Es ist nur eine schwache Anspielung. Und doch könnte man meinen, die Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht habe in diesem Moment bereits ihre Entscheidung mitgeteilt. „Ja“, sagt sie und lächelt, während ihr der Historiker Per Leo während einer Debatte auf der PhilCologne die Schwierigkeiten einer neuen Parteigründung noch einmal darlegt. Leo spricht von einer „Quadratur des Kreises“ und daß das politische Tagesgeschäft für sie dann härter werde. Ja, Leo habe die Schwierigkeiten präzise beschrieben, antwortet Wagenknecht. Doch sie wolle etwas verändern. Das klingt wie eine deutliche Ansage. Aber die Frage, ob die neue Partei kommen wird, läßt sie offen.
Sonst hält sie sich auf der Veranstaltung jedoch wenig zurück. Vor allem nicht, wenn es um den Zustand ihrer heutigen Partei geht. Die Linkspartei kümmere sich nicht mehr um soziale Themen, klagt sie. Etwa um eine gute öffentliche Infrastruktur, die allen, unabhängig von Besitz und Einkommen, zugänglich sei. Und was sei mit Menschen, die sich Gesundheit und Bildung nicht erkaufen könnten? Die werden durch linke Parteien nicht mehr vertreten, sagt Wagenknecht. Stattdessen seien es heute vor allem Menschen mit höherem Einkommen und höherer Bildung, die linke Parteien wählten. Doch „die klassischen linken Themen“ seien deswegen „ja nicht weg“.
Die Kritik Wagenknechts ist nicht neu. Doch sie wird an einem Zeitpunkt geäußert, an dem das Verhältnis zwischen ihr und der Linkspartei zerrüttet ist, wie nie zuvor. Daß sie nicht weiter für sie kandidieren wird, hatte die Bundestagsabgeordnete bereits im März angekündigt. Im Juni kündigte die Parteispitze um Janine Wissler und Martin Schirdewan schließlich an, die ehemalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion aus dem Parlament entfernen zu wollen.
„Zerstören, was andere aufgebaut haben“
Die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali bezeichnete dieses Vorhaben als „einen großen Fehler“ und „einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen“ schreibe. Der frühere Parteivorsitzende Alexander Ulrich forderte den Bundesvorstand gar auf, seinen „geschlossenen Rückzug“ zu erklären. Die Forderungen nach einem Rücktritt Wagenknechts seien „absurd“. Mit ihrem Verhalten würden Wissler und Schirdewan die Linkspartei in die „Bedeutungslosigkeit führen“ und „zerstören, was andere aufgebaut“ hätten. Dem gegenüber stehen die Aussagen von Wissler und Schirdewan, Wagenknecht habe „den Bruch“ mit ihrer Partei „mehrfach öffentlich vollzogen“. Sie könne daher auch nicht mehr antreten.
Man habe Wagenknecht mehrfach aufgefordert, „öffentlich und zeitnah“ Abstand von der Gründung einer Konkurrenzpartei zu nehmen. Dieser klaren Zusage verweigerte sich Wagenknecht und betonte, mit einer Entscheidung bis zum Ende des Jahres warten zu wollen. Nun aber habe Wissler Kenntnisse darüber, daß eine Gruppe um Wagenknecht konkret Strukturen aufbaue um den Grundstein für eine eigene Parteigrund zu legen. Diese Drohung hänge nun wie ein Damoklesschwert über der Linken. Man könne „nicht hinnehmen, daß bis Ende des Jahres unsere Mitglieder und Wähler dermaßen verunsichert werden“. Mit dem Ausschluß Wagenknechts wolle man Mitglieder und Wähler zurückgewinnen. Sie nehme eine breite Unterstützung für den Ausschluß Wagenknechts wahr.
Ein ganz anderes Wählerpublikum
Tatsächlich rutschte die Partei bereits bei der vergangenen Bundestagswahl unter fünf Prozent und schaffte es lediglich über einige Direktmandate ins Parlament. Derzeit steht sie in einigen Umfragen nochmals abgesunken da. Ob allerdings gerade der Weggang Wagenknechts hier Abhilfe schaffen würde, ist fraglich. Wurden die drei Direktmandate 2021 doch größtenteils von Anhängern ihrer Positionen geholt, wie Gregor Gysi oder Gesine Lötzsch. Würden sie und ihre Anhänger die Partei zu diesem Zeitpunkt verlassen, würde die Bundestagsfraktion ihren Fraktionsstatus verlieren. Da sehen die potentiellen Erfolgschancen einer Wagenknecht-Partei schon anders aus.
Ein derartiges Wahlbündnis könnte nach Schätzungen aus dem Frühjahr bundesweit bis zu 19 Prozent erhalten. Besonders Wähler, die ökonomisch links, kulturell jedoch konservativ eingestellt sind, würden die gebürtige Jenenserin wählen, wie Studien der Politikwissenschaftlerin Sarah Wagner ergaben. Diese Wählergruppe befürworte sozialen Ausgleich, wünsche sich allerdings etwa eine restriktivere Asylpolitik. Damit unterscheiden sie sich deutlich von den derzeitigen Wählern der Linkspartei, die zu großen Teilen kulturell linksliberale Einstellungen teilen.