Die 1990er sind zurück! Ob in Mode, Musik, im TV oder in den Clubs – das leichtlebige Jahrzehnt der Baggy Jeans, der Videokassetten und des Tamagotchis erlebt derzeit gerade bei jungen Leuten, die es selbst nicht bewußt miterlebt haben, ein ungeahntes Revival. Das will sich auch die in den letzten Jahren stark gebeutelte Kinobranche zunutze machen. Der deutsche Schauspieler und Regisseur Til Schweiger steckt gerade mitten in den Vorbereitungen zu dem im Sommer beginnenden Fortsetzungsdreh seiner Kult-Komödie „Manta, Manta“.
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Der Genre-Klassiker, der wie kaum ein zweiter das Image des Autos prägte, lockte zu Beginn der Neunziger Millionen Zuschauer in die Kinosäle und vor den Fernseher. Schon jetzt ist das öffentliche Interesse an „Manta Manta 2“ riesig. Einem Casting-Aufruf, mit dem die Produzenten Komparsen und Kleindarsteller für ihr Projekt suchten, folgten mehr als 11.000 Menschen, die die 2.000 Rollen gerne mit Leib und Seele ausfüllen wollten.
Woher kommt die Sehnsucht der woken Jugend?
Ob das Publikum die Euphorie teilen wird ist ungewiß. Die Chancen dafür dürften aber nicht schlecht stehen. Die großen Fernsehsender punkten derzeit immer öfter mit Neuauflagen von Formaten, die bereits in den Neunziger Jahren große Erfolge feierten. So freut sich RTL gerade über hohe Einschaltquoten für seine wiederbelebte Spielshow „Der Preis ist heiß“. Mit 780.000 Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren sowie 13,5 Prozent Marktanteil war die zweite Ausgabe des TV-Klassikers trotz leichter Verluste im Vergleich zur Premiere in der Zielgruppe die meistgesehene Primetime-Sendung am Mittwochabend. Damit konnte Gameshow-Urgestein Harry Wijnvoord sogar mehr junge Zuschauer rekrutieren als das ebenfalls reanimierte „TV total“ bei ProSieben.
Woher kommt die Sehnsucht der woken Generation nach einer Zeit, in der all die von ihr selbst aufgestellten Regeln noch nicht galten? Die Frage beantwortet sich vermutlich von selbst. Im Vergleich zu heute war das „oberflächliche“ Leben in den Neunziger Jahren erkennbar entspannter. Waren diese doch das vielleicht einzige wirklich unideologische Jahrzehnt der letzten fünzig Jahre. Der kalte Krieg war – erst einmal – vorbei. Der 11. September noch ungeschehen. Moral war Privatsache. Die eigene Gesundheit auch.
Ein Serien-Klassiker probt den humoristischen Rollback
Selbiges galt für persönliche Gefühle. Die für Deutschland ungewohnt lässige neue Humor-Form der „Comedy“ verdrängte mehr und mehr das didaktische Kabarett aus den Fernsehstudios der Republik. Witze sollten nicht mehr belehrend, sondern witzig sein. Die politisch inkorrekte Grenzüberschreitung galt als „cool“. Einen „Safe Space“ für besonders sensible Gemüter gab es nicht. Beleidigt wurde nahezu alles und jeder. Wer damit ein Problem hatte, durfte das gerne für sich behalten.
In den USA möchte man nun eine Serie neu auflegen, die als das ultimative Zeitdokument für den Geist dieser Epoche angesehen werden kann. Die Sitcom „Eine schrecklich nette Familie“ soll als Animationsserie zurückkehren. Die Sache mit dem Zeichentrick könnte ein genialer Schachzug ihres Autors Alex Carter sein. Ist dieser doch auch ausführender Produzent der Serie „Family Guy“ und weiß daher, daß im Cartoon heute noch vieles erlaubt ist, was sonst eigentlich „nicht mehr geht“.
Wenn die Neuauflage der Abenteuer von Al Bundy und seiner „schrecklich netten Familie“ auch nur annähernd an das Original der Neunziger heranreichen soll, wird sie diesen kreativen Freiheitsbonus bitter nötig haben. Waren für deren Erfolg doch Dinge wie sexistische Pointen und exzessives „Fat Shaming“ in einem Maße existentiell, wie es sich die „Generation Z“ nicht mehr vorstellen kann. Den Wiedergeburtshelfern der Serie kann man daher nur viel Mut zur „Oberflächlichkeit“ wünschen.
JF 29/22