Anzeige
Anzeige

Zukunft des Arbeitsmarktes: Babyboomer gehen in Rente: Radikal umdenken

Zukunft des Arbeitsmarktes: Babyboomer gehen in Rente: Radikal umdenken

Zukunft des Arbeitsmarktes: Babyboomer gehen in Rente: Radikal umdenken

Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, spricht zum Thema Aktienrente
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, spricht zum Thema Aktienrente
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, spricht zum Thema Aktienrente Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen
Zukunft des Arbeitsmarktes
 

Babyboomer gehen in Rente: Radikal umdenken

Die Babyboomer verlassen in den kommenden Jahren den Arbeitsmarkt. Vor allem für die Rente wird dies dramatische Folgen haben. Im Endeffekt bleibt nur eine Lösung: Die Aktienrente. Ob die Methode jemals flächendeckend eingesetzt wird, ist im aktienscheuen Deutschland allerdings sehr fraglich. Ein Kommentar von Markus Brandstetter.
Anzeige

In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Die Babyboomer, das sind die Menschen, die zwischen 1958 und 1964 geboren wurden. Ihre Anzahl ist groß, und sie haben viel, gut und lange gearbeitet und die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik mit geprägt. Kein Wunder, daß sie denken, sie hätten ein Anrecht auf eine gute und sichere Rente. Ob die so sein wird, ist aber erst noch die Frage. Denn die Babyboomer haben ein Problem: Ihrer sind viele, die nach ihnen kommen, jedoch sind wenige. Und diese wenigen sollen die Rente der Boomer finanzieren. Ob das klappt, hängt in der Hauptsache vom altehrwürdigen deutschen Rentensystem ab. Das aber funktioniert seit Jahren schon nur noch mit Ach und Krach und insbesondere mit massiven Staatshilfen.

Knapp 350 Milliarden Euro zahlte die Deutsche Rentenversicherung im vergangenen Jahr aus, wovon ein sattes Drittel, das sind 117 Milliarden Euro, aus dem Bundeshaushalt stammte. Ohne den Steuerzahler wäre die gesetzliche Rentenversicherung längst bankrott. Der Bundeszuschuß für die Rentenversicherung beträgt inzwischen 25 Prozent des gesamten Bundeshaushalts – mit steigender Tendenz. Wir geben also für die Renten Jahr für Jahr doppelt soviel Steuergeld aus wie für die Landesverteidigung, dreimal soviel wie für den Verkehr und fünfmal soviel wie für Bildung und Forschung.

Babyboomer können nicht ersetzt werden

Diese exorbitanten Rentenzuschüsse sind daran schuld, daß 10.000 Brücken (von 40.000) über Autobahnen und Bundesstraßen marode sind, die Bahn nicht mehr pünktlich fährt, die zur Sanierung der deutschen Schulen notwendigen 45 Milliarden Euro nie da sind und die Bundeswehr dieses Land vermutlich keinen Monat lang verteidigen könnte. Ginge diese Entwicklung so weiter, dann müßte in den 2040er Jahren der Finanzminister die Hälfte seines Etats an die Rentenversicherung überweisen.

Die Ursache für diese Misere ist bekannt: Die Menschen werden immer älter, also beziehen sie immer länger Rente, während die Jungen, die diese Renten erwirtschaften müssen, anteilsmäßig immer weniger werden, weil immer weniger Kinder auf die Welt kommen. Und jetzt also verabschieden sich auch noch die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er aus dem Arbeitsleben. Bis 2036 wird ein Drittel aller heute Arbeitenden in Rente gehen.
13 Millionen Menschen, die durch die knapp neun Millionen, die nach ihnen kommen, nicht ersetzt werden können.

Dies wird zu einem spürbaren Mangel an Fachkräften führen: Automechaniker, Bäcker, Lokführer, Gebäudetechniker, Krankenschwestern, Kraftfahrer, Köche, Kellner, Metaller oder Schweißer werden an allen Ecken und Enden fehlen. Insbesondere wird aber das Geld fehlen, das die Babyboomer jeden Monat in die Rentenkasse abführen. In Politik und Medien ist zwar ständig von Klimaerwärmung, Ungleichheit, Rassismus, dem Ukraine-Krieg und der Rückgabe der Benin-Bronzen die Rede, aber nie von dem, was bald jeden betrifft: dem kommenden Arbeitskräftemangel und der Rentenmalaise.

