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Deutsche Zeitungen in Ostpreußen: „Express“ statt „Prawda“

Deutsche Zeitungen in Ostpreußen: „Express“ statt „Prawda“

Deutsche Zeitungen in Ostpreußen: „Express“ statt „Prawda“

Uferpromenade am Pregel in Königsberg: Der "Express" berichtet über die Region Ostpreußen Foto: picture alliance / dpa | Marcus Brandt
Uferpromenade am Pregel in Königsberg: Der "Express" berichtet über die Region Ostpreußen Foto: picture alliance / dpa | Marcus Brandt
Uferpromenade am Pregel in Königsberg: Der „Express“ berichtet über die Region Ostpreußen Foto: picture alliance / dpa | Marcus Brandt
Deutsche Zeitungen in Ostpreußen
 

„Express“ statt „Prawda“

Wer heute an Ostpreußen denkt, dem kommen nicht unbedingt gleich aktuelle deutsche Zeitungen in der Region in den Sinn. Doch es gibt sie. Neben dem „Königsberger Express“ haben sich weitere Periodika dort etablieren können. Sie berichten durchaus Kreml-kritisch.
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Cato, Palmer, Exklusiv

Königsberg, Ostpreußen, Masuren – manche ältere Menschen verbinden mit diesen Namen noch die Erinnerung an eine Zeit, die 1945 abrupt endete. Manche Jüngere assoziieren vielleicht Geschichten von einer Flucht übers Haff oder von sagenhaften Orten wie der Elchniederung. Diese Zeit ist längst Vergangenheit, aber die Orte existieren geographisch noch heute, wenn sie auch andere Namen tragen und von ihrer alten Kultur nur noch wenige Relikte erzählen.

700 Jahre deutscher Geschichte waren 1944 vorbei, als die Briten Schweden unter Verletzung seiner Neutralität überflogen und Königsberg in Schutt und Asche bombten. Bis 1948 waren alle Deutschen und alles Deutsche aus Königsberg beseitigt. Erst nach dem Jahr 1990 war es dem weniger als einem Prozent verbliebener Deutschstämmiger möglich, sich zu ihrer ethnischen Identität zu bekennen.

Doch wer wissen möchte, wie es dort heute aussieht und was dort vor sich geht, muß keine weite Reise unternehmen: Man kann sich auch bequem online über das Leben vor Ort informieren – und das sogar auf deutsch! Der Königsberger Express berichtet aktuell aus der Region.

Der Duktus ist typisch Lokalzeitung

Das Internetportal ist eine bunte Mischung aus Lokalzeitung, Touristenmagazin und Geschichtsarchiv. Produziert wird die Online-Zeitung in der alten Hauptstadt Ostpreußens an den Ufern des Pregel, genau 583 Kilometer Luftlinie nordöstlich von Berlin. Herausgeber Igor Sarembo und Chefredakteurin Elena Lebedewa sind Russen, ebenso wie Redakteur und Übersetzer Viktor Tschernyschov. Als Volontäre und Lektoren arbeiten jedoch regelmäßig Studenten aus Deutschland in der Redaktion.

Seit 1993 geben die Journalisten den Boten für Königsberg und Umgebung heraus, anfangs gedacht als Magazin für deutsche „Heimweh-Touristen“. Doch schon bald nach dem Start änderte sich der Schwerpunkt, hin zu einem Infoportal für Aktuelles, Politisches, Soziales und Kulturelles. Dabei ist der Duktus typisch Lokalzeitung, der redaktionelle Inhalt aber zuweilen durchaus kritisch und analytisch.

Das macht den Express auch für Russen interessant, die des Deutschen mächtig sind. Das hat lange Tradition: 1727 erschien die Sankt Petersburgische Zeitung auf deutsch, bereits kurz nachdem die erste russische Zeitung des Zarenreiches gedruckt wurde.

Eine Autobahnbrücke über das Frische Haff?

Neben dem Onlineportal wird auch eine kleine gedruckte Ausgabe produziert, in Troisdorf bei Köln. Die Auflage ist mit max. 3.000 Exemplaren sehr überschaubar, wird aber auch in politischen Organisationen, Behörden und Instituten gelesen. Laut Selbstauskunft finanziert sich das Projekt ausschließlich über Werbung, Verkäufe und Abonnenten. Die zwölf Ausgaben pro Jahr kosten im Abo 42 Euro.

Der Inhalt gliedert sich in mehr als ein Dutzend Rubriken, von „Aktuelles“ über „Geschichte“ und „Stadt und Menschen“ bis „Wirtschaft“. Im Archiv sind Inhalte nach Rubriken oder Schlagwörtern bis 2019 auffindbar.

Die aktuelle Ausgabe berichtet unter anderem. über die Schäden, die der Sturm „Nadja“ hinterließ und den neuen Etat für den Küstenschutz. Unter der Überschrift „Leidige Müllentsorgung“ wird beklagt, daß eine Mülltrennung trotz politischer Absicht immer noch nicht funktioniert. Außerdem meldet die Redaktion, daß für die ebenso ambitionierte wie umstrittene Autobahnbrücke über das Frische Haff Grundstücke und Häuser enteignet werden sollen.

Es gibt weitere deutsche Zeitungen

Es werden Anwohner zitiert, die eine korrekte Bewertung ihrer Immobilien bezweifeln. Weitere Meldungen sind die Einführung einer Kurtaxe und steigende Wohnungspreise sowie die Restaurierung des Königstores und der alten Reichsbahnbrücke. Für den Leserwettbewerb „Auslandsdeutsche des Jahres“ bewirbt sich die sympathische und gebildete Andrea aus Siebenbürgen.

Die Redaktion definiert sich selbst als politisch neutral, berichtet aber selbstbewußt und kritisch. Darum ist die Zeitung auch für russische Leser eine attraktive Infoquelle. Die Chefredakteurin erklärt sich ausdrücklich solidarisch mit den Teilnehmern der Antikriegs-Demos. Dabei verwendet sie den verbotenen Begriff „Krieg“ und setzt die verordnete Bezeichnung „Sonderoperation“ demonstrativ in Anführungszeichen.

Übrigens ist der Königsberger Express nicht das einzige deutsche Medium in Rußland: Neben der 14tägigen MDZ (Moskauer Deutsche Zeitung) erscheinen auch regelmäßig Der Bote (St. Petersburg), die Neue Zeit (Halbstadt/Sibirien), Ihre Zeitung (Asowo) und rund 50 weitere Periodika. Auch in der Moskauer Deutschen Zeitung kommen Oppositionelle zu Wort und finden sich kritische Artikel wie über die Moskauer Junkieszene und korrupte Polizisten. Mal sehen, wie lange noch.

JF 13/22

Uferpromenade am Pregel in Königsberg: Der „Express“ berichtet über die Region Ostpreußen Foto: picture alliance / dpa | Marcus Brandt
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