BERLIN. Die kommissarische Intendantin des Berliner Staatsballetts, Christiane Theobald, hat nach der Absage des „Nußknackers“ angekündigt, auch weitere klassische Stücke auf koloniale Bezüge zu überprüfen. „Warum sollten wir an einer Darstellung von Stereotypen festhalten? Ich finde, man sollte sich die Freiheit nehmen, über diese Art der Darstellung nachdenken zu dürfen“, sagte sie an Dienstag dem Tagesspiegel.
Das Ensemble hatte Ende November angekündigt, den traditionsreichen „Nußknacker“ des Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski in diesem Jahr nicht aufzuführen. Als Grund dafür nannte Theobald den chinesischen sowie den arabischen Tanz, die klischeebelastet seien. Im Original habe es überdies „Blackfacing“ bei Kindern im zweiten Akt gegeben.
Stücke müßten kontextualisiert werden
Stücke, die vor 100 Jahren geschrieben worden seien, stammten aus einer „kolonialen Zeit“. Da müsse man genauer hinsehen. In einer Vielzahl von ihnen gebe es „farbige Akte, in denen Klischees der verschiedenen Länder und ihrer Bevölkerung“ gezeigt würden, führte Theobald aus. Vieles entspringe der Fantasie der Choreographen, die die dargestellten Länder oft nie besucht hätten.
Auch das vom Choreographen Alexei Ratmansky rekonstruierte Ballett „La Bayadère“ gebe Stereotypen wieder. Sie wünsche sich hier eine „Kontextualisierung mit einer Vielzahl an Meinungen“. Der Idealfall sei eine „kritische Revision“.
Theobald: lehne Cancel Culture ab
Im Titel „Don Quixote“, den das Ensemble derzeit aufführe, sei im Original von „Gitanos“ (Zigeuner) die Rede. Mithilfe der Vertretung der Sinti und Roma habe das Staatsballett ein neuer Programmbuch erarbeitet.
Sie lehne die Cancel Culture zwar ab, plädiere aber dafür, einen Diskurs über möglicherweise nicht mehr zeitgemäße Darstellungen zu führen. „Es geht hier um kulturelles Erbe“, betonte sie. (zit)