WARSCHAU. Mehrere Dutzend Migranten aus Weißrußland haben in der Nacht zu Mittwoch den Grenzzaun zu Polen durchbrochen. Laut der polnischen Nachrichtenagentur PAP zerstörten sie die Grenzanlagen nahe der Dörfer Krynki und Bialowieza. Einige der Eindringlinge seien nach Weißrußland zurückgebracht worden, andere seien auf freiem Fuß.
Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak (PiS) teilte am Mittwoch morgen hingegen mit: „Alle Durchgebrochenen wurden festgenommen.“ Der weißrussische Grenzschutz veröffentlichte PAP zufolge Fotos mehrerer Migranten, die an Kopf und Händen bluteten. Sie sollen sich tiefe Schnittwunden zugefügt haben, als die die Stacheldrahtzäune überwanden. Die Bilder seien jedoch nicht verifizierbar. Das weißrussische Regime wirft den polnischen Sicherheitskräften vor, brutal gegen die Migranten vorzugehen. Laut Polens Verteidigungsministerium schüchtern weißrussische Sicherheitsdienste die Migranten ein, indem sie etwa Schüsse abfeuerten und sie an die Grenze drängten.
Służby białoruskie zastraszają migrantów oddając strzały w ich obecności. pic.twitter.com/GTvrW5xUYU
— Ministerstwo Obrony Narodowej 🇵🇱 (@MON_GOV_PL) November 10, 2021
Nach polnischen Angaben befinden sich rund 4.000 Asylsuchende, zumeist aus dem Nahen Osten, im polnisch-weißrussischen Grenzgebiet. Polen versucht mit etwa 20.000 Sicherheitskräften, die vorwiegend männlichen Migranten an der Einreise zu hindern.
Weißrußlands Machthaber Alexander Lukaschenko läßt seit Monaten massenhaft Migranten an die Landesgrenzen zu Litauen, Lettland und Polen bringen, um die Europäische Union damit aus Rache für Sanktionen unter Druck zu setzen. Dazu ermöglicht Weißrußland Staatsangehörigen bestimmter Länder wie Syrien oder dem Irak die vereinfachte oder visafreie Einreise nach Minsk und unterstützt ihre Weiterleitung an die EU-Außengrenzen.
Deutsche Grüne, Linkspartei und Migrantenorganisationen kritisieren Polen
Während Grüne und Linkspartei sowie mehrere deutsche Migrantenhilfsorganisationen Polen scharf für ihr Vorgehen kritisieren, betonte Polens Botschafter in Deutschland, Andrzej Przylebski, im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT, sein Land werde dem Druck nicht nachgeben. Wir wollen ein Exempel statuieren, daß die Verteidigung der EU-Grenze, entgegen manchen deutschen Idealisten, möglich ist. Wir werden aber härter sein als Deutschland damals und lassen uns durch manipulierte Bilder nicht erschrecken.
The migrant camp at the border stretched for almost a kilometer
The camp in immediate vicinity of the border. There are a lot of children there and the conditions are horrible. #Belarusian military does not allow #migrants to leave the border area. pic.twitter.com/Hc1UI67HsM
— NEXTA (@nexta_tv) November 9, 2021
Die EU plant unterdessen weitere Sanktionen gegen Weißrußland. 30 weißrussische Personen und Unternehmen sollen auf die Sanktionsliste gesetzt werden, darunter befänden sich auch Außenminister Uladsimir Makej sowie die staatliche Fluggesellschaft Belavia, bestätigten drei EU-Diplomaten am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.
Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bot Warschau an, „solidarisch zur Seite zu stehen“ und Unterstützung beim Schutz der EU-Außengrenze zu leisten. Wie bereits Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) forderte Nehammer gegenüber der Welt die EU-Kommission auf, Polen Hilfe zu leisten. Allerdings sei das Angebot, polnische Behörden bei der Registrierung von Migranten zu unterstützen, „das völlig falsche Signal“. (ls)