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Zwölf Milliarden Euro: Ampelkoalition zerstreitet sich über Kindergrundsicherung

Zwölf Milliarden Euro: Ampelkoalition zerstreitet sich über Kindergrundsicherung

Zwölf Milliarden Euro: Ampelkoalition zerstreitet sich über Kindergrundsicherung

Christian Lindner in der 87. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Die Koalition streitet über Kindergrundsicherung. Berlin, 01.03.2023.
Christian Lindner in der 87. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Die Koalition streitet über Kindergrundsicherung. Berlin, 01.03.2023.
Bundesfinanzminister Christian Lindner im Bundestag: Heftige Vorwürfe gegen den FDP-Politiker Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress
Zwölf Milliarden Euro
 

Ampelkoalition zerstreitet sich über Kindergrundsicherung

Die Ampelkoalition will Kinderarmut bekämpfen und dafür eine Kindergrundsicherung einführen. Finanzminister Lindner hat jedoch andere Pläne. Wie SPD und Grüne darauf reagieren und wie sich die FDP verteidigt.
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BERLIN. In der Ampel ist ein Streit über die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kindergrundsicherung entbrannt. Damit will die Koalition ab 2025 eigentlich verschiedene Hilfsleistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammenfassen, um die Armut der Jüngsten zu lindern. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) fordert für ihr Vorzeigeprojekt zwölf Milliarden Euro pro Jahr.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte der Bild-Zeitung allerdings unlängst, mit dem bereits erhöhten Kindergeld von 250 Euro und jährlich sieben Milliarden Euro zusätzlich für Familien sei das Wesentliche getan. Kinderarmut sei häufig durch die Arbeitslosigkeit der Eltern begründet, so daß Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt wichtig seien.

Damit stellte sich Lindner gegen weitergehende Leistungen der geplanten Kindergrundsicherung. Geld umzuverteilen, stoße bei der Armutsbekämpfung an Grenzen. Wie der Finanzminister weiter äußerte, priorisiert er für den Haushalt 2024 stattdessen eine erneuert­­e Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung, die Bundeswehr sowie die Modernisierung von Handwerk, Mittelstand und Industrie.

SPD: Linder „schlägt armen Familien ins Gesicht“

Von der SPD erntete Lindner dafür harsche Kritik. „Wer behauptet, mit der Kindergelderhöhung wäre das Problem der Kinderarmut gelöst, schlägt jenen Familien ins Gesicht, die in Armut leben“, entrüstete sich die Sprecherin der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion, Wiebke Esdar, der Zeit. Denn die Kindergelderhöhung erreiche nicht die Gruppe mit dem größten Handlungsdruck, die Sozialleistungsempfänger.

SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken betonte am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“, die Kindergrundsicherung komme auf jeden Fall. „Wir haben uns ja dafür verabredet, damit die Kinderarmut in Deutschland zu überwinden. Das haben wir uns vorgenommen, das werden wir auch umsetzen.“ Das Projekt genieße „oberste Priorität“. Jedes fünfte Kind in Deutschland sei von Armut betroffen, „ein Zustand, der für unser reiches Land eine Schande ist und den wir überwinden müssen“.

Die Kindergrundsicherung als Teil des Koalitionsvertrags werde kommen, bekräftigte auch der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, gegenüber dem Sender RTL /NTV. „Einfach Nein zu sagen, wird nicht reichen, um die Diskussion zu überstehen“, kommentierte er Lindners Absage.

Grüne sehen in Kindergrundsicherung Zukunftsinvestition

Für Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt ist das geplante Vorhaben keine „Kinderspätersicherung“ oder „Kinderhabenschonwasbekommensicherung“.

Daß Kinderarmut mit Fachkräftemangel zusammenhänge, bemerkte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, am Montag im Deutschlandfunk. „Kinder, die morgens und in der Schule nichts zu essen haben, wie sollen die lernen? Wie sollen sich Kinder, die Angst vor dem Monatsende haben, auf die Zukunft konzentrieren können?“ Die Kindergrundsicherung sei damit auch eine Investition in die Zukunft. „Dafür kein Geld in die Hand zu nehmen – die Idee funktioniert nicht.“ Perspektivisch sollen alle Berechtigten auch Hilfsleistungen beziehen. Laut Audretsch tut das derzeit nur rund jeder Dritte.

Für die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, dürfe die Politik sich nicht damit abfinden, daß jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebe. Bei der Kindergrundsicherung gehe es um „faire Chancen, gute Bildung und soziale Teilhabe“.

Für die oppositionelle Linkspartei haben SPD und Grünen Wahlversprechen gebrochen. Hundert Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr seien „über Nacht“ möglich, aber die Kindergrundsicherung scheitere an zwölf Milliarden Euro, meinte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch.

FDP verteidigt sich gegen Kritik

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Gassner-Herz rechtfertigte die Haltung seiner Partei. Die Politik könne nicht Probleme benennen und dann „absurd hohe Milliardenbeträge“ abrufen.  Von „horrende Mehrkosten“ stehe nichts im Koalitionsvertrag.

Daß sich die FDP nicht für Kinderarmut interessiere, bezeichnete der FDP-Abgeordnete, Jens Teutrine, auf Twitter als „steile These“. Bisherige Leistungen sollten laut Koalitionsvertrag zusammengefaßt werden – das Eckpunktepapier von Familienministerin Paus bleibt laut Teutrine „hinter dem Notwendigen zurück“. Wie der Liberale mitteilte, sei der deutsche Sozialstaat mit einer Billionen Euro nicht unterfinanziert, sondern „dysfunktional und ineffizient“. Statt Mehrausgaben des Staates brauche es einen Sozialstaat, der besser funktioniere.

(ca)

Bundesfinanzminister Christian Lindner im Bundestag: Heftige Vorwürfe gegen den FDP-Politiker Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress
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