Es wird knapp für Angela Merkel (CDU), sehr knapp. Ihr fehlen nur wenige Tage zur Rekord-Kanzlerschaft der Deutschen Republik. Ihr Ziehvater Helmut Kohl ist mit 5870 Tagen der Rekordhalter in der Kanzler-Disziplin. Gelingt es der Ampelkoalition in der Nikolaus-Woche einen Kanzler zu wählen, würde es Angela Merkel nur auf Platz zwei des Treppchens schaffen.
Auf den dritten Platz steht mit 14 Jahren Amtszeit der Vater der Bonner Republik, Konrad Adenauer. Die kommissarische Kanzlerin kann sich die Siegerkrone nur aufsetzen, wenn sie am 19. Dezember noch im Amt ist, denn dann hätte sie Helmut Kohl um einen Tag geschlagen. Dies mag dem einstigen Zögling des Einheitskanzlers eine gewisse Genugtuung verschaffen. Wie es aussieht, wird Merkel durch die Unstimmigkeiten und die damit einhergehenden Verzögerung in den Koalitionsverhandlungen zur amtsältesten Kanzlerin gekürt werden.
Merkel wurde immer unterschätzt, von ihren Gegnern sowieso, fatalerweise auch von ihren Parteifreunden. Machttaktisch kann man viel von dieser Frau lernen. Von Kohls Mädchen hat sie sich zur Bundesmutti intrigiert. Sie hat es geschafft, alle Männer aus dem Weg zu räumen, die ihr politisch hätten gefährlich werden können. Einer, der es immer wieder wissen wollte, ist Friedrich Merz. Der Wirtschaftspolitiker und Ex-Unionsfraktionsvorsitzende kandidiert zum dritten Mal als CDU-Chef. Nehmerqualität hat er ja, das muß man ihm lassen.
Wetten, daß er es wieder nicht schafft? Ich würde ja beim Buchbinder auf Noch-Kanzleramtsminister Helge Braun setzen. Der hat nämlich mehr Schoßhündchen-Qualität und das ist bei Merkel alles, was zählt. Ihr langer Arm wird auch nach ihrem Abdanken so manchen Faden in der CDU ziehen, dafür hat sie vorgesorgt.
Merkels Alleingang
Seit der jüngsten Präsidentenwahl in Weißrußland im August 2020 erkennt die Europäische Union Alexander Lukaschenko wegen des Vorwurfs des Wahlbetrugs und dem gewaltvollen Vorgehen gegen das eigene Volk nicht mehr an. Diese naive „Formalie“ hindert „Europas letzten Diktator“ aber nicht daran, Tausende Migranten aus dem Nahen Osten durchs Land zu schleifen und den Polen vor die Füße zu werfen. Lukaschenko weiß, solche Bilder will niemand in Deutschland haben und er erreicht damit genau das, was er wollte: Europa vorzuführen und zu demütigen.
Im Ausverkauf deutscher Interessen, ist Angela Merkel bekannterweise besonders geübt, also telefonierte die kommissarische Kanzlerin kurzerhand mit dem weißrussischen Machthaber. Und das ausgerechnet am selben Tag, an dem sich die EU-Außenminister in Brüssel trafen und über schärfere Maßnahmen gegen Weißrußland berieten. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) im Kreis gesprungen sein muß, als er vom Alleingang der scheidenden Kanzlerin erfahren hat.
Mit diesem Schachzug fiel Merkel aber auch Polen in den Rücken, das dieses Telefonat als politische Legitimierung Lukaschenkos als Staatspräsident wertet. Und wo sie schon einmal telefoniert hatte, dachte sie sich wohl, sie kann es auch ein zweites Mal. Wahrscheinlich erfahren wir demnächst von einem Deal, den die ewige Kanzlerin mit Lukaschenko vereinbart hat.
Die ewige Kanzlerin
Bei all den diplomatischen Ärgerlichkeiten, wie mag sich der designierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) gerade fühlen? Als Vize-Kanzler mußte er, wie ehemals Prinz Philip bei der Queen, immer einen Schritt hinter der Kanzlerin gehen, jetzt ist er nur noch wenige Schritte von der Kanzlerwerdung entfernt. Seine Stunde ist nah, gerade erst hat ihn Merkel noch beim G20-Gipfel Ende Oktober in Rom in die internationale Politik „eingeführt“. Da paßt der außenpolitische Alleingang mit Lukaschenko doch gar nicht ins Bild einer harmonischen Machtübergabe.
Loslassen ist schwer, gerade wenn man als Politiker ohne Rampenlicht zu verwelken droht. Angela Merkel ist nicht diesen Weg gegangen, um sich einfach in die zweite Reihe zurückfallen zu lassen. Deshalb sollte sich Olaf Scholz Gedanken darüber machen, was Angela Merkel unter einem „Ruhestand“ versteht.
Das künftige a.D.-Büro soll einen üppigen Mitarbeiterstab bekommen: Einen Büroleiter mit Stellvertreter, zwei Fachreferenten, drei Sachbearbeiter und zwei Fahrer. Mit neun Mitarbeitern, die, je nach Besoldungsstufe, monatlich mit 46.000 bis 56.000 Euro dem Steuerzahler einen unverzichtbaren Dienst erweisen werden, kann Merkel als Schattenkanzlerin gut weitermachen. Die „Raute der Macht“ wird uns auch in Zukunft dabei helfen, bessere Deutsche zu sein. Gott stehe uns bei!