MÜLHEIM AN DER RUHR. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Rußland aufgefordert, eine derzeit in Deutschland gelagerte Turbine für Nord Stream 1 zurückzunehmen. „Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden, es muß nur jemand sagen, ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da“, sagte Scholz während eines Besuchs bei Siemens Energy in Mühlheim an der Ruhr.
„Rußlands Präsident Wladimir Putin kann die fehlende Turbine nun nicht mehr als Ausrede nutzen, um Lieferengpässe zu rechtfertigen. Wir haben nie geglaubt, daß es für die reduzierten Lieferungen technische Gründe gab“, sagte Scholz zuvor in einem Interview mit einer kanadischen Zeitung. „Rußland versucht, Druck auszuüben und einen Verbündeten gegen den anderen auszuspielen – diese Genugtuung sollten wir ihm nicht gönnen. Jetzt, wo die Turbine geliefert werden kann, ist es an Rußland, seine vertraglichen Verpflichtungen wieder einzuhalten.“ Moskau hatte seine Gaslieferungen über Nord Stream 1 seit Juni gedrosselt. Als Grund nannte Gazprom die fehlende Turbine.
Schröder warnt Deutschland
Zuvor hatte sich bereits Scholz-Vorgänger und Altkanzler Gerhard Schröder in die Debatte eingeschaltet. Es sei technisch bedingt, daß derzeit nur etwa 20 Prozent der üblichen Gasmenge über Nord Stream 1 geliefert werden könne, sagte er in einem Interview mit dem Stern und ntv. Eine doppelt so hohe Liefermenge wäre nach Einsatz besagter Turbine möglich. Die Verantwortung dafür sieht der Altkanzler bei der Firma Siemens. Gazprom warf seinem Vertragspartner wiederholt vor, nicht die nötigen Dokumente und Informationen zur Reparatur der Maschine übermittelt zu haben. Siemens Energy wies die Vorwürfe stets zurück.
Außerdem hat sich Schröder dafür ausgesprochen, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Die Pipeline sei schließlich bereits technisch fertiggestellt, betonte er. „Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte“, argumentierte der SPD-Politiker, der seit 2005 in verschiedenen Funktionen für den russischen Energiekonzern Gazprom tätig ist. Darunter auch als Verwaltungsratschef für Nord Stream 2.
Sollte Berlin Nord Stream 2 nicht nutzen wollen, müsse das Land die Folgen tragen, warnte Schröder. „Und die werden auch in Deutschland riesig sein. Jeder, der mit Gas heizt, bekommt das jetzt schon zu spüren.“ Die Bundesregierung hatte das Zertifizierungsverfahren für Nord Stream 2 nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gestoppt. Eine Inbetriebnahme schlossen Vertreter der Ampelkoalition wiederholt aus. (ab)