Wie die Rente noch retten?

Die Frage ist: Kann man da noch irgendwas tun? Die Antwort: Es gibt fünf oder sechs Lösungsansätze, die von Experten auch immer wieder diskutiert werden. Diese wären: a) Beamte und Selbständige mit einbeziehen, b) die Steuerzuschüsse erhöhen, c) die Rentenbeiträge erhöhen, d) das Renteneintrittsalter erhöhen, e) das Rentenniveau senken und f) eine Kapitaldeckung einführen.

Fangen wir mit den unrealistischen an: Würden Beamte und Selbständige ab morgen in die Rentenversicherung einzahlen, ein Lieblingsthema der Linken und Grünen, dann würden die Einzahlungen zwar schlagartig steigen, aber nur vorübergehend, denn aus diesen neuen Beitragszahlern werden irgendwann Rentner – und dann wäre wieder alles beim alten. Höhere Steuerzuschüsse werden in Zukunft sowieso notwendig sein, aber sie sind keine Lösung, sondern Teil des Problems. Eine Erhöhung des Beitragssatzes von jetzt 18,6 auf 20 Prozent und mehr, wo er zwischen 1997 und 1999 schon einmal lag, würde die Lohnnebenkosten prohibitiv erhöhen, was dazu führen würde, daß mehr Unternehmen noch mehr Arbeit ins Ausland verlagern, wovon die deutsche Rentenversicherung keinen Cent hätte.

Kommen wir zu den realistischen Lösungsansätzen: Arbeiteten alle bis 67, dann würde die Rentenversicherung spürbar entlastet – nur will das kaum einer. Obwohl das offizielle Rentenalter inzwischen bei 65 Jahren und elf Monaten liegt, waren 2021 nur 80 Prozent der Männer und 72 Prozent der Frauen mit 64 noch berufstätig. An dieser Entwicklung sind Union und SPD schuld, die 2014 die sogenannte Rente mit 63 eingeführt haben, eine Fehlentscheidung, die es einem Drittel der älteren Arbeitnehmer ermöglicht, ohne Abschläge früher in Rente zu gehen. Schlußendlich könnte man auch tun, was man normalerweise tut, wenn das Geld nicht reicht, nämlich weniger Geld ausgeben, also das Rentenniveau senken und die Einheitsrente für alle einführen. Aber so eine Maßnahme wäre ungerecht, politisch nie durchsetzbar und der direkte Weg in einen Rentensozialismus, den bis auf die Linke keiner will.

Aktienscheues Deutschland

Im Endeffekt bleibt nur eine kapitalgedeckte Rente nach schwedischem oder norwegischem Vorbild. In so einem Modell wird ein Teil der Rente entweder von einem staatlichen Fonds (Norwegen) oder von Staat und Rentenzahler gemeinsam (Schweden) am Kapitalmarkt investiert. Dadurch wird nach und nach ein Kapitalstock aufgebaut, der Renditen erwirtschaftet und über die Jahre an Wert gewinnt, was die Beitragszahler entlasten und den Steuerzuschuß zur Rente begrenzen würde. Finanzminister Christian Lindner (FDP) geht nun den ersten Schritt. Für ein „Generationenkapital“ will der Bund über mindestens 15 Jahre zehn Milliarden Euro jährlich in einen Fonds stecken. Immerhin ein Anfang, auch wenn das Startkapital noch immer zu niedrig angesetzt ist.

Ob die Methode jemals flächendeckend eingesetzt wird, ist im aktienscheuen Deutschland allerdings sehr fraglich. Wird sie es nicht und geht alles so weiter wie bisher, dann werden die Renten in Zukunft auf niedrigem Niveau zwar sicher sein, aber sie werden den Steuerzahler stetig mehr Geld kosten. Geld, das für Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Forschung, Umwelt und Landesverteidigung fehlt.

JF 05/23

Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, spricht zum Thema Aktienrente Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag