Grünen und allen voran Bundesagrarminister Özdemir Adressat der zum Teil recht ungehaltenen Videos und Beiträge der zornigen Landwirte?

Zum einen besteht große Unsicherheit bei der Ausweisung von nitratbelasteten und eutrophierten Gebieten, umgangssprachlich auch als „rote Gebiete“ bezeichnet. Ein Dauerthema, schon seit Jahren. In der Kritik steht insbesondere der große Spielraum der Länder bei der Ausweisung, das unzureichend ausgebaute und intransparente Meßstellennetz und die Abkehr vom Verursacherprinzip. Das heißt, unabhängig davon, wie ein Betrieb wirtschaftet, wenn er in einem roten Gebiet liegt, darf der Stickstoffdünger nur noch 20 Prozent unter Pflanzenbedarf ausgebracht werden.

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Dies soll einer weiteren Belastung vorbeugen, ist in der Praxis aber äußerst umstritten und führt zu starken Qualitätseinbußen. Ähnlich wie bei den Ertragsminderungen durch die späte Ernte steht man auch hier vor dem Problem, keinen hochwertigen Weizen für die Brotproduktion mehr herstellen zu können, sondern allenfalls noch Tierfutter.

Bauern entgehen Fördergelder

Doch genau hier liegt ein weiteres Problem. Die Fleischproduktion in Deutschland sinkt kontinuierlich. Im ersten Halbjahr 2023 wurde rund sechs Prozent weniger Fleisch produziert als noch im Vorjahr. Zwischen 2010 und 2020 schlossen Rund 47 Prozent der Betriebe mit Schweinehaltung ihre Pforten. Auch die Anzahl der Rinderhalter sinkt kontinuierlich.

Darüber hinaus konnte sich Özdemir lange nicht zu einer Aussetzung der Pflichtstilllegung und Fruchtfolgereglungen durchsetzen. So sind landwirtschaftliche Betriebe dazu verpflichtet, vier Prozent ihrer Anbauflächen stillzulegen und bestimmte Fruchtfolgen auf den Feldern einzuhalten. Ein Abweichen von diesen Pflichten wäre dazu geeignet, zumindest einen Teil der Mindereinnahmen wieder auszugleichen. Zwar wurde den Bauern kurzfristig zugebilligt, diese Regelungen auszusetzen, jedoch entfallen damit nicht unbeträchtliche Fördersummen für die Betriebe.

Aufgrund des kurzfristigen Zugeständnisses haben viele Landwirte das Problem, daß sie ihr Saatgut und ihre Düngemittel bereits auf Grundlage der ursprünglichen Regelungen eingekauft haben. Sie müssen jetzt schnellstmöglich für ihre Betriebe kalkulieren, ob sich der Anbau auf Stilllegungsflächen und die Änderung der Fruchtfolge überhaupt lohnen, wenn dadurch Subventionen gestrichen werden.

Bauern müssen zweitem Beruf nachgehen

Des Weiteren plant die Bundesregierung, die Mittel für die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) drastisch zu reduzieren, die „Förderung der ländlichen Entwicklung“ und die Förderung für „Ökolandbau und biologische Vielfalt“ sollen komplett entfallen. Dies führt laut Bauernverband zu empfindlichen Einschnitten im ländlichen Raum, da jeder Euro aus dem Fördertopf rund sieben Euro private Investitionen nach sich ziehen würde. Durch die Kürzung der GAK um rund 300 Millionen Euro kommt es zu einer erheblichen Minderung der Investitionen, die dem ländlichen Raum nachhaltig Schaden könnten.

Das etwas in der Landwirtschaft nicht stimmt, sieht man auch an der Entwicklung der Betriebszahlen. In den vergangenen zehn Jahren mußten jährlich rund 3.500 Betriebe in Deutschland aufgeben. Gleichzeitig steigt der Anteil der Landwirte beständig, die noch einem weiteren Erwerb nachgehen müssen. Rund die Hälfte aller Landwirte ist auf ein Zubrot angewiesen. Tendenz steigend. Überbordende Bürokratie und der Preisverfall im primären Sektor setzen vielen Landwirten zu.

Kleine Betriebe verschwinden

Besonders kleine Betriebe werden immer stärker in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Immer höhere Auflagen, insbesondere bei der Viehwirtschaft, sorgen dafür, daß sich Landwirtschaft im kleinen Maßstab oft nicht mehr lohnt. Der Strukturwandel kennt seit Jahrzehnten nur einen Trend. Immer mehr und immer größer, die großen Betriebe übernehmen die Kleinen.

Der Bauer von nebenan, der sein Land bereits seit vielen Generationen bewirtschaftet, wird mit viel Glück noch im Nebenerwerb existieren. Da wundert es nicht, daß viele Landwirte ihrem Unmut Luft machen.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir steht bei den Bauern nicht hoch im Kurs, wie Proteste zeigen Foto: picture alliance/dpa | Martin Schutt
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