Der 69 Jahre alte Andreas Mölzer ist ein FPÖ-Urgestein. Der frühere Berater von Jörg Haider, ehemalige FPÖ-Europaabgeordnete und Herausgeber der Wochenzeitung Zur Zeit gilt als bestens vernetzter Kenner des freiheitlichen Lagers in Österreich. Er geriet durch seine von der Parteilinie abweichenden Thesen jetzt in Konflikt mit der FPÖ-Führung unter Herbert Kickl, der die Corona-Politik der österreichischen Bundesregierung auch in Großdemonstrationen bekämpft.
Herr Mölzer, Sie sind gerade mächtig mit der Führung Ihrer Partei aneinandergerasselt. Sie haben sich nicht nur zu Ihrer persönlichen Corona-Impfung bekannt, sondern auch zur in Österreich von Bundes- und Landesregierungen beschlossenen Impfpflicht erklärt, daß Sie dieser zustimmen, „wenn es uns nützt und wenn es auch verfassungsrechtlich hält“. Was reitet Sie?
Mölzer: Ich sehe mich keineswegs im Konflikt mit der Parteiführung, da ich mit dem von Parteichef Kickl vor wenigen Wochen präsentierten Plan B durchaus übereinstimme. Darin sagt er, die Impfung sei durchaus gut und sinnvoll, allerdings nicht das Allheilmittel. Sie halte nicht wirklich das, was versprochen wurde und sie solle freiwillig genommen werden. Weiter meint er, daß man im verstärkten Maße auf Medikamention setzen müßte, um schwere Verläufe zu verhindern. Und drittens sagt er, daß nicht der Impfstatus, sondern der Immunstatus wesentlich wäre. Drei Aussagen, die ich absolut unterstütze.
„Ich glaube der Wissenschaft, daß es zur Impfung keine Alternative gibt“
Was meine Aussage zur Impfpflicht betrifft, so bin ich keineswegs für den von der Regierung geplanten Impfzwang. Ich glaube aber wie die Mehrheit der Wissenschaft, daß es zur Impfung keine Alternative und daß es somit eine gewisse Verpflichtung gibt, die Impfquote zu erhöhen.
Und schließlich bin ich selber als zwei Mal Geimpfter zwar mit dem Coronavirus infiziert worden. Das hat mich überaus geärgert, da es ursprünglich geheißen hatte, ich würde keine Gefahr mehr laufen. Andererseits aber habe ich als Angehöriger einer Hochrisikogruppe damit möglicherweise vermeiden können, auf der Intensivstation zu landen.
Das ist der Grund, weswegen ich persönlich für die Impfung bin und mir auch den dritten Stich holen werde, wenn es notwendig ist.
Die FPÖ hat sich wegen Ihrer Aussagen öffentlich von Ihnen distanziert und erklärt, Ihre Meinung sei mit der DNS der FPÖ nicht vereinbar. Stimmt das?
Mölzer: Was die zitierte „DNS“ der FPÖ betrifft, so besteht diese in einer freiheitlichen Partei in erster Linie aus der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung, auch innerhalb der Partei. Und diese nehme ich selbstverständlich auch für mich in Anspruch.
„FPÖ-Kernwähler sind wissenschaftsaffin – nur gegen jede Art von Zwang“
Nach außen schien die FPÖ bis zuletzt geschlossen in der Corona-Politik. Welche Reaktionen haben Sie auf Ihre Äußerungen aus der Partei bekommen?
Mölzer: Gerade ein großer Teil der Kernwähler der FPÖ ist in hohem Maße wissenschaftsaffin. Allerdings sind dies auch Menschen, die gegen jegliche Art von Zwang sind. Dort, wo ich meine Ansicht differenziert darstellen konnte, erhalte ich von diesen Leuten überwiegend Zustimmung.
Sie begründen Ihr Plädoyer für das Impfen und die Impfpflicht auch damit, es habe keinen Sinn, gegen etwas Widerstand zu leisten, „was halt das Gros der Wissenschaft empfiehlt“. Haben die Impfskeptiker nicht auch wissenschaftliche Argumente auf ihrer Seite?
Mölzer: Natürlich haben die Impfskeptiker auch gute Argumente gegen die Impfung, leider aber keine wirklich praktikable und einsatzbereite Alternative. Ich bin sehr wohl der Meinung, daß Widerstand im demokratischen System auch bei Demonstrationen auf der Straße absolut legitim ist, halte aber Widerstand gegen gesetzliche Bestimmungen, die absolut legal und demokratisch einwandfrei zu Stande gekommen sind, in der Tat für unsinnig. Solche hat der Bürger zu befolgen, kann sie aber auf dem Rechtsweg bis zum Höchstgericht bekämpfen.
„Nicht völlig in den Bereich des wissenschaftsskeptischen Narrensaums begeben“
Sie haben FPÖ-Chef Herbert Kickl bislang als „Macher“ und „Hardliner“ gelobt und in der Nachfolgerfrage des geschaßten Heinz-Christian Strache gegenüber dem gemäßigteren Norbert Hofer unterstützt. Warum fährt die FPÖ mit ihrer Linie der Totalablehnung der Corona-Politik einschließlich der Ablehnung des Impfens nun Ihrer Meinung nach eine falsche Linie?
Mölzer: Tatsächlich habe ich Herbert Kickl als FPÖ-Chef argumentativ und publizistisch unterstützt und bin nach wie vor der Meinung, daß seine harte und kritische Linie gegenüber den Coronamaßnahmen der Regierung wesentlich dazu beigetragen hat, die Parte bei rund 20 Prozent in den Umfragen zu stabilisieren. Man sollte sich dabei nur nicht völlig in den Bereich des wissenschaftsskeptischen Narrensaums begeben.
Halten Sie es für richtig, wenn die FPÖ in Bezug auf die Regierungspolitik von „Regime“ und „Diktatur“ spricht?
Mölzer: Daß es bei dieser Auseinandersetzung auch zu einer gewissen Radikalität in der Diktion kommt, ist verständlich. Ob man aber tatsächlich von einer Diktatur sprechen sollte, wo es um paternalistische Maßnahmen des Staates und um einen gewissen antiautoritären Zugang geht, ist doch fraglich.
„Die FPÖ ist keineswegs nur eine Protestpartei“
Bei der Großdemonstration in Wien gegen die Corona-Politik, bei der nach Angaben der Veranstalter bis zu 100.000 Menschen auf die Straße gegangen sind und bei der die FPÖ federführend mobilisiert hat: Warum sehen Sie das nicht als langfristig erfolgreiche Strategie für Ihre Partei an, sich auf diese Proteste zu stützen?
Mölzer: Die FPÖ war und ist keineswegs nur eine Protestpartei. Sie ist eine Partei, die in der Tradition des nationalliberalen Lagers in Österreich steht und keineswegs nur gegen alles ist, was die Regierenden und der Staat postulieren. Sie also nur auf eine Anti-Coronamaßnahmen-Politik festzumachen, wäre für eine solche Partei, die staatstragend ist und alle gesellschaftlichen und auch ökonomischen Themen zu behandeln hat, falsch. Dennoch ist es legitim und taktisch sinnvoll, den Bürgerprotest gegen die Regierungsmaßnahmen auch politisch zu vereinnahmen.
„Coronabekämpfung ist ein medizinisches Problem, kein parteipolitisches“
Welche Haltung wäre die richtige für die FPÖ in der Corona-Politik?
Mölzer: Letztlich wäre es sinnvoll, wenn die Coronabekämpfung in erster Linie als medizinisches Problem gesehen würde und nicht als parteipolitisches. Die FPÖ als eine freiheitliche Partei ist jedenfalls gut beraten das Thema der Bürgerfreiheit und der Einschränkungen dieser Freiheit zu thematisieren. Ob sie sich Kompetenz in Fragen der Impfsicherheit und der medizinischen Beurteilung von Impfstoffen anmaßen soll, ist eine andere Frage.
Sehen Sie auch die Gefahr, daß die FPÖ mit ihrer harten Ablehnung der Coronapolitik ihre Regierungsfähigkeit verliert?
Mölzer: In der Coronapolitik hat die FPÖ zweifellos gegenwärtig eine Außenseiterposition eingenommen, die ihr allerdings ein großes Maß an Zustimmung gewährleistet. Sie ist deswegen aus dem allgemeinen politischen Spiel keineswegs ausgeschlossen. Dies hat man zuletzt gesehen, als der ÖVP-Chef Kurz abgewählt wurde. Da wäre die FPÖ sofort für alle anderen Oppositionsparteien und sogar für die Grünen auch unter einem Parteichef Kickl ein durchaus akzeptierter Partner gewesen, dies wird auch in Zukunft so sein, wenn es das machtpolitische Spiel erfordert.
„Ich halte Kickl nach wie vor für alternativlos“
Sie sind ein alter Strippenzieher in der FPÖ: Gibt es neben dem vordergründigen Dissens über die Corona-Politik nicht in Wahrheit andere politische Gründe für Ihren Schwenk gegen Kickl? Steht dahinter ein neuer Fraktionskampf um Einfluß und Macht?
Mölzer: Ich bin längst kein Strippenzieher in der FPÖ, sondern als Publizist einzig und allein politischer Beobachter und Analytiker. Allerdings einer, der den freiheitlichen Grundsätzen als Mitglied seit fast 50 Jahren positiv gegenüber steht. Überdies vollziehe ich selbst keineswegs einen Schwenk gegen Kickl, den ich nach wie vor für alternativlos als Parteichef halte und auch unter Maßgabe aller Umstände für erfolgreich.
Die von Ihnen zitierten Fraktionskämpfe um Einfluß und Macht in der FPÖ sehe ich gegenwärtig in keiner Weise. Vielmehr stehen die Parlamentsmannschaft, aber auch die führenden Länder-Funktionäre geschlossen hinter Kickl. Daß es dennoch eine gewisse Meinungsvielfalt und auch Differenzen in Detailfragen geben kann und geben soll, ist für eine freiheitliche Partei geradezu daseinsnotwendig